Die Geschichte des Deutschen Ritterordens. Gustav Freytag

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Die Geschichte des Deutschen Ritterordens - Gustav Freytag


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sie durch ihr Volkstum erhielten, auf ein anderes Volk über, um dieses zu verstärken, weil sie ihm die Einseitigkeit seiner Natur mildern. So lebten und vergingen die Babylonier, die Griechen, Juden, Römer, Araber. Darum ist jedes vergangene Kulturvolk den späteren ehrwürdig und vertraulich.

      Auch der einzelne Mann lebt und schafft so, daß ihm sein Verständnis der Welt fortgebildet wird und daß sein Wille durch Wechsel seiner Erkenntnis und durch Liebe und Haß in jeder Stunde unablässig reguliert wird. Auch ihm wird zuletzt Einsicht und Gemüt beschränkt durch die Folgen früheren Tuns, die sie auf seinem Haupte sammeln, seine Freiheit, ein Neuer zu werden, hört auf, er verfällt endlich der Summa dessen, was er geworden ist und was er getan hat. Ihm ist der Tod der letzte Erfolg seines Lebens und die letzte Gunst des Schicksals. Und nach seinem Tode betrachten ihn auch spätere Gegner seiner Lebensarbeit mit Teilnahme, er war ein Mensch wie sie, und für menschliche Größe und Tüchtigkeit hat jede Folgezeit eine sympathische Empfindung.

      Weit unfreier und einseitiger arbeitet eine Genossenschaft; sie wird durch eine einzige Idee getragen, und sie kann nur bestehen, solange ihre Zwecke nicht in Widerspruch geraten und stärkeren sittlichen Forderungen der Völker. Sie kann ihr Prinzip nicht wandeln, sie vermag nur schwer zu lernen und sich zu verjüngen. Und wie Begeisterung und Fanatismus, welche das Prinzip einer Genossenschaft vielen Menschenleben mitzuteilen weiß, mächtiger und furchtbarer sind als die schöpferische Kraft eines einzelnen Lebens, so ist die Herrschaft der Genossenschaft auch von einer fürchterlichen Starrheit und Beschränktheit, und ihr Fall tief, ruhmlos und kläglich, denn sie vergeht durch ihr Schwäche in Verkümmerung, unter Gleichgültigkeit, Widerspruch, Haß, Verachtung der Menschen. Das geschah der Kirche des Mittelalters, dem römischen Reich deutscher Nation, dem Innungswesen, der Hansa, dem deutschen Orden. Was diese Einrichtungen wollten, wurde durch die Zeit als beschränkt und unwahr widerlegt, was sie für Segen hielten, das ward vielleicht den Enkeln zum Fluch, was ihnen heilig erschien, das erklärten spätere für ein Werk des Teufels. Und die menschliche Teilnahme, welche den gestorbenen Helden zugute kommt und die Ehrfurcht, womit wir ein untergegangenes Volk betrachten, bewahren wir schwer für Ideen, welche uns nichtig geworden sind.

      Aber ein guter Trost bleibt bei solcher geschichtlicher Betrachtung. Was je Menschen erwärmt und auf Dauer tatkräftig gespannt hat, das hinterläßt, wenn es vergeht, ein Geschaffenes, das irgendwo, ungeahnt, ganz ohne Wunsch und Willen des Erzeugers, sein neues Dasein kundgibt. Die Kreuzzüge eroberten nicht das Morgenland, aber sie wurden den Völkern Beginn eines selbständigen nationalen Lebens. Die Kirche des Mittelalters hinterließ den deutschen Protestantismus, die freie Wissenschaft und jedem einzelnen die Pflicht, seinen Gott zu suchen; der deutsche Staat des Mittelalters wurde Vorstufe für eine höhere politische Bildung, die gerade jetzt die volle Kraft der Deutschen in Anspruch nimmt; durch die Zunftgenossen und Hansen erblühte die deutsche Städtekraft; der deutsche Orden vermachte ein großes Kulturland, kräftige Bürgerschaften und deutsche Grundbesitzer dem modernen Staat. –

      Das Heer der Kreuzfahrer lag im Jahr 1190 an dem Berge Turon vor Accon. Da fühlten Kaufleute aus Bremen und Lübeck Erbarmen mit den Kranken, sie nahmen die Segel aus den Koggen, ihren Seeschiffen, und errichteten daraus auf dem Nikolaikirchhof zwischen dem Heer und dem Fluß Bellus eine Lufthütte, dort pflegten sie die Kranken mit treuer Sorgfalt. Sie statteten das Hospital mit Betten, Zubehör und Geld aus und stellten es unter den Schutz der Jungfrau Maria. Und der Hauptmann, der Bürger Siebrand, erwarb für die Stiftung vom König Guido von Jerusalem Anrecht auf ein Haus des Königs oder eine Straße in Accon und auf vier Morgen Landes in der Stadtflur, sobald die Stadt erobert wäre. Als Siebrand mit den Hansen in die Heimat zurückkehrte, legte er die Stiftung in die Hand des Kaplans Konrad und des Kämmerers Burkhard, welche mit Friedrich von Schwaben, dem Sohne Kaiser Friedrich Rotbarts, im Oktober 1190 vor Accon angekommen waren. Burkhard und Konrad verwalteten die deutsche Stiftung nach der Regel der Johanniter [Andere Ritterorden], verlegten sie nach Eroberung der Stadt Accon auf erworbenen Stadtgrund, erbauten eine Kirche und Wohnungen und warben durch die Hohenstaufen beim Papst um die Rechte einer geistlichen Genossenschaft für die Brüder des Marienhospitals deutscher Nation. Die Bruderschaft erhielt vom Papst Cölestin III. im Jahre 1196 einen Stiftungsbrief mit den Vorrechten einer geistlichen Körperschaft, im Jahre 1199 wurde ihr vom Papst Innozenz III. bestätigt, daß sie einen Orden bilden sollte, der die Ritterregel von den Templern [Andere Ritterorden], die Hospitalregel von den Johannitern nähme.

      So entstand der Orden, welcher unter allen ritterlichen Bruderschaften die größte Bedeutung gewinnen sollte, aus einer deutschen Bürgerstiftung. Und für seine ganze Geschichte sollte der Zusammenhang mit dem Bürgertum entscheidend werden. Daß er Städtegründer, Schützer und Teilnehmer an dem Großhandel der Nordmeere wurde, das gab ihm die beste Kraft; als die Ordensinteressen und die der Städte sich feindlich schieden, verging er.

      Die Dienstleute St. Mariens vom deutschen Hause, wie sie in ihrer ältesten Regel genannt werden, sind begebene Menschen unseres Herrn Christus, sie sind ausgenommen von jedem weltlichen Gericht, ihnen ist geboten Keuschheit, Verzicht auf eigenen Willen und Verzicht auf eigenen Besitz. Nur der Orden darf besitzen Land und Gebäude, Renten, Weib und Mann. Zum Andenken daran, daß der Orden eher Spital hatte als Ritterschaft, soll er in seinem obersten Hause oder wo sonst der Meister mit dem Kapitel (der Genossenschaft) beschließt, ein Hospital halten für alle Zeit.

      Wer in das Hospital aufgenommen wird, soll zuerst beichten, wenn er die Kraft hat; seine Habe soll der Bruder des Hospitals verzeichnen. Die Siechen sollen alle Tage ihre Krankenkost bekommen, bevor die Brüder essen, der Orden soll ihnen nach Vermögen Ärzte halten, und ein Nachtlicht darf ihnen nie fehlen. Man soll ihnen in Demut und Treue dienen. –

      Um die großen Kosten des Hospitals zu decken, darf man mit Erlaubnis des Meisters Almosenbitter in das Land senden, Leute von geistlichem Leben, erfahren und mäßig.

      Der Orden besteht aus – wenigen – Geistlichen und aus Laien, welche die Hauptmasse und Stärke des Ordens sind; beide sollen fromm ihren Gottesdienst halten, siebenmal im Jahre das Abendmahl nehmen. Wenn ein Bruder stirbt, soll man seine besten Kleider und des Bruders Speise und Trank 40 Tage einem Armen geben.

      Die Brüder sollen Hemden, Niederkleid und Beinstrümpfe, Leilach (Leinlaken) und Bettgewand von Leinwand haben, Pelz, Kürse (Pelzrock) und Bettdecke sollen nur von Schaf- und Geißfell sein, aber Geißfell soll nur erhalten, wer es verlangt. Von den Laienbrüdern sollen die Ritterbrüder weiße Mäntel tragen, sonst in Kleidern von den übrigen Laienbrüdern nicht unterschieden sein; alle Brüder aber tragen an Mantel, Kappe (Kutte mit Ärmeln) und Wappenrock ein schwarzes Kreuz. Wer neues Gewand erhält, soll das alte zurückgeben für die Knechte und Armen. Alle sollen ihr Haar kurz geschoren tragen, die Brüderpfaffen nicht zu kleine Platte, die Laienbrüder mäßige Bärte. – Der Vollbart wurde bald gegenüber der Rittermode das charakteristische Kennzeichen der Ordensbrüder und „die Bärtigen“ ihr Beiname.

      Bei Tische sprechen die Pfaffen den Segen und die Laien ein Paternoster und Ave-Maria [Vaterunser und „Gegrüßet seist du, Maria“ (Gebet)]. Drei Tage in der Woche dürfen sie Fleisch essen, drei Tage Molken und Eier, am Freitag Fastenspeise, bei Schwachen und Kranken darf man die Kost bessern. In ihrem Haus essen die Brüder zwei und zwei miteinander, nur Mus und Trank hat jeder allein. In allen Häusern, wo ein Konvent der Brüder ist, nämlich nach der Zahl der Apostel zwölf Brüder und ein Komtur, soll man die Lektion bei Tische halten, und alle Essenden sollen schweigen. Sonst soll man bei Tische wenig reden, wenn nicht der Oberste Gästen zu Gefallen Erlaubnis gibt. Angebrochenes Brot soll man nach Tische als Almosen geben, außerdem den zehnten Teil alles Brotes, das in dem Ofen des Hauses gebacken wird. An bestimmten Tagen sollen die Brüder fasten, an jedem Fasttage haben die Brüder eine Abendkollation, diesen Trank sollen sie tun zwischen Vesper und Komplet (dem letzten Gottesdienst), und dabei von ehrsamen Dingen leise sprechen. Alle Brüder sollen in einem Raume schlafen, begürtet mit Hemd, Niederkleid und Hosen, jeder in besonderem Bett, ausgenommen die im Dienst des Ordens anderswo schlafen. In der gemeinsamen Schlafstelle


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