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Читать онлайн книгу.zu schreiben, war mein erster Gedanke: Muss ich das unter meinem richtigen Namen tun? Katholisch sein? Es bedingt einen Perspektivwechsel. Zum ersten Mal gehöre ich einer vom Berliner Mainstream entkoppelten Minderheit an – und die Erfahrung ist geradezu klassisch. Man sieht sich Vorurteilen ausgesetzt. Denn insbesondere die katholische Welt in Berlin – und nur über die kann ich reden – ist ganz anders, als Nicht-Katholiken sie sich vorstellen.
Im Konversionskurs fragte der Pater später: »Was sind Ihre Motive für einen Eintritt in die katholische Kirche?« Ein Mann antwortete: »Ich bin schon katholisch und nur hier, um meinen Partner zu begleiten, der sich noch schwertut mit dieser Entscheidung.« Dann zeigte er auf den Kursteilnehmer neben sich – einen Mann. Das war der Moment, wo ich dachte, gleich zu wissen, ob ich hier richtig oder vielleicht doch falsch bin. Aber in den sieben Kurstreffen, der Firmung selbst und den anschließend noch privat verabredeten Runden verlor niemand auch nur ein Wort über dieses Pärchen, das etwas in sich vereint, was niemand von den Berlinern, die ich kenne, zusammenbringen würde: Homosexualität und Katholizismus. Dabei gibt es dafür eine einfache Erklärung: Berliner Katholiken sind ein Abbild der Stadt, was auch sonst?
Später erfuhr ich, dass die beiden eine Wohnung in Cottbus haben und dort regelmäßig eine katholische Gemeinde besuchen. Offen schwul und offen katholisch in Cottbus? Aber da sind wir jetzt bei meinen Vorurteilen. Deswegen werde ich irgendwann hinfahren und mir das anschauen. Das ist immer besser, als sich der eigenen Vorstellungswelt zu ergeben.
Ich staune immer noch selbst, dass ich jetzt katholisch bin, weil ich – mich eingeschlossen – niemanden kenne, der das jemals für möglich gehalten hätte.
Stefan Suchalla, Dokumentarfilmer und Redaktionsleiter, konvertiert mit 47 Jahren
Katholisch …? Katholisch!
Welch Friede, welch warmes Gefühl … kommt es von den Kerzen oder von der überraschend warmen Kirche?
Möchtest du mich einmal zum Gottesdienst begleiten? Diese Frage stellte mein Mann mir vor fast zehn Jahren. Oh … ich zum Gottesdienst mitkommen? »Ist der evangelisch oder katholisch?«, war meine Nachfrage daraufhin, und eigentlich war mir die Antwort vorher schon klar, jedoch wollte ich es noch einmal ganz genau wissen. Bis zu meinem wirklich ersten Mitkommen musste mein Mann seine Einladung jedoch noch mehrfach wiederholen … Dann war es so weit. Wir gingen zusammen zum Familiengottesdienst. Zum damaligen Zeitpunkt wohnten wir beide in Halle. Die »Premiere« fand in der Heilig-Kreuz-Gemeinde statt. Erst später sollte ich erfahren, dass der dortige Pfarrer ein guter Freund der Familie war und noch viel später sogar unser erstes Kind taufen würde. Jedoch weiter der Reihe nach … Wir gingen gemeinsam hin. Hatte ich Bedenken? Und wie! Ich kann doch die Lieder gar nicht singen, woher soll ich wissen, wann ich aufstehen muss? »Die« sehen mir das bestimmt an, dass ich hier nicht hingehöre. Mir klopfte das Herz. Oh, sollte ich mir auch das Kreuz am Eingang so von oben nach unten, von links nach … oder? Ich entschied mich für das respektvolle Beobachten mit fast nichts machen. Nur aufstehen, hinsetzen, beobachten, nett gucken … Vermeldungen – und Schlusslied.
»Na, wie hat es dir gefallen?« Ich musste darüber nachdenken. Wie war das denn jetzt für mich? In meinem Kopf waren unglaublich viele Fragezeichen. Jedoch hatte ich dieses warme Gefühl immer noch und trug es noch einige Zeit mit mir. So nach und nach konnte ich auch Fragen formulieren und verstehen. Wieder begleitete ich meinen Mann zu Gottesdiensten. Wir begannen uns über die gehörte Predigt oder Lesung auszutauschen, ich las das Evangelium nach, erkannte langsam den roten Faden bei dem Ablauf des Gottesdienstes, und wenn es mal nicht so war, bekam ich die Erklärung über die »x-te« Ausnahme vom Gewohnten. So ging es einige Jahre. Mein Vertrauen bzw. Zutrauen in diesen (meinen?) Gott wuchs. Mit meinem Mann an meiner Seite, der mit der größten Selbstverständlichkeit mit mir über seinen Glauben und die Institution Kirche sprach, gingen meine Unsicherheiten, jedoch merkte ich, dass ich nicht mehr nur die äußerlich Unbeteiligte bleiben wollte. Ich hatte das Gefühl der Unstimmigkeit in mir. Ich gehe zum Gottesdienst, bete, bitte, jedoch bekenne ich mich nicht oder nur so halb. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits katholisch verheiratet und unsere Tochter war durch den befreundeten Hallenser Pfarrer getauft worden.
Unser Lebensweg führte uns nach dem Abschluss des Studiums nach Berlin. Hier wurde unsere Heimatgemeinde »Maria Frieden« in Mariendorf. Die gemeinsamen Gottesdienste, unsere Dank- und Tischgebete, mein Lesen im »Te Deum«, christliche Fasten- und Adventsbegleiter waren mir zu einer vertrauten, inspirierenden christlichen Quelle und Begleitung geworden. Jedoch war es nach wie vor so, dass ich bei der immer wieder aufkommenden Frage der Konfessionszugehörigkeit das Kreuz bei »ohne« machte. Ich merkte, dass mein Weg in eine klare Richtung ging: weg von der fehlenden Konfession. Ich glaube, ich war zu diesem Zeitpunkt schon näher am Katholisch-Sein dran als an meinem »alten« Leben ohne Glauben. Es war klar, in meinem Herzen, in meinem Verstand, in meiner Seele. Mein Leben ohne meinen Glauben …? Geht nicht mehr. Ich bin den Weg, welcher vorher kein Ziel hatte, gegangen. Meinen ganz persönlichen Glaubensweg.
Caroline Gunkel, Sozialjuristin, verheiratet und Mama von drei glücklichen Kindern, getauft mit 36 Jahren
Die Zeugin und der Freund
Ich wurde 2012 in Berlin katholisch getauft. Es ist hier nicht selbstverständlich, Christ zu sein. Das macht es vielleicht einfacher. Ich nehme, sooft es geht, sonntags an einer Eucharistiefeier teil. Es sind Begegnungen im Alltag, die mich bewegen, erschrecken und mich bisweilen an die Grenzen des Begreifbaren führen. Der Glaube hilft mir, in all dem Unbegreiflichen ein zuversichtlicher Mensch zu bleiben.
Die Zeugin
In der Anklage heißt es:
Am Tattag betrat der Angeklagte gegen 10:00 Uhr die gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnte Wohnung, packte die Zeugin am Arm, zerrte sie zunächst ins Wohnzimmer, warf sie auf das Ecksofa, wodurch die Zeugin nicht unerhebliche Schmerzen im Brust- und Schulterbereich erlitt, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte. Dabei sagte er zu der Zeugin: »Hier wird jetzt dein Ende sein.« Er versetzte der Zeugin mit der rechten Faust einen gezielten Schlag gegen die linke und einen weiteren Schlag gegen die rechte Kopfseite. Der Angeklagte beugte sich über die Zeugin, fixierte sie mit seinem Körpergewicht und begann sie mit beiden Händen und zunehmender Intensität zu würgen, welche hierdurch infolge mangelnder Luftzufuhr kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Als sie röchelte, sagte er zu ihr: »Wieso bis du immer noch am Leben?« Der Angeklagte schlug die Zeugin nunmehr erneut mit der Faust und traf sie am Hinterkopf, weil es ihr gelang, den Kopf wegzudrehen. Anschließend begann er sie wieder zu würgen und sagte: »Das ist dein Ende. Du kommst hier nicht raus.« Die Zeugin verlor nun mangels Luft das Bewusstsein. Als sie es wiedererlangte, äußerte der Angeklagte verwundert, dass die Zeugin noch lebe, ließ dann aber von ihr ab, als sie ihm ihre Liebe versicherte. Anschließend forderte der Angeklagte die Zeugin auf, auf den Koran zu schwören, dass, wenn sie am Leben bleiben würde, niemandem von den Geschehnissen erzählen würde. Aus Angst vor dem Angeklagten leistete sie diesen Schwur und verzichtete zunächst darauf, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie vertraute sich erst am folgenden Tag einer Nachbarin an, die die Polizei alarmierte.
Die Zeugin hat Angst vor dem Angeklagten. Sie lebt mit ihrer Tochter in einem Frauenhaus an einem geheimen Ort. Er lässt sie aus der Untersuchungshaft heraus über Dritte mit dem Tode bedrohen. Er lässt ihr auch ausrichten, dass er ihr verzeihe.
Ein Saal im Kriminalgericht an einem Gründonnerstag.
Die Zeugin trägt einen Hidschab. Sie kommt in Begleitung von vier Polizisten des Personenschutzes, einer Frau und drei Männern. In dem Saal ist rechts eine Tür, ich steige die Treppe hinab in einen Sicherheitsbereich. Ich bin ihr Anwalt. Die Zeugin wartet auf ihre Aussage – zitternd vor Angst. Neben ihr sitzt die Dolmetscherin. Sie hält ihre Hand und beruhigt sie in russischer Sprache. Es klingt zärtlich. Über die Dolmetscherin verdeutliche ich ihr, dass sie das Geschehen der Richterin, dem Schöffen und der Schöffin wie Freunden schildern solle. Sie hat Angst vor dem Mann. Ich sage ihr, dass er nichts mehr ausrichten könne. Er sitze hinter einer Panzerglasscheibe. Es seien genug Beamte zu ihrem Schutz da. Er könne ihr nicht mehr wehtun. Das sei vorbei. Er habe jetzt mit Konsequenzen zu rechnen. Sie müsse nur genau erzählen, was