Tod eines Clowns. Petra Gabriel

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Tod eines Clowns - Petra Gabriel


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Blumen-Erika und brummte im Vorübergehen einen Gruß. Sie hatte ihren Jungen im Schlepptau. Eugen Schreiber von «Zilles Obst- und Gemüseoase» schlurfte an Fechners Auslage vorbei zu seinem Stand, nickte ihm zu und brummte ein mürrisches «Tach!», bevor er hinter seine Holzaufbauten strebte und begann, die Planen von den Kisten zu entfernen. Fechner dachte sich nichts beim Anblick von Schreibers knurrigem Gesicht. Sie hatten seit Jahren ihre Stände nebeneinander. Gemüse-Eugen war morgens immer muffig, besonders wenn die Sonne so spät aufging wie jetzt in der Vorweihnachtszeit. Er brauchte Licht, um sich in ein umgängliches menschliches Wesen zu verwandeln.

      Fechner hingegen schoss morgens aus dem Bett wie angeknipst. Er liebte seinen Beruf, verstand ihn mehr als Berufung denn als Broterwerb. Bis auf das Schlachten selbst vielleicht, aber das war nun mal notwendig. Die Kollegen lachten, wenn Fechner behauptete, das Fleisch von behutsam und möglichst schmerzfrei geschlachteten Schweinen und Rindern schmecke einfach besser, sei saftiger. Sollten sie doch lachen! Er liebte es, die Schweinehälften zu zerteilen, die Arme bis zu den Ellbogen im Brät zu versenken, um Fett, Fleisch und Gewürze miteinander zu verkneten, ehe die Masse in den Naturdarm gestopft wurde. Kurz, Fleischermeister Fechner war ein Perfektionist und weit über Moabit, sogar weit über Berlin hinaus bekannt für sein hervorragendes Fleisch und seine würzigen Wurstwaren, insbesondere für die Blut- und Leberwürste, die er nach einem Rezept seiner schlesischen Großmutter anfertigte. In der Vorweihnachtszeit verkauften die sich besonders gut.

      Er war an diesem Morgen deshalb schon kurz nach Mitternacht und nach nicht mehr als drei Stunden Schlaf aufgestanden und hatte in seiner Fleischerei einen gehörigen Vorrat produziert, für den Laden und für die Halle. Den Laden betrieb seine Frau, er verkaufte am Stand.

      Bei der Ankunft des Gemüsehändlers hatte er die ersten Würste bereits hinter dem Glas seiner Theke aufgeschichtet und mit einigen Blättern Grünkohl dekoriert, gleich neben dem rosigen Schwein aus Plastik, das ein Kleeblatt im lächelnden Maul hielt. Fritz Fechners Ehefrau Edith fand, das Schwein sei eine für die Vorweihnachtszeit unpassende Dekoration. Doch Fechner bestand auf der Anwesenheit des Plastiktiers in seiner Auslage. Es brachte ihm Glück. So hatten seine Frau und er einen Kompromiss geschlossen: Das Schwein lag der Jahreszeit gemäß auf einem Bett aus Tannenzweigen, weihnachtlich mit Strohsternen dekoriert. Das einzig Ärgerliche an diesem Arrangement, fand Fechner, war die damit einhergehende Platzverschwendung. Denn um nicht den Unmut der Lebensmittelkontrolleure zu erregen, mussten seine Waren einen bestimmten Abstand zu den harzigen Zweigen wahren. Deshalb brachte er in der Auslage weniger Würste unter. Doch deswegen einfach so nachgeben? Nein! Ein Mann hatte schließlich seinen Stolz und musste zeigen, dass er der Herr im Haus war.

      Dabei würde Edith nicht einmal bemerken, wenn er die Dekoration veränderte. Sie hatte momentan ganz andere Interessen: Der belgische König Baudouin heiratete in Brüssel die spanische Gräfin Fabiola. Und Edith klebte am Fernsehgerät. In Anbetracht der royalen Hochzeit hatte sie keinen Sinn für Schweine, auch nicht für solche aus Plastik. Den Laden versorgte derweil eine langjährige Aushilfe namens Emma.

      Fechner hielt inne und betrachtete sein Werk. Die letzten Lücken wollte er mit den besonders teuren Rinder- und Schweinefilets füllen. Das tat er immer erst kurz vor dem Eintreffen der ersten Kunden, damit die Stücke möglichst lange ansehnlich blieben. Aber vorher nickte er Gemüse-Eugen zu. Der nickte zurück, und die beiden Männer machten sich gemeinsam auf den Weg nach draußen, um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen. Ohne dieses Ritual begann der Tag in der Halle einfach nicht auf die richtige Weise.

      Als Fechner wieder an seinen Fleisch- und Wurststand zurückkehrte, waren die Lücken hinter dem Thekenglas bereits gefüllt. Allerdings anders, als er es geplant hatte. Mit dem Gesicht nach unten, ein Messer im Rücken, direkt neben den Blutwürsten, lag ein Mann. Reglos. Tot. Dafür hatte Fleischermeister Fechner einen Blick. Er wusste auch: Das bedeutete Ärger. Gemüse-Eugen fasste Fechners Bedenken zusammen. «Oje!», brummte er Wurst-Fritz hinterher, der bereits zum nächsten Fernsprecher spurtete, um die Polizei zu alarmieren.

      Die Arminiushalle wurde für diesen und die nächsten Tage geschlossen. Das ordnete Kriminaloberkommissar Otto Kappe von der Mordkommission als Erstes nach seinem Eintreffen eine halbe Stunde später an. Er hatte den Kollegen Hans-Gert Galgenberg an seiner Seite. Aller Protest von Gemüse-Eugen und Wurst-Fritz blieb vergebens. Kappe konnte nachvollziehen, dass die Hallensperrung für die Händler mehr als ärgerlich war. An den Tagen vor Weihnachten machten sie besonders gute Geschäfte. Doch es führte kein Weg daran vorbei. «Erst ist die Spurensicherung dran! Wir müssen die gesamte Halle durchsuchen, danach können Sie weiterverkaufen», erklärte er in einem derart preußisch-bestimmten Ton, dass Wurst-Fritz und Gemüse-Eugen klein beigaben.

      Derweil trocknete auf dem Hemd der Leiche langsam das Blut, ebenso auf dem Hallenboden und auf den umliegenden Wurstwaren. Kappe betrachtete zusammen mit Galgenberg die Bescherung. «Das kann noch nicht lange her sein», stellte er fest. Er hatte im Laufe seiner Jahre bei der Kriminalpolizei genügend Blut gesehen, um aus dessen Zustand Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Tat ziehen zu können.

      «Denk ick och.» Polizeihauptkommissar Karl Schulz, Leiter des zuständigen Reviers 24 in der Oldenburger Straße, besah sich die mörderische Angelegenheit ebenfalls eingehend. Kappe war froh, ihn dabeizuhaben. Er war der Beste, den er sich vorstellen konnte, um die Absperrung der Halle zu organisieren und, falls nötig, erregte Gemüter zu beruhigen. Schulz kannte seine Moabiter Pappenheimer gut, vor allem schon lange, und er stand in dem Ruf, dass er auch mal kräftig dazwischenfahren konnte. Unter den Händler gab es so einige, die zu – nicht immer gewaltfreien – Temperamentsausbrüchen neigten.

      Schulz, sonst die Ruhe in Person, wirkte an diesem Tag allerdings ungewöhnlich angespannt. Die Angehörigen der Polizei wurden gerade auf mögliche persönliche Verstrickungen in Verbrechender Nationalsozialisten überprüft. Vielleicht waren die Ermittler gerade an Schulz dran, überlegte Kappe. Er mochte den Mann, obwohl er mal gehört hatte, dass der 51-jährige gebürtige Niedersachse einst als SS-Hauptsturmführer im «Führerbegleitkommando» zu Hitlers berüchtigter Schlägertruppe gehört habe. Kappe hatte keine Ahnung, ob das stimmte. Er konnte es eigentlich nicht so recht glauben. Schulz war schließlich nicht gerade ein seltener Name. Nun, wie auch immer es gewesen sein mochte, der Polizeihauptkommissar kannte sich in der Halle aus wie in seiner Westentasche und konnte den Leuten von der Spurensicherung wichtige Hinweise geben.

      Schulz nickte Otto Kappe zu. «Gerade eben den Weg allen Fleisches gegangen, könnte man sagen.»

      Niemand lachte.

      Dr. Konrad König von der Gerichtsmedizin trat näher an den Toten heran. «Heidenei, so eine Sauerei!» Manchmal konnte König den gebürtigen Schwaben noch immer nicht ganz verleugnen, obwohl er sich größte Mühe gab, dem Berliner Jargon alle Ehre zu erweisen. So sagte er stets «Schrippe», nie «Weckle». König war schnell, sogar kurz vor Kappe eingetroffen. Die Gerichtsmediziner saßen nämlich ganz in der Nähe, in einem Gebäudeteil des Krankenhauses Moabit in der Turmstraße Nr. 21. Noch. Im letzten Jahr hatten die Planungen für ein neues Haus in der Invalidenstraße begonnen.

      Der 34-jährige König war vor Jahren nach Berlin gekommen, der Liebe wegen, und hatte in der Stadt Medizin studiert. Die Liebe war weg, König noch immer da. Spillerig, etwas linkisch, mit dünnem aschblondem Haar, das sich am Hinterkopf und an der Stirn bereits erheblich lichtete. Die Kollegen gaben sich redlich Mühe, König bei der Suche nach einer Freundin mit Tipps zu versorgen, aber es wollte nicht so recht klappen. «Dem vielen Blut nach zu urteilen hat’s eine wichtige Blutbahn verletzt. Ich kann aber noch nicht genau sagen, wann und wie der Mann gestorben ist, zumal das Messer noch im Rücken steckt. Danach wollten Sie doch fragen, oder, Herr Kriminaloberkommissar? Das Messer im Rücken scheint zwar eindeutig, aber das Offensichtliche lässt nicht immer auf die eigentliche Todesursache schließen. Hab da schon manche Überraschung erlebt.»

      Das hatte Otto Kappe tatsächlich fragen wollen. Obwohl er schon geahnt hatte, dass er genau diese Antwort bekommen würde. Es war ein immer wiederkehrendes Ritual. Die Mordermittler brauchten möglichst schnell möglichst verlässliche Zeitangaben und Fakten, um den Tathergang rekonstruieren zu können. Die Kollegen von der Gerichtsmedizin bestanden vor genauen Angaben auf einer gründlichen Leichenschau.

      «Eines


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