Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021. A. F. Morland
Читать онлайн книгу.„Falscher Alarm!“, rief er in sein Sprechfunkgerät und zog sich hinter den Stamm des alten Ahornbaumes zurück, um nicht gesehen zu werden.
Lärmend rollte der Truck an dem Gangster vorbei. Er passierte kurz darauf die Stelle, wo Charles Marcuse und Victor Tiggers in ihrem Versteck warteten. Dann herrschte wieder Stille.
Zehn Minuten später meldete Eliot Banninger wieder einen Truck, und diesmal war es der richtige. Selbst in der Dunkelheit leuchteten die zitronengelben Streifen auf dem knallroten Untergrund.
„Jungs, es ist so weit!“, gab Banninger durch.
„Ziele gut!“, erwiderte Marcuse.
„Mach’ ich“, sagte Banninger, schob die Teleskopantenne in das Funkgerät, steckte es ein, griff zur Maschinenpistole und legte sich flach auf den Bauch. Gleich würde der Truck da sein und dann ...
11
Etwa zur selben Zeit leerte Bount Reiniger sein Glas. Er bezahlte nicht nur für sich, sondern auch für Richard Dodge. Der Mann war für ihn nicht unwichtig. Immerhin hatte Dodge schon einmal Kontakt mit den Truck-Hyänen gehabt. Einen Kontakt, den auch Bount Reiniger herbeiführen wollte. Aber zu günstigeren Bedingungen, wie sie Dodge erlebt hatte.
„Wie war das, als du überfallen wurdest?“, fragte Bount.
„Hör mal, warum bezahlst du für mich, Bruce?“, fragte Dodge zurück. „Du hast es doch bestimmt nicht dicker als ich.“
„Ich kann es mir leisten.“
„Ich kann selbst bezahlen, was ich konsumiert habe.“
„Daran zweifle ich nicht. Wenn du dich dadurch aber beleidigt fühlst ...“
„Das natürlich nicht, aber ...“
„Wenn wir wieder einmal hier zusammenkommen, lädst du mich ein, dann sind wir quitt, und jetzt Schwamm darüber.“
„Na schön“, sagte Dodge.
„Erzähle mir von dem Überfall. Wie sahen diese Kerle aus?“
„Gefährlich. Auf jeden Fall brandgefährlich mit ihren Maschinenpistolen. Und komisch sahen auch die bleichen Greisenmasken aus. Schlohweißes Haar hatten sie. Ich musste unwillkürlich an den Film 'Die Rentnergang' denken. Aber die Kerle hinter den alten Gesichtern sind nicht alt. Das sind junge Wölfe, denen es nichts ausmacht, zu töten, wie das Beispiel Carson zeigt.“
„Hattest du den Eindruck, einen von ihnen schon mal irgendwo gesehen zu haben?“
„Nein. Ganz bestimmt nicht.“
„Und ihre Stimmen?“
„Nie gehört.“
„Waren sie verstellt?“, fragte Bount. „Ich glaube nicht. Weißt du, dass mich die Bullen fast haargenau dasselbe gefragt haben?“
Bount lächelte. „Vielleicht steckt in mir ein verkappter Bulle, was weiß man.“
„Ja, was weiß man.“
„Kannst du mir einen Tipp geben? Wie soll ich mich verhalten, wenn ich das Pech habe, diesen drei Greisen zu begegnen?“
„Du darfst auf keinen Fall was riskieren. Greif sie nicht an. Lass sie tun, was sie sich vorgenommen haben. Hindern kannst du sie ja doch nicht daran. Sie würden dich genauso fertigmachen wie Paul Carson, wenn du versuchtest, den Helden zu spielen.“
„Ich werd’s mir merken“, sagte Bount. „Gehen wir?“
Dodge nickte und erhob sich. Die Schlägerei gehörte der Vergangenheit an. Niemand dachte mehr an sie. Niemand kümmerte sich mehr um Bount Reiniger. Er verließ mit Dodge Jack Lunas Truck-Driver-Kaschemme.
Und draußen erlebten sie eine unerfreuliche Überraschung. Der Hüne hatte die Schlägerei noch nicht vergessen. Er war weggegangen und wiedergekommen. Und er hatte seine Freunde mitgebracht!
12
Zu viert warteten sie auf Bount. Sie saßen auf den Motorhauben ihrer Wagen, die vor dem Lokal parkten. Eine Bedrohung. Eine Gefahr. Bount atmete schwer aus. „Das wird nicht leicht!“, brummte er.
„Hab keine Angst, Bruce“, sagte Dodge. „Ich bin auch noch da.“
„Wir werden untergehen.“
„Aber mit Würde“, sagte Dodge und trat einen Schritt vor. Nun stand er an Bount Reinigers Seite.
Der Hüne und seine Freunde kamen näher.
„Vielleicht schaffen wir sie mit einem Blitzangriff“, sagte Dodge leise. „Mein Wagen steht dort hinten. Der grüne Chevrolet. Wenn wir ihn mit einem kleinen Vorsprung erreichen, sind wir gerettet.“
„Mal sehen“, meinte Bount.
„Du gibst das Kommando zum Start“, raunte Dodge ihm zu.
Die vier Schläger fächerten auseinander. „Würdest du noch mal tun, was du im Lokal getan hast?“, fragte der Vierschrötige den Detektiv.
„Warum nicht?“, gab Bount Reiniger trocken zurück.
„Dann komm her, damit ich dir die Fresse polieren kann!“
„Ich würde dir gern noch mal Manieren beibringen, aber was würden deine Freunde dazu sagen?“, fragte Bount.
Der Hüne grinste. „Lass dich überraschen.“
„Ich bin kein Freund von Überraschungen.“
Die vier Schläger rückten noch näher. Bount versuchte, keinen von ihnen aus den Augen zu lassen. Er streifte auch Richard Dodge mit einem schnellen Blick. Dieser wartete mit angespannten Nerven auf das Startkommando.
„Jetzt!“, zischte Bount, und dann flogen sie den Schlägern wie vom Katapult geschleudert entgegen. Aber die vier Kerle hatten auch nicht geschlafen.
Ein Hieb traf Bounts Nacken. Er stöhnte auf und torkelte zwei Schritte vorwärts. Dort wartete der Vierschrötige gemein grinsend auf ihn. Bount Reiniger nahm zwar die Arme hoch, aber es geschah zu langsam.
Als er fiel, krümmte er sich zusammen und beschränkte sich nur noch darauf, mit den Armen Kopf und Gesicht zu schützen.
Dodge erging es nicht besser. Auch ihn schlugen die Kerle nieder. Auch ihn traten sie keuchend mit den Füßen, bis sie ihre Wut losgeworden waren. Dann ließen sie von ihnen ab, setzten sich in einen Wagen und fuhren fort.
13
Jozef Kalescu war Pole. Geboren in Danzig, aufgewachsen in Warschau. Dort war er auch zum ersten Mal so richtig verliebt gewesen. Wanka hatte die schwarzhaarige, glutäugige Schöne geheißen. Das Feuer ihrer Leidenschaft hatte ihn immer wieder aufs Neue verbrannt. Sie war fast zehn Jahre älter als er gewesen. Wanka. Gott, wie lange war das nun schon her.
Heute war Jozef Kalescu vierzig Jahre alt und lebte schon seit zwanzig Jahren in den USA. Er war amerikanischer Staatsbürger geworden, doch das hinderte diejenigen, die ihn ärgern wollten, nicht daran, ihn einen Polacken zu nennen. Er hatte eine brave Frau - sie war gleichfalls polnischer Abstammung - und zwei reizende Töchter, auf die er sehr stolz war.
Auf jeder Fahrt trug er ihre Bilder bei sich, und jedem, der sie sehen wollte, zeigte Jozef Kalescu die Fotos von seiner Familie. Für seine Frau und die Kinder brachte er jedes Opfer. Ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag war ihm nicht zu lang, und wenn es zusätzlich etwas zu verdienen gab, sagte Kalescu niemals nein. Wer seiner Familie etwas bieten will, der muss hart arbeiten, und das tat Kalescu nun schon seit acht Jahren bei CONTINENTAL TRUCK.
Er war viel unterwegs, und er bedauerte manchmal, dass er seine Familie so selten sah. Aber es ging nicht anders, und er fand sich damit ab. Dafür brauchte seine Frau nicht zu arbeiten