Die Bibliothek des Kurfürsten. Birgit Erwin

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Die Bibliothek des Kurfürsten - Birgit Erwin


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siegen wir. Gott ist auf unserer Seite.«

      Fürchtegott nickte erleichtert und versuchte zum zweiten Mal, einen Schluck aus seinem leeren Krug zu trinken. Verwirrt stellte er ihn ab und sah sich nach einer der Schankmägde um. Zu Jiřís Ärger war es die blonde Anni mit der kecken Stupsnase, die mit strahlendem Lächeln zu ihnen eilte. Fürchtegott bestellte zwei Bier, nachdem er gefragt hatte, ob er den Helden vom Weißen Berg einladen dürfe – Jiří hatte gnädig zugestimmt, während sein Ärger wuchs, dass Lena schon wieder bei dem einsamen Fremden stand.

      Der Mann passte nicht hierher. Er hatte mäßig getrunken, teuer gegessen und seine Kleidung wirkte wie die eines Kerls, der sich etwas Besseres leisten konnte als dieses Drecksloch. Plötzlich stand der Fremde auf und drückte mit einer fließenden Bewegung den Hut ins Gesicht. Jiří begriff, dass er die Gelegenheit hatte verstreichen lassen, die Züge des Mannes zu erkennen. Zwei Krüge wurden auf den Tisch gestellt. Ganz gegen seine Gewohnheit machte sich Jiří nicht einmal die Mühe, Annis eng geschnürtes Mieder zu begutachten. Der Mann begab sich zum Ausgang.

      »Habt Ihr noch einen Wunsch?«, zwitscherte Anni. Er legte ihr die Hand auf die Hüfte und schob sie aus seinem Gesichtsfeld.

      Lena hatte sich in der Zwischenzeit zu Spielvogel gebeugt und raunte ihm etwas zu. Der Sergeant kam schwankend auf die Füße. Eine Weile – zu lang für Jiřís Geschmack – hielt er sich an Lena fest, ehe er die Balance wiederfand.

      »Kennt Ihr den Mann, der eben gegangen ist?«, fragte Jiří den Kistenmacher.

      Fürchtegott richtete seinen verschwommenen Blick auf die Tür, die sich längst geschlossen hatte. »Ich seh niemanden.«

      »Natürlich nicht. Nicht so wichtig.«

      Spielvogel stolperte ins Freie. Stirnrunzelnd widmete Jiří sich seinem Bier.

      Ein kalter Wind zerrte an seiner Kleidung, als Spielvogel auf den Hof trat und sich umsah. Im Schatten des Stalls lehnte eine dunkle Gestalt, den Hut in die Stirn gezogen, das Kinn in den Mantelkragen gedrückt. Sowie er den Sergeanten entdeckte, kam der Fremde auf ihn zu, bis er in dem spärlichen Licht stand, das durch eines der Fenster fiel. Langsam schob er den Hut zurück.

      Spielvogel prallte rückwärts. »Der katholische Spion! Na, Ihr habt wirklich Schneid, dass Ihr Euch hierhertraut.« Seine Stimme klang ernüchtert. »Jakob Liebig. Was wollt Ihr?«

      »Kurz gesagt, Eure Hilfe.«

      »Aha. Das letzte Mal, als Ihr meine Hilfe gebraucht habt, bin ich im Arrest gelandet. Unter Mordanklage.«

      Jakob schmunzelte, obwohl er sich Mühe gab, es zu unterdrücken. »Dafür entschuldige ich mich. Erneut.«

      Spielvogel machte eine fahrige Geste. »Ihr habt sicher wieder einen wichtigen Auftrag. Was ist es dieses Mal?« Er trat näher, als Jakob zögerte. »Ihr seid immer noch Katholik?«

      »Aus ganzer Überzeugung.«

      »Dann sollte ich Euch vielleicht besser dem Stadtkommandanten übergeben.«

      »Spielvogel, bitte, ich werde selbst mit ihm sprechen, aber erst muss ich in die Stadt, und zwar unbemerkt. Könnt Ihr mir helfen? Am besten noch heute Nacht.«

      »Und warum sollte ich einem Katholiken helfen? Wir haben alle gehört, was die Spanier gemacht haben, als sie Kaiserslautern genommen haben.« Spielvogel war jetzt so nüchtern, wie er es in dieser Nacht werden würde. Die herabhängenden Hände hatten sich zu Fäusten geballt. »Nennt mir einen einzigen guten Grund.«

      »Lena deutete an, Ihr könntet mir helfen.«

      »Lena?«

      »Lena.« Jakob lächelte.

      Spielvogel strich sich über das erhitzte Gesicht und wischte den Schweiß an seiner Hose ab. »Rein käme ich schon. Ich bin ja kein einfacher Korporal mehr. Ich könnte …« Er unterbrach sein Gemurmel, als ein großer Mann über den Hof schwankte. Er blieb vor einem Baum stehen und erleichterte sich geräuschvoll. Auf dem Rückweg schenkte er Spielvogel ein breites Grinsen.

      Jakob senkte hastig den Kopf. »War das nicht der Held vom Weißen Berg? Glaubt Ihr seine Geschichten eigentlich?«

      »Warum nicht?«, fuhr Spielvogel auf. »Ihr werdet sehen, dass unser Kurfürst im Triumph zurückkehrt.«

      Jakob hob begütigend die Hände. »Ich dachte ja nur, dass er auffällig oft seine Heldentaten zum Besten gibt, wenn Lena in der Nähe ist. Aber das geht mich nichts an. Wie geht es jetzt weiter? Helft Ihr mir?«

      »Karl!«, rief Spielvogel. »Wir brauchen unsere Pferde. Ich hole meinen Mantel.« Er drehte sich brüsk um und ließ Jakob in der Kälte stehen.

      Jakob Liebig, Agent des bayerischen Herzogs Maximilian, machte ein paar Schritte auf den Baum zu, um sich in seinen Schutz zu lehnen, als ihm der Uringestank in die Nase stieg, den der großmäulige Böhme samt einer großen Pfütze hinterlassen hatte. Er schlang die Arme um sich und ging auf und ab, während er darauf lauschte, wie im Stall die Pferde wieherten. Wenigstens war dieser Herbst wärmer als der letzte. Für einen Mann, der seit Monaten kaum aus dem Sattel gekommen war, war das eine Gnade. Doch es war die einzige. Nicht nur Reilings Hof hatte sich verändert. Die Pfalz selbst hatte sich verändert. In dem ehemals fröhlichen, etwas behäbigen Landstrich ging die Angst um. Die Leute reagierten mit Trotz. Sie waren lauter, sprachen mehr, tranken mehr.

      Als Karl die Tiere ins Freie führte, wich Jakob hinter den Baum zurück. Später würde er sich seinen alten Bekannten stellen, später. Aber er brauchte Zeit.

      Erleichtert registrierte er, dass Spielvogel, in einen derben Soldatenmantel gewickelt, aus der Schenke kam.

      »Ich habe ihn auch gestriegelt«, sagte Karl fröhlich, »jetzt glänzt das Fell. Eurer war der Rappe, nicht wahr, Herr?« Er schaute flüchtig in Jakobs Richtung.

      »Ja, danke«, erwiderte der gedämpft und achtete darauf, dass sein Gesicht verborgen blieb.

      Beide Männer saßen auf. Der Ritt durch die sternenklare Nacht schien Spielvogel etwas von seiner alten Offenheit zurückzugeben. Er lenkte seine Stute neben Jakob und sah ihn mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen an.

      »Jetzt könnt Ihr es doch herauslassen«, meinte er, ohne zu lallen. »Was für geheime Sachen habt Ihr vor?«

      »Es … Ich kann nicht.« Jakob erinnerte sich an seinen letzten Besuch in Heidelberg vor drei Jahren. Damals hatte er einen Krieg verhindern wollen. Wie er gescheitert war! »Ich schwöre, dass ich niemandem in der Stadt schaden will«, beteuerte er. »Ich schwöre, dass ich mich bei Hauptmann Maxilius melden werde, sobald ich kann.«

      »Hauptmann?« Spielvogel lachte trocken. »Lasst ihn das bloß nicht hören.«

      »Ist er befördert worden? Was ist er? Oberst?«

      Spielvogel grinste und hüllte sich in Schweigen. Sie ritten an den neuen Schanzen vorbei zum Speyerer Tor. Jakob spürte Spielvogels Blick auf sich, als er die Befestigungsanlagen musterte, aber ehe der Sergeant seinem neu erwachten Misstrauen Worte verleihen konnte, erklang eine laute Stimme.

      »Gebt Euch zu erkennen!«

      »Sergeant Spielvogel. Lasst uns passieren.«

      »Wer ist da bei Euch?«, erkundigte sich der Wachsoldat. Im Sternenlicht blieb er ein dunkler Schattenriss.

      »Jemand, den ich in die Stadt bringen muss.« Der Soldat wich nicht zur Seite. In kameradschaftlichem Ton sagte Spielvogel: »Du kennst mich. Also lass uns einfach durch.«

      »Tut mir leid, heute Nacht gelten strengere Regeln«, tönte es zurück. »Ich muss den Wachhabenden informieren. Wartet!« Das letzte Wort klang drohend.

      »Wer hat heute Nacht denn das Sagen?«, rief Spielvogel ihm nach.

      Die Bewegung des Soldaten stockte. »Leutnant Karius«, erwiderte er, ohne sich umzudrehen.

      »Oh Scheiße!«

      Während der Soldat mit großen Schritten zum Wachhaus


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