Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje

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Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje


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geleistet. Ein Tarnschornstein, der im Bedarfsfalle aufgebaut und entfernt werden konnte, sowie ein Originalschornstein, der sich durch Ein- und Ausfahren beliebig verlängern oder verkürzen ließ, war installiert. Ebenso zu Tarnzwecken befanden sich an Bord Masten, Lüfter, Pfosten, Decksaufbauten und Ladegeschirr, die heute aufgebaut, morgen wieder beseitigt werden konnten. Unvorstellbare Mengen an Verpflegung und Material aller nur denkbaren Art waren an Bord genommen und verstaut. Eisenbahnwagenweise Proviant, insgesamt fürs erste rund 350 t Verpflegung, hektoliterweise Bier, zentnerweise Kaffee, Tee, Fruchtsäfte, Fette aller Art, Bekleidung für Tropen und Nordpol. Ebenso waren sämtliche Munitionskammern des Schiffes gefüllt, ein Sollbestand von 32 Torpedos und 100 Minen an Bord genommen worden, Die Ausrüstung des Schiffslazaretts war ebenso wie die Ausrüstung aller anderen Abteilungen vervollständigt. Alle Ölbunker waren zum Bersten gefüllt. Insgesamt wurden 5.320 t Heizöl übernommen und auf die verschiedenen, im ganzen Schiff untergebrachten, Bunker verteilt. Die Ölvorräte gaben dem Schiff die Möglichkeit, bei der sparsamsten Fahrt von ca. 10 bis 11 Seemeilen in der Stunde über ein Jahr, ohne Ergänzung, von der Heimat fern zu bleiben. Dieses bedeutete einen Fahrbereich von annähernd 70.000 Seemeilen, ein gewaltiger Aktionsradius. Bemerkt werden darf noch, dass selbstverständlich außer Proviant, Getränken, Wasser, Schmiermitteln sämtlicher Art, Flugzeugbenzin und Munition auch Damen- und Kinderbekleidung in größeren Mengen übernommen wurde. Diese selbstverständlich in Kisten verpackt und nur dem zuständigen VO (Schiffsverwaltungsoffizier), sowie Kommandant und Offizieren bekannt. Schließlich musste ja damit gerechnet werden, dass von gegnerischen Schiffen außer der männlichen Besatzung und Passagieren auch Frauen und Kinder zu übernehmen sein werden, ohne dass es immer möglich wäre, deren persönliche Habe an Bord zu nehmen.

      Gegen 16.00 Uhr hieß es „Leinen los.“ Der Kommandant fuhr das Ablegemanöver selbst und im Geleit von zwei Torpedobooten ging es fördeaufwärts. Das Schiff war als normaler Sperrbrecher getarnt und die Besatzung nahm an, es stehen lediglich ein weiteres gefechtsmäßiges Übungsschießen o.ä. Rollenübungen auf dem Programm. Dass es sich um den Beginn der tatsächlichen, von vielen ersehnten, von manchen auch mit Bangen erwarteten, Feindfahrt handelte, war außer dem Kommandanten niemandem wirklich bekannt, obwohl aufgrund der übereilten Ausrüstung und der diversen an Bord gekommenen Proviantmenge sowie der kriegsmarschmäßigen Ausrüstung an Munition und Treibstoff sich zumindest die Offiziere darüber im klaren waren, dass die endgültige Ausfahrt unmittelbar bevorstand.

      Langsam wurde die Förde breiter und das Land wich weiter zurück. Der Kommandant befahl, „Umdrehungen für 10 sm!“ Plötzlich schnarrte das Brückentelefon, der IO, Graf Terra, hob ab und meldete, „Funkraum meldet, dass Einflug feindlichen Bomberverbandes auf Kiel gemeldet worden ist.“

      „Verdammt noch mal“, versetzte der Kommandant, „ und das ausgerechnet jetzt. Fliegeralarm.“ Die Alarmsirenen gellten durch das Schiff. „Schotten dicht, Flakwaffen enttarnen!“ Die weiteren Kommandos des Kommandanten erfolgten sofort. „Feuererlaubnis nur auf mein Kommando!“ Kommandant und Offiziere auf der Brücke sowie die Ausgucks auf Oberdeck hoben die schweren Marinegläser und suchten gewissenhaft ihre Sektoren ab. Gleichzeitig mit dem eingehenden FT-Spruch des vorausfahrenden Torpedobootes entdeckte auch Oberleutnant zur See Graf von Terra die von Steuerbord voraus anfliegenden Feindflugzeuge. Die britischen Bomber vom Typ Lancaster hatten offenbar Befehl, die Werftanlagen und im Hafen befindliche Einheiten der Kriegsmarine anzugreifen. In einer Höhe von lediglich 2.000 bis 2.500 Metern näherten sich die Bomber, bereits aufgefasst vom vorderen E.-Messgerät. „Höhe 2500 Meter, Entfernung sechzig Hundert“, meldete das E.-Messgerät. Der Kommandant griff zum Hörer und befahl dem für die Flakwaffen zuständigen zweiten AO, „Ziel auffassen, sowie in Reichweite, Feuererlaubnis!“ Die Sekunden währten ewig. „Entfernung 30 hm (30 Hektometer = 3.000 Meter), Höhe 2.000“, meldete das E.-Messgerät. Gleichzeitig eröffnete das vorauslaufende Torpedoboot, das seine Geschwindigkeit, deutlich sichtbar am silbern aufquirlenden Kielwasser, erhöht hatte und auf volle Fahrt gegangen war, das Feuer und die Flakgranaten zischen dem Feind entgegen. Deutlich ließ sich die Leuchtspur verfolgen. Sekundenbruchteile später fielen auch die 3,7 Zentimeter Flakwaffen des Hilfskreuzers ein. Die gegnerischen Bomber versuchten ihrerseits durch Ausweichmanöver dem gezielten Feuer der Schiffsflak zu entkommen. Acht Flugzeuge waren nunmehr von allen Mann an Bord deutlich zu erkennen und näherten sich von Sekunde zu Sekunde dem Verband. Die ersten beiden Maschinen entschlossen sich, den vermeintlichen Frachter als Ziel anzunehmen. „Maschine dreimal AK, Ruder hart Backbord“, befahl der Kommandant. Währenddessen öffneten sich bei den beiden, das Schiff von Steuerbord voraus anfliegenden, Bombern bereits die Klappen der Bombenschächte, mit dem bloßen Auge schon gut zu verfolgen. Zwischenzeitlich hatten die beiden Torpedoboote ebenfalls erkannt, dass ihr Schützling das Opfer der feindlichen Flieger werden sollte und konzentrierten ihr Abwehrfeuer ebenfalls auf die beiden, den Hilfskreuzer angreifenden, Maschinen. Von der vorausgestaffelten Maschine lösten sich die ersten Bomben. Im gleichen Moment hatte die Steuerbord vordere 3,7 sowie eine der 2 Zentimeter-Doppellafetten das Flugzeug aufgefasst und deutlich war zu sehen, wie die Leuchtspurgeschosse im Flugzeugrumpf verschwanden. Plötzlich sprangen Funken aus der linken Tragfläche des Feindbombers und Sekundenbruchteile später zerbarst dieser in einem aufwallenden Feuerball. „Ruder hart Backbord“, folgte das nächste Kommando des Kommandanten – hinein in das Zerbersten der Feindmaschine. Mit Hartruderlage drehte das Schiff aus der zu erwartenden Flugbahn des abstürzenden Bombers. Der zweite Feindbomber, auf den sich nunmehr das Feuer der drei Kriegsschiffe vereinigte, drehte, ohne zum Bombenwurf gekommen zu sein ab. Gleichzeitig klatschten etwa hundert Meter hinter dem Schiff die Bomben des abgeschossenen Feindflugzeuges in die Förde und warfen hohe Wasserfontänen auf. Etwa 60 Meter an Steuerbord des Hilfskreuzers, stiebte die abgeschossene Feindmaschine in die hell aufspritzende See. Nur 20 Meter von der Bordwand hieb wie eine Bombe die abmontierte Fläche nebst Steuerbordmotor in die See. Zwei, drei kleinere Metallteile klirrten auf das Oberdeck des Schiffes, ohne jedoch Schäden zu verursachen.

      Die Feindflugzeuge kamen aus dem Wirkungsbereich der Waffen und flogen im direkten Kurs weiter auf Kiel. „Feuer einstellen, Maschine Umdrehung für 10 sm“, kam das Kommando des Kommandanten und der Verband setzte seine Fahrt fort. Das führende Torpedoboot meldete sich, „ K an K, aussprechende Anerkennung zum ersten Abschuss. Von mir bestätigt“, ließ sich der Kommandant des Führertorpedobootes vernehmen. Korvettenkapitän Waldau fuhr sich mit dem Ärmel seines Bordjacketts über die vor Anspannung klatschnasse Stirn, „geben Sie zurück: K an K, vielen Dank, auch für Ihre segensreiche Unterstützung.“ Der Kommandant nahm noch einmal das Doppelglas vor das Gesicht, aber die Feindmaschinen waren nur noch als kleine Punkte in der Ferne auszumachen. Deutlich hörte man nunmehr auch, wie die Flakbatterien an Land sowie die Schiffsflak der im Hafen liegenden Marineeinheiten die Feindflugzeuge nunmehr unter Feuer nahmen. Kurz darauf dröhnten dumpf die Detonationen der Feindbomber über die Förde. Trefferwirkungen waren jedoch vom Schiff her nicht auszumachen.

      „Na also“, meinte der IO und setzte das Glas ab, „haben die Tommys also nur die armen Fische erschreckt.“

      „Nun lassen Sie mal, IO“, versetzte Waldau, „mir langt dieses Zwischenspiel als Ouvertüre zu unserer Unternehmung durchaus.

      Der IO grinste den Kommandanten an, „habe ich’s mir nicht gedacht.“ „Was belieben zu denken, IO?“ Der Kommandant musterte seinen alten Freund und jetzigen ersten Offizier. Zwischenzeitlich spitzten auch die anderen Seeoffiziere sowie das sonstige Brückenpersonal gespannt die Ohren, um sich ja nichts vom Gespräch der beiden wichtigsten Männer an Bord, denn das waren Kommandant und IO im Hinblick auf die Schiffsführung allemal, entgehen zu lassen. Dem Kommandanten blieb die gebannte Aufmerksamkeit seiner Untergebenen selbstverständlich nicht verborgen und nach einem Blick in die Runde meinte er, „ na gut, Herrschaften, eigentlich solltet Ihr es ja erst in einigen Stunden erfahren, aber was soll’s. Die Unternehmung hat begonnen.“ Ob dieser Eröffnung des Kommandanten war es auf der Brücke so still, dass man die bekannte Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Der IO, Graf Terra, wer sollte es auch anders sein, brach das andauernde Schweigen als erster und meinte, unbekümmert in die Runde blickend, „wenn das kein gutes Omen ist, kaum die Leinen gelöst und schon die Feuertaufe erfolgreich bestanden.“ Der Kommandant, der dieses Gespräch zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht vertiefen wollte – insgeheim ärgerte er sich, dass


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