Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte. Werner Rosenzweig

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Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte - Werner Rosenzweig


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eine Vielzahl von Bürgermeistern, Stadt- und Gemeinderäten. Er musste sie alle kennenlernen, musste ihre Befindlichkeiten ausloten, hie und da kleine Geschenke verteilen, musste herausfinden, ob und welchen kleinen Gefälligkeiten sie zugeneigt waren. Ja, er brauchte ihr Wohlwollen, ihre Unterstützung, hie und da zumindest. Sicher, sein politischer Status und Einfluss würden ihm helfen, Türen zu öffnen, aber allzu offensichtlich durfte er auch nicht agieren. Immer schön unauffällig verhalten. Das Rampenlicht überließ er lieber anderen. Unnötige Verdachtsmomente wollte er gar nicht erst aufkommen lassen. Immer schön sauber bleiben. Zumindest nach außen hin. Andererseits, er hatte sich einen engen Zeitplan gesetzt. Sein Schwiegervater saß ihm im Nacken und er wollte ihn nicht enttäuschen. Calippo hatte ihm drei Leute zur Seite gestellt, drei Camorrista di Sangue. »Fürs ganz Grobe«, wie er ihm lächelnd mitteilte. Sie lebten schon längere Zeit in Deutschland und kamen von Erfurt herüber. Natürlich wollte er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen. Das mit dieser Nutte in Amberg war eine Ausnahme, das wusste er. Die Ndrangheta wollte ihn prüfen, wollte sich seiner Loyalität sicher sein. Das verstand er auch. Das war für ihn okay. Aber im Rahmen seiner Aufgaben würde er sich ausschließlich im Hintergrund bewegen. Unauffällig von dort aus die Fäden ziehen. Ihm war auch klar geworden, dass er einen weiteren vertrauenswürdigen Strohmann brauchte, der ihm das Tagesgeschäft abnahm. Jemand, der sich im Geschäft auskannte, jemand mit einem bekannten Namen in der Karpfenzucht, keinen Unbekannten, jemand, der sich in die vorderste Linie stellte und offiziell als Investor auftrat. Ehrgeizig, aufrichtig, loyal und verlässlich. Er hatte auch schon eine Person im Kopf, jemanden aus Röttenbach. Und als ihm bei dem Stichwort Röttenbach das neue Restaurant Calabrese durch den Kopf ging, kam ihm plötzlich d i e Idee. Warum nach dem ersten Schritt stehenbleiben? Warum nicht die Prozesskette vom Erzeuger bis hin zum Endverbraucher vollständig abdecken? Das war es. »Was, wenn wir auch flächendeckend in fränkische Karpfenrestaurants investieren?«, fragte er sich. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Gewinnmaximierung mittels einer durchgängigen Kosten- und Prozessoptimierung. Was noch hinzukam – und das war das eigentlich Charmante an der Sache – wäre die Tatsache, dass Geldwäscherei in noch größerem Stil möglich wäre. Calippo würde ihn umarmen. Da war er sich sicher. Er würde ihn gleich anrufen. Dann verwarf er für den Moment den Gedanken wieder, das konnte er auch morgen noch tun, und konzentrierte sich wieder auf die Landkarte. Mit dem rechten Zeigefinger glitt er auf dem Papier dem Verlauf der Aisch entlang, von der Quelle bei Marktbergel bis zur Mündung in die Regnitz. Zwischen achtzig und neunzig Kilometer schätzte er die Entfernung. Bei der Ortschaft Dachsbach hielt er inne. Waren bis hierher die Fischteiche am Oberlauf des Flusses eher vereinzelt in die Landschaft gestreut, wuchsen sie ab Dachsbach zu großflächigeren Weiherketten aus. Hier würde er als Erstes ansetzen. Dann googelte er auf seinem Apple McBook www.aischgründer-karpfen.com/ und stieß unter »Aktuelles«, »Teichwirte« auf ein Verzeichnis von Karpfenzüchtern. »Wie praktisch«, murmelte er, »Name, Adresse, Telefon, alles vorhanden.« Er betätigte den Drucker, der kurz darauf ein mehrseitiges Dokument ausspie. »Das ist doch schon mal die halbe Miete, um die ersten Kontakte zu knüpfen. Und nun zum EU-Förderprogramm.« Ein neues Fenster öffnete sich auf dem Bildschirm des Notebooks. Europäischer Meeres- und Fischereifonds (EMFF 2014 – 2020) lautete die Überschrift. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hatte die Seite und alle möglichen Links dazu ins Netz gestellt. Förderung von Investitionsvorhaben in der Erwerbsfischerei, Beginn der Antragsstellung, Mittel aus dem europäischen Struktur- und Investmentfonds las der Workaholic vom Bildschirm ab. »Interessant, die Sache wird immer attraktiver.« Geldwäscherei unter dem Deckmantel europäischer Fördergelder. Er fragte sich, ob sein Schwiegervater die Förderungswürdigkeit ebenfalls in seine Überlegungen einbezogen hatte. Er war sich fast sicher. Wieder einmal bewunderte er den Weitblick von Calippo Antonelli. Er würde morgen am Telefon mit ihm darüber sprechen.

      Beppo Neugebauer war der größte Teichwirt in Dachsbach. Seine Fischweiher umfassten eine Gesamtfläche von ungefähr fünf Hektar. Okay, sie waren zugegebenermaßen etwas kleinstrukturiert, aber fünf Hektar insgesamt sind nicht gerade zu verachten. Beppo war kein Kind von Traurigkeit, war es nie gewesen. Jedermann im Dorf wusste das. Auch seine Frau Maria und sein bester Freund Daniel Krumm, Teichwirt aus Lonnerstadt, genauer gesagt aus dem dortigen Ortsteil Fetzelhofen. Doch Daniel und Maria wussten eben ein bisschen mehr über Beppo als der Rest der Dorfbewohner. Die drei bargen ein dunkles Geheimnis, welches nie ans Tageslicht kommen sollte. Aber wie das Leben eben oftmals so spielt … die Sonne bringt es doch irgendwann an den Tag … Vor siebenundzwanzig Jahren, kurz nachdem Beppo die Fischzucht von seinem Vater übernommen hatte, kamen, wie jedes Jahr, Erntehelfer aus Polen ins Fränkische. Meistens blieben sie von Anfang September bis Ende November, um beim Abfischen der Karpfenweiher mitzuhelfen. Sie waren damals schon billige Arbeitskräfte, langten aber ordentlich zu. Auch Tomasz und Jagoda Grabowski aus einem kleinen Kaff in der Nähe von Warschau kamen schon seit Jahren nach Dachsbach. Jagoda war damals eine überaus attraktive junge Frau und, obwohl verheiratet, konnte es einfach nicht lassen, auch mit anderen Männern zu flirten, sie herauszufordern ihr den Hof zu machen. Darin war sie ganz geschickt. Sie spielte gerne mit dem Feuer und fand es lustig, den jungen Burschen den Kopf zu verdrehen. Der junge Beppo Neugebauer war auch so ein Heißsporn, der scharf auf sie war. Es war Anfang September, als er mit Jagoda allein auf Einkaufstour unterwegs war. Hinten auf dem kleinen Anhänger des Fendt-Traktors stauten sich die Säcke mit Karpfenfutter, welche Beppo und Jagoda bei der Baywa in Höchstadt eingekauft hatten. Die zwei befanden sich bereits wieder auf dem Heimweg nach Dachsbach, als Jagodas Rock auf dem höher gelegenen Beifahrersitz immer weiter nach oben rutschte. Ob zufällig oder absichtlich? Schwer zu sagen. Beppo hatte da seine eigene Interpretation. Immer wieder glitt sein Blick auf die festen polnischen Oberschenkel. Als Jagoda ihre Beine etwas spreizte, meinte Beppo Neugebauer gesehen zu haben, dass sie nicht mal einen Schlüpfer trug. Er kam ins Schwitzen. Seine Gedanken kreisten. Dann traf er eine Entscheidung. Kurz vor Uehlfeld bog er plötzlich auf einen Feldweg ab und stoppte sein Gefährt hinter einer hohen, nicht einsehbaren Schlehenhecke. Dann griff er an. Das Blut pochte in seinen Schläfen, als er der Polin an die Wäsche ging. Die wehrte sich. Reine Scheinheiligkeit. Das war Beppo klar. In Wirklichkeit war sie heiß wie eine läufige Hündin. Scharf wie Paprika. Die zierte sich nur. Durch das Geziere angespornt ging Beppo nun erst richtig zur Sache. Was sollten diese plumpen, unnötigen Abwehrversuche? Er verstand die Welt nicht mehr. Ob die das brauchte, um richtig auf Touren zu kommen? Anscheinend! Dieses Rumgeeiere kostete doch nur Zeit. Er wollte endlich zum Schuss kommen. Hatte sie ihn nicht direkt dazu aufgefordert? Wer hatte denn den Rock so weit hochgezogen, dass er ihren schwarzen Busch sehen konnte? Beppo war in seiner Geilheit nicht mehr zu bremsen. Er fiel über die Erntehelferin her und vergewaltigte sie. Mehrmals. Mitte November verkündete ihm die Polin, dass sie schwanger sei. Von ihm. Ihrem Mann Tomasz habe sie von der Vergewaltigung erzählt. Vergewaltigung! Wie sich das anhörte. Du meine Güte! Sie wollte doch auch, hatte doch nicht mal einen Schlüpfer an. Einhunderttausend Deutsche Mark wollten die beiden von ihm, dann würden sie schweigen wie ein Grab, nicht zur Polizei gehen, würden nie wieder nach Dachsbach kommen. Andernfalls … In seiner Verzweiflung weihte Beppo seinen besten Freund Daniel ein. »Wenn du zahlst, werden sie dich weitermelken wie eine Milchkuh, das ist doch so sicher wie das Amen in der Kirche«, hatte er ihm prophezeit. Beppo ging die Angelegenheit nicht aus dem Kopf. Den ganzen Tag grübelte er darüber nach, wie er sich aus diesem Schlamassel befreien konnte. Nachts konnte er nicht mehr schlafen. Schließlich nahm er sich ein Herz und beichtete seine Untreue und die drohenden Folgen daraus auch seiner Frau Maria. »Du bist doch bled, wie die Nacht finster«, musste er sich anhören, »hast dei bissla Hirn in deim Schwanz sitzn? Na ja, viel passt da ja net nei.« Wie Daniel war auch sie davon überzeugt, dass die verdammten Polacken keine Ruhe geben und immer mehr und mehr Geld fordern würden. »Die greifn doch, wenn sie geborn werdn, scho der Hebamm nach der goldenen Armbanduhr«, bekräftigte sie ihre Meinung über Jagoda und Tomasz Grabowski. »Die nehmen uns aus wie a Weihnachtsgans.«

      Nur wenige Tage, nachdem er seine Verfehlungen seiner Frau gebeichtet hatte, lief ihm Jagoda im Hof über den Weg, einen Korb mit feuchter Wäsche unter dem Arm. Heimlich folgte er ihr zum Wäschetrockenplatz hinter dem Haus und stellte sie zur Rede. Ein Wort gab das andere. Sie lachte ihn aus. »Wenn du nicht zahlst, ich werde erzählen von Vergewaltigung und


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