Lebendige Seelsorge 3/2020. Erich Garhammer

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Lebendige Seelsorge 3/2020 - Erich Garhammer


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Sie fordern ausdrücklich und in profilierten Kampagnen die Ordination von Frauen und volle Gleichberechtigung in der katholischen Kirche (vgl. „gleich und berechtigt“ der kfd und „Wir bewegen Kirche“ des KDFB). Laut wurde ebenfalls die Stimme der Frauenorden. Im Oktober 2018 erklärten die Generaloberinnen von 34 Frauenorden aus der Schweiz, Luxemburg, Österreich und Deutschland, Frauen sollten zu allen kirchlichen Ämtern und Diensten und bei Bischofssynoden mit Stimmrecht zugelassen werden. Auch einige deutsche Bischöfe erklärten öffentlich, so etwa Bischof Feige von Magdeburg, Bischof Bode von Osnabrück, Bischof Kohlgraf von Mainz, Bischof Overbeck von Essen u. a., dass die Debatte um die Frauenweihe geführt werden müsse.

      Die deutsche Kirche erlebt tatsächlich eine „Kernschmelze“: Es sind Frauen und auch eine ganze Reihe von Männern aus der Mitte der Kirche, die ihre Stimme erheben, auf die Straße gehen, ausdrücken, woran sie z. T. jahrzehntelang in „ihrer Kirche“ gelitten haben. Sie fragen vom Kern ihres Glaubens her die Strukturen der Kirche an; es geht um theologische Kernfragen. Neu sind die Öffentlichkeit und Wucht der Auseinandersetzung, in der wissenschaftliche Diskussionen, Glaube, Verletzungen, Wut und der Wille zur Veränderung zusammenkommen. Junge Frauen und Männer finden sich – jenseits der klaren, engagierten Positionierungen der Jugendverbände im BDKJ – allerdings weniger auf den Protestmärschen. Rainer Buchers These vom Ermöglichungsdiskurs findet hier Bestätigung: Insbesondere junge Frauen ringen nicht um Ermöglichungen und Veränderungen in der Kirche, sie verlassen sie (vgl. Bucher, 288f.).

      DER SYNODALE WEG

      Im Zuge der Frühjahrsvollversammlung 2019 einigten sich die deutschen Bischöfe mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auf eine Reaktion hinsichtlich der Ergebnisse der MHG-Studie: Zum einen wurden Projekte im Blick auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche aufgesetzt, zum anderen wurde der „Synodale Weg“ initiiert, der die Strukturen der Kirche zum Thema machen und verändern soll. Das ZdK ergänzte die drei von der DBK vorgeschlagenen Foren um ein viertes, das schließlich unter dem Titel „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ zu arbeiten begann.

      Der Synodale Weg wird von vielen skeptisch beäugt. Daniel Bogner z. B. fragt kritisch an, ob die Lai*innen wirklich auf den Tisch hauen, wenn sichtbar werde, dass es wieder nur Gesprächstherapie bleibe (vgl. KNA).

      Das Thema des Forums „Frauen in Diensten und Ämtern“ wurde im Papier des vorbereitenden Forums zu Recht als wichtige „Nagelprobe“ für die Authentizität des Reformwillens der römisch-katholischen Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung bezeichnet (vgl. Vorbereitendes Forum Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche). Gibt es nach dem Synodalen Weg keine maßgeblichen, tiefgreifenden Veränderungen für Frauen in der katholischen Kirche, ist der Weg wesentlich gescheitert.

      Was ich dem Synodalen Weg zutraue: Entscheidungen, die auf ortskirchlicher Ebene treffbar sind, werden in den meisten (Erz-)Diözesen umgesetzt. Es wird die Kirche verändern, wenn Frauen taufen, bei der Eheschließung assistieren, predigen und Kranke salben. Es werden hoffentlich Fakten gesetzt, hinter die die Kirche nicht mehr zurückkann. Das ist natürlich nicht ausreichend, zumal solche Regelungen kirchenrechtlich mit der Situation des Priestermangels zu begründen sind, was immer auch eine Zumutung für Frauen ist. Aber es sind Schritte für all jene, die bereit sind, sie mitzugehen, und diese Schritte werden die Kirche verändern.

      Was ich befürchte: Die Ortsordinarien haben die Freiheit, sich gemeinsam getroffenen Beschlüssen zu verweigern. Auch wenn beim Synodalen Weg über Macht, Partizipation und Gewaltenteilung in der Kirche diskutiert wird, so haben die Ortsordinarien genau dieses Recht: Sie können sich machtvoll über theologisch diskutierte und überdiözesan partizipativ getroffene Entscheidungen hinwegsetzen. Das werden manche deutsche (Erz-)Bischöfe und Kardinäle tun.

      Schließlich hoffe ich, dass die Synodalversammlung die Empfehlung nach Rom geben wird, das Thema der Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern zu diskutieren. Ich habe jedoch die Sorge, dass dies auf weltkirchlicher Ebene nicht geschieht und dass das Lehramt der katholischen Kirche nicht – trotz der interdisziplinären Geschlechtertheoriedebatte – von seinem normativen Blick auf die Geschlechter lässt. Trotz der hilfreichen Aussagen im Blick auf Lai*innen im Schreiben Querida Amazonia (vgl. Schüller) haben mich die Zuschreibungen und Platzzuweisungen des Papstes an „die Frau“, also alle Frauen weltweit (vgl. Nr. 99-103), zwar nicht überrascht, aber als Theologin, Katholikin und Frau verärgert und verletzt.

      FRAUEN UND WEIHE & FRAUEN UND LEITUNG

      Oben wurde bereits deutlich, dass die Themen Weihe von und Leitung durch Frauen zu den dringlichen Forderungen an die katholische Kirche gehören. Beide Themen sind zu unterscheiden, dispensieren aber nicht voneinander. Die Forderung nach deutlich mehr Frauen in kirchlichen Leitungspositionen hin zu paritätisch, besser noch divers besetzen Leitungsteams entspricht der Forderung nach Geschlechterbewusstsein, Gerechtigkeit und einer professionellen Personalarbeit bei der Förderung von Potenzialträger*innen und der Besetzung von Leitungspositionen. Leitungspositionen sind mit Gestaltungsmacht verbunden und erfordern Führungskompetenzen – auch in der katholischen Kirche. Es gibt Frauen, die führen können und die Kirche gestalten wollen. Es ist die Aufgabe der Organisation und vor allem der Entscheider(*innen), ihre Verantwortung bei der Erhöhung des Frauenanteils in Leitungspositionen zu übernehmen (vgl. ausführlich Qualbrink 2019/1, 499-528).

      Dies zu tun entbindet die Organisation aber nicht von der Auseinandersetzung mit der Forderung nach der Weihe von Frauen. Die Behauptung, Frauen, die sich für Frauen in kirchlichen Leitungspositionen einsetzen, sowie jene, die solche Leitungspositionen besetzen, ließen sich dahingehend instrumentalisieren, von der Forderung nach Frauen in den Weiheämtern abzulenken, ist unzutreffend, unterstellt sie doch, dass weder die betreffenden Wissenschaftlerinnen noch die betreffenden Frauen in der Lage wären, diese Gefahr zu sehen und aktiv mit ihr umzugehen.

      Die Alternative wäre, dass sich Frauen kirchlichen Leitungspositionen und der Forderung danach aus Prinzip verweigern. Das würde dann möglicherweise auch bedeuten, dass sie sich in ihren eigenen Überzeugungen, Wünschen, Charismen und Kompetenzen beschneiden und nicht die ihnen mögliche Gestaltungsmacht an dem Ort, der ihnen wichtig ist, anstreben und übernehmen. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass man das patriarchale, hierarchische Ständesystem der katholischen Kirche von innen und aus der zweiten Reihe fundamental verändern könnte. Ich weiß auch, dass dieses System Frauen in kirchlichen Leitungspositionen nicht einfach überall integriert und es ihnen nicht leicht macht. Mir ist bewusst, dass nicht alle Frauen in kirchlichen Leitungspositionen die katholische Kirche geschlechtergerecht verändern wollen. Die Frauen in Leitungspositionen, die ich für meine Dissertation interviewt habe, sagen aber selbst, dass sie etwas mit dem System machen, dass ihre Anwesenheit und ihre Arbeit wirken. Ich nenne das „produktive Störung“. Die Frage an das System ist: Wie wirksam lässt es sich stören? Und die Frage an die Frauen ist: Was lassen sie sich zumuten?

      Bei der Forderung nach der Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern geht es um die Auseinandersetzung mit den theologischen Argumenten für die definitive Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt. Die Forderung ist eine existenzielle Anfrage all jener Frauen, die sich zum Priesteramt von Gott berufen fühlen. Schließlich wird die Forderung getriggert vom Gerechtigkeitsempfinden von Menschen in einer Gesellschaft, in der niemand wegen seines Geschlechts diskriminiert werden darf. Dabei geht es aber nicht um eine Anpassung an den sogenannten Zeitgeist, wie häufig unterstellt wird. Es geht darum, dass die Argumente in der Erklärung Inter insigniores der Glaubenskongregation von 1976 theologisch bei Weitem nicht eindeutig zu überzeugen vermögen (vgl. hierzu zusammenfassend Demel). Ähnlich verhält es sich mit der Normativität der Dualität und Komplementarität der zwei Geschlechter, die die geschlechtertheoretisch informierte theologische Wissenschaft zu Recht kritisiert (vgl. z. B. Heimbach-Steins 2004, Heimbach-Steins 2015 sowie Marschütz), die aber herangezogen wird, um eine schöpfungsgewollte unterschiedliche Berufung der zwei Geschlechter zu begründen. Frauen wird die Zulassung zu den Weiheämtern verweigert auf der Grundlage zutiefst infrage stehender theologischer Argumente, über die nicht diskutiert werden durfte. Es ist gut, wenn wir uns als Kirche jetzt argumentativ mit dieser Frage auseinandersetzen. Und bei dieser Auseinandersetzung gilt es, sich der Quellen und der Hermeneutik zu vergewissern.


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