Die Phantome des Hutmachers. Georges Simenon

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Die Phantome des Hutmachers - Georges Simenon


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ist zwangsläufig ein Mann, der nicht groß auffällt. Er ist also kein Fremder, wie manche vermutet haben. Wenn man bedenkt, dass seine drei Verbrechen einiges an Lauferei nötig gemacht haben, ist es mehr als wahrscheinlich, dass er zumindest ein Mal einer der Freiwilligenpatrouillen begegnet ist, die jeden Abend die Stadt durchkämmen.

      Das stimmte. Der Hutmacher war einer Patrouille begegnet und hatte seelenruhig seinen Weg fortgesetzt. Man richtete das Strahlenbündel einer Taschenlampe auf ihn, und eine Stimme sagte:

      »Guten Abend, Monsieur Labbé.«

      »Guten Abend, meine Herren!«

       Einzig ein bekannter und angesehener Bürger konnte …

      Er ging in seinen Schlussfolgerungen sehr viel weiter, der Jüngling, den man jeden Abend am ersten Tisch des Café des Colonnes schreiben sah:

       … Die Tatzeiten weisen darauf hin, dass es ein verheirateter Mann ist, mit festen Gewohnheiten …

      Er gründete diese Annahme auf die Tatsache, dass keines der Verbrechen nach der Abendessenszeit verübt worden war.

       … Folglich ein Mann, der abends nicht allein aus dem Haus geht …

      Dann ging er ins Detail. Nach dem fünften Mord, dem vorletzten, dem an Léonide Proux, der Hebamme aus Fétilly, hatte er geschrieben:

       Es steht zu vermuten, dass die Geburtshelferin durch einen Telefonanruf aus dem Haus gelockt wurde, was ein Versorgungsköfferchen zu belegen scheint, das sie bei sich hatte, als sie überfallen wurde …

      Das war falsch. Genau genommen war sie die Einzige, der Monsieur Labbé fast zufällig begegnet war. Natürlich, sie hatte auf der Liste gestanden. Hätte er sie vielleicht tatsächlich angerufen, wenn er ihr nicht begegnet wäre?

       Da einen derart entlarvenden Anruf von einem öffentlichen Fernsprecher oder aus einem Café zu tätigen riskant gewesen wäre …

      Er wollte zu intelligent sein, intelligenter als der Mörder. Dieser, so nahm er an, nutze zu Hause ein eigenes Telefon. Bedachte er dabei wirklich nicht, dass in diesem Fall seine Frau oder das Hausmädchen das Gespräch würde mithören können?

      Außerdem hatte Monsieur Labbé gar kein Telefon, er hatte es stets abgelehnt, sich einen Anschluss legen zu lassen. Der kleine Jeantet verhedderte sich weiter:

       Es handelt sich vermutlich um einen Mann, der in einem Büro arbeitet, das er zwischen fünf und sechs Uhr verlässt, und der seine Verbrechen auf dem Heimweg verübt.

      Es war schon verblüffend, dass er derlei in einem Café schrieb, wo er jeden Tag Geschäftsleute sah, die ein, zwei Stunden lang vor ihrem Abendessen Karten spielten.

      Heute aber kam es noch besser. Die Zeitung brachte als Untertitel:

       Haben wir jetzt eine Personenbeschreibung des Mörders?

      Man hatte den Leichnam von Mademoiselle Irène Mollard kurz nach acht Uhr abends entdeckt. Ein Polizist war buchstäblich darüber gestolpert. Man hatte die ganze Straße in Alarm versetzt. Die Mutter des kleinen Mädchens, dem das alte Fräulein die letzte Klavierstunde gegeben hatte, rief aus:

      »Ich habe sie nur widerwillig allein gehen lassen. Ich habe sie inständig gebeten, die Rückkehr meines Mannes abzuwarten, der sie bis nach Hause begleitet hätte. Sie wollte nichts davon hören. Meine Befürchtungen waren ihr völlig gleichgültig. Sie hat behauptet, sie habe keine Angst. Während sie davonging, ließ ich für einen Augenblick die Tür einen Spalt offen, um das Geräusch ihrer Schritte zu hören. Ich erinnere mich jetzt, mitten auf der Straße einen Mann gesehen zu haben. Fast hätte ich um Hilfe gerufen, dachte dann aber, ich würde mich lächerlich machen, weil sich ein Mörder ja nicht mitten auf die Fahrbahn stellt. Trotzdem habe ich die Tür sehr schnell wieder zugemacht. Ich habe ihn zwar nicht genau gesehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein kleiner Dürrer war, mit einem zu langen Regenmantel.«

      Der Regenmantel von Kachoudas, oder vielmehr der Regenmantel, der gar nicht Kachoudas gehörte, sondern den ein auswärtiger Vertreter, nachdem er einen Mantel gekauft hatte, ihm überließ, weil er abgenutzt und schmutzig war, und den der kleine Schneider aus Sparsamkeit auftrug, sobald es regnete.

      Monsieur Labbé drehte sich zum Fenster. Kachoudas war zurück auf seinen Tisch gestiegen. Er redete mit seiner Frau, die, einen Einkaufsbeutel in der Hand, dabei war, das Haus zu verlassen. Bestimmt fragte sie ihn, was er gern essen würde.

      Der Schneider hatte die Zeitung noch nicht gelesen. Er verließ das Haus morgens nur, um die Fensterläden abzunehmen. Erst wenn sie vom Markt zurückkam, würde ihm seine Frau das Echo des Charentes mitbringen.

      Und auch Louise ging aus dem Haus, um Besorgungen zu machen. Die Klingel an der Eingangstür bimmelte mehrere Male. Es waren Kunden im Laden.

      Ehe er das Zimmer verließ, vergaß Monsieur Labbé nicht, einige Wörter zu murmeln, und verrückte leicht den Sessel.

      Valentin sah die Beine auftauchen, den Torso, schließlich das Gesicht, gelassen, entspannt. Weil er betreten wirkte, fragte ihn der Hutmacher:

      »Was ist?«

      Und der junge Mann, verschnupft, wie er war, deutete auf einen hünenhaften Bauern, der von einem Bein aufs andere trat.

      »Er bräuchte eine 58, wir haben aber bloß 56.«

      »Lassen Sie sehen.«

      Er richtete den Hut im Dampf, bis der Kunde schließlich ging, nicht ohne sich leicht beunruhigt in den Spiegeln zu mustern.

      3

      »Schließen Sie ab, Valentin.«

      »Ja, Monsieur. Guten Abend, Monsieur.«

      »Guten Abend, Valentin.«

      Valentin hatte sich den ganzen Tag lang die Nase geputzt, denn so flüssig war das Ganze wohl, dass man schon vom Zugucken und Hinhören feuchte Augen bekam. Zweimal hatte er sein Taschentuch zum Trocknen vor die Gasheizung gehängt, weil keine Kunden da gewesen waren.

      Auch der war ein armer Kerl. Er war groß und rothaarig, mit dunkelblauen Augen, und derart anständig, dass Monsieur Labbé, machte er den Mund auf, um ihm einen Rüffel zu erteilen, ihn, ohne etwas zu sagen, wieder schloss und sich begnügte, mit den Achseln zu zucken.

      Sie verbrachten den größten Teil des Tages zusammen, denn in Wirklichkeit bestanden Hutgeschäft und Werkstatt aus bloß einem Raum. Es gab Tage, da sah man stundenlang keinen Kunden. Hatte er alles abgestaubt, alles in Ordnung gebracht, zum hundertsten Mal die Etiketten überprüft, dann zog sich der arme Valentin wie ein großer Hund, den sein Körper nervte, in eine Ecke zurück, vermied es, ein Geräusch von sich zu geben, zuckte bei der kleinsten Bewegung seines Herrchens zusammen und lutschte, weil er im Laden nicht rauchen durfte, lautlos Veilchenbonbons.

      »Bis Montag, Valentin. Schönen Sonntag.«

      Eine Zusatzstreicheleinheit, im Vorbeigehen. Worauf es ankam, war, herauszufinden, ob Kachoudas herunterkäme oder nicht. Er hatte sich den ganzen Tag nicht aus dem Haus gerührt. Einmal war er zu einer Anprobe heruntergekommen, ein andermal hatte er Stoffe ausgekramt vor einem Kunden, der unentschieden blieb und ging, wahrscheinlich indem er wiederzukommen versprach. Er hatte in seiner Werkstatt das Licht angelassen, denn der Nebel hatte sich noch nicht verzogen, ja, als die Marktgeräusche schwächer geworden waren, hatte man in regelmäßigen Abständen das Nebelhorn gehört. Wie das Muhen einer riesenhaften Kuh klang es in der leeren Weite, und es gab Leute, die wohnten schon lange in der Stadt und waren davon noch immer beeindruckt. Kein Boot hatte abgelegt. Noch immer wartete man auf welche, die nicht zurückgekehrt waren, und sorgte sich um ihren Verbleib.

      Lange vor Einbruch der Dunkelheit waren die Bäuerinnen in ihren Karren oder mit dem Bus wieder heimgefahren, und übrig blieben nur die Männer, die mit gerötetem Gesicht und glänzenden Augen in den Bistros die Zeit totschlugen.

      Kachoudas hatte


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