Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja Rinker

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Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit - Tanja Rinker


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Lernenden hin und wieder gemeinsam auch mal ein besonders langes Wort in seine Bestandteile zu zerlegen, die einzelnen Wortbildungsschritte zu identifizieren und die Teilbedeutungen sowie die Gesamtbedeutung zu erschließen, vgl. Abb. 3.4, schafft ein tieferes Verstehen für morphologische Zusammenhänge im Deutschen und vermittelt den Lernenden Strategien zum eigenständigen Aufschlüsseln langer okkasioneller Wortbildungen4, wie man ihnen oft in bürokratischen und juristischen Kontexten, aber auch in Zeitungen und in fachsprachlichen Texten (z. B. Jahresarbeitsentgeltgrenze, Nikotinersatzpflasterverträglichkeit, Löslichkeitsgleichgewicht) begegnet.

      Abb. 3.4:

      Baumstruktur des komplexen Wortes Unabhängigkeitserklärung

      Aufgaben

       1.* Nennen Sie die wichtigsten Wortbildungstypen des Deutschen und geben Sie jeweils drei Beispiele.

       2.** Erklären Sie (imaginären) Deutschlernenden, warum es das Brot, aber die Brotscheibe und der Brotkorb heißt.

       3.** Fandrych & Thurmair (1994) entwickeln basierend auf linguistischen Wortbildungsanalysen ein für didaktische Zwecke funktionales Interpretationsmodell für Nominalkomposita. Zum Aufbau der Wortbildungskompetenz benötigen die Lernenden Wissen über die Möglichkeiten kontextfreier Interpretation sowie Strategien der Bedeutungserschließung im Textkontext. Ausgangspunkt für die Interpretation ist immer das Zweitglied. In Tab. 3.4 befinden sich Fälle mit semantisch „ergänzungsbedürftigem“ Zweitglied – das Erstglied besetzt sozusagen eine semantische Leerstelle. Andere Komposita lassen sich mit Hilfe von Grundrelationen erschließen, dargestellt in Tab. 3.5. Ergänzen Sie in der rechten Spalte beider Tabellen die Lücken für Beispielkomposita.

Beschreibung der semantischen Leerstellen Beispielkomposita
Das Zweitglied ist aus einem Verb abgeleitet: z.B. Trinker, Herstellung, Pflege; Das Erstglied ist Komplement dieses Verbs: __ trinken, __ herstellen, __ pflegen ___________, ___________, Altenpflege
Das Zweitglied ist ein relationales Nomen: z.B. Fan von __, Hälfte von __, Rest von ___ ___________, Pizzahälfte, ___________
Das Zweitglied kann auch mit präpositionalem Komplement auftreten z.B. Angst vor ___, Sehnsucht nach ___, Liebe zu ___ Prüfungsangst, Freiheitssehnsucht, Naturliebe
Das Zweitglied steht in einer stereotypen Relation zum Erstglied z.B. eine Fabrik, in der ___ hergestellt wird, ein Markt, in/auf dem ___ verkauft werden Kosmetikfabrik, ___________, Antiquitätenmarkt, ___________

      Tab. 3.4:

      Über semantische Leerstellen interpretierbare Komposita (nach Fandrych & Thurmair 1994: 38-39)

Grundrelationen mögliche Umschreibungen Beispielkomposita
SITUATION Das Zweitglied steht in lokaler oder temporaler Relation zum Erstglied Das Zweitglied: - ist in … - führt zu … - stammt von … - ist zum Zeitpunkt / im Zeitraum … Stadtautobahn, _________ Gartentür, Mondrakete Kalbsfilet, Fabriknagel Mittagessen, Nachtkonzert, ________
KONSTITUTION Das Zweitglied hat das Erstglied als wesentliche Eigenschaft bzw. wesentlichen Bestandteil. Das Zweitglied: - besteht vollständig aus … - hat … - hat die Art von … - hat die Form / Farbe von … Goldring, Holztisch, _________ Erdbeertorte, Rahmenbrille Vogel-Strauß-Politik Würfelzucker, ________, _________
ZWECK / FUNKTION Das Zweitglied wird durch das Erstglied hinsichtlich seines Anwendungs-/Funktionsbereiches bestimmt. Das Zweitglied: - dient zu … - schützt vor … Schlafzimmer, Arbeitstisch, Nähmaschine, _________ Schmerztablette, Hustensaft, Regenjacke, _________
INSTRUMENT Das Zweitglied wird in seiner FUNKTIONSWEISE durch das Erstglied charakterisiert. Das Zweitglied: - funktioniert durch / mit Hilfe von … Benzinmotor, Ölheizung, Windmühle, Wasserstoffauto, Handbremse, Pferdepflug, _________

      Tab. 3.5:

      Über Grundrelationen interpretierbare Komposita (nach Fandrych & Thurmair 1994: 39-40)

       4.*** Um das lokale Verstehen von Nominalkomposita zu fördern, schlagen Fandrych & Thurmair (1994) Übungen vor, die rezeptiv und produktiv auf die oben skizzierten Relationen abzielen. Ein konkreter Vorschlag bezieht sich auf die Arbeit mit vorstrukturierten Assoziogrammen. Entwicklen Sie nach den gegebenen Vorlagen (ebd. 43) eine Übung mit eigenen Beispielen.

       5.*** Auch Wortbildungsprozesse unterliegen Sprachwandelerscheinungen und können ihren reihenbildenden Status zugunsten neuerer Muster verlieren. Informieren Sie sich in Fuhrhop & Werner (2016), welche substantivischen Ableitungen (ebd. 131-138) und welche adjektivischen Ableitungen ( ebd. 138-141) im Gegenwartsdeutschen als produktiv (im Sinne von reihenbildend) anzusehen sind und damit auch im DaZ-/DaF-Unterricht einen entsprechenden Stellenwert einnehmen sollten.Wählen Sie einen der produktiven Wortbildungstypen aus und gestalten Sie hierzu eine Übung für Deutschlernende. Überlegen Sie sich vorab das Sprachniveau und nehmen Sie eventuell Bezug auf eine thematische Einheit eines ausgewählten Lehrbuchs.

      Gruppenaufgabe

       6.*** Gärtner (2012) unterbreitet einen Unterrichtsentwurf für Deutschlernende auf C-Niveau zum Umgang mit Okkasionalismen (= Ad-hoc-Bildungen / Gelegenheitsbildungen), wie sie zahlreich in Zeitungen zu finden sind (ebd. 507-512).Simulieren Sie in Ihrer Studiengruppe die Unterrichtsstunde am vorgegebenen oder an einem anderen selbstgewählten Zeitungstext und reflektieren Sie diese im Anschluss. An welchen Aufgaben würden Sie festhalten, welche würden Sie ggf. modifizieren?

      4 FlexionFlexion

      Aktivierung

      Auffrischung von Grammatikgrundkenntnissen

      1 Tragen Sie die im Kasten stehenden Wortarten in die Abbildung 4.1 ein.Präpositionen, Adverbien, Artikel, Pronomen, Verben, Substantive, Partikeln, Adjektive, KonjunktionenAbb. 4.1:Einteilung in Wortarten nach morphologischen Kriterien (nach Pittner & Berman 2021: 18)

      2 Geben Sie für


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