Freude an Gott. Joachim Hartmann

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Freude an Gott - Joachim Hartmann


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Dein Beispiel aus Mt 6 illustriert, dass Wahrnehmen und Vertrauen die Haltungen sind, auf die es im Leben ankommt und zu denen Jesus uns ermutigt: Schaut, wie es geht, und erkennt die Gesetze des Lebens. Im Grunde drückt die ganze Bibel eine kontemplative Sicht auf das Leben aus. Daher ist es sinnvoll, die Bibel auch kontemplativ zu lesen. Das Zweite Vatikanische Konzil legt dem Leser ans Herz, die Heilige Schrift in dem Geist zu lesen, in dem sie geschrieben wurde. Und geschrieben wurde sie aus dem Schauen auf Jesus Christus.

      AC: Auch Ignatius lädt uns ein, wahrzunehmen und zu vertrauen. »Sentir« – spüren – ist ein Schlüsselwort für Ignatius. In seinem Exerzitienbuch lädt er in der sogenannten »Anwendung der Sinne« die Exerzitanten ein, mit den fünf Sinnen einen Schrifttext wahrzunehmen (EB 120–125). Berühmt ist auch seine Anmerkung: »Nicht das Vielwissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Verspüren und Verkosten der Dinge von innen her« (EB 2). Sein Plädoyer für Vertrauen lautet: »Wenige Menschen ahnen, was Gott aus ihrem Leben machen würde, wenn sie sich ganz seiner Führung überließen.«

      J: Die Kraft der Wahrnehmung habe ich selbst erlebt. Als ich meine ersten kontemplativen Exerzitien machte, gingen diese sehr tief. Gerade das konsequente Verzichten auf das Nachdenken und auf die Suche nach Wissen hat die Tiefenbohrung in meiner Seele ermöglicht und mich von innen genährt.

      AC: Meine früheren Kollegen haben die Wirksamkeit des kontemplativen Gebets auch erfahren. Wenn ich zu kontemplativen Exerzitien ging, sagten sie anfangs: »Warum machen Sie nicht etwas Gescheites? Es gibt so viele sinnvolle Projekte, wo Sie sich als Christ engagieren können.« Im Laufe der Jahre änderten sie ihre Meinung. Wenn ich bei der Arbeit angespannt war, nicht mehr so gut zuhören konnte, kam schon einmal die Empfehlung: »Gehen Sie mal wieder in kontemplative Exerzitien!«

      J: Dein Beispiel zeigt: Wahrnehmen und Vertrauen führen mitten ins Leben. Der kontemplative Weg hilft uns in der Gegenwart zu sein und besser zu erkennen, was jetzt zu tun ist. Er ist aber auch ein Weg mitten in die Welt. Personen wie Madeleine Delbrêl oder Dag Hammarskjöld haben aus der Kraft der Kontemplation gelebt und sich sozial und politisch engagiert. Madeleine Delbrêl hat sich im 20. Jahrhundert für soziale Gerechtigkeit in Frankreich eingesetzt. Dag Hammarskjöld war UN-Politiker und Generalsekretär der Vereinten Nationen und erhielt den Friedensnobelpreis.

      AC: Menschen in verantwortlichen Positionen der Wirtschaft, der Politik und aus dem sozialen Bereich für den Weg der Wahrnehmung und des Vertrauens zu gewinnen, ist für die Erneuerung der Gesellschaft wichtig. 10-tägige Exerzitien in Haus Gries zu machen stellt schon eine gewisse zeitliche Hürde dar. Ich denke an einen Manager, der mir sagte, der Weg ist prima, nur, wo soll ich das in meinem Alltag unterbringen? Was würdest du ihm antworten?

      J: Kontemplation ist etwas, das im Alltag schon da ist und entdeckt werden kann. Ich würde ihm empfehlen, zu schauen, was ihm im Alltag Kraft gibt, wo es zweckfreie Räume gibt, wann und wo er entspannen kann. Und ich würde ihn ermutigen, mit Offenheit und Interesse auf Entdeckungsreise zu gehen und in diese zehn Tage der Selbst- und Gotteserfahrung zu investieren.

      AC: Und ich würde ihm drei Möglichkeiten nennen, wie er Kontemplation im Alltag üben kann: am Abend einen Tagesrückblick halten und sich fragen: Was ist heute gelungen, wofür kann ich danken, was hat mich besonders berührt, was war schwierig? Dieser Rückblick schult die Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung verfeinert sich. Oder er kann auf dem Weg zur Arbeit oder beim Spaziergang üben, bewusst immer nur einen Sinn zu nehmen und ganz Ohr oder z. B. ganz Auge zu sein. Oder mitten in der Arbeit eine »Atempause« einlegen: sich bewusst spüren, wie bin ich jetzt gerade da?

      J: Wir sind jetzt ein gutes Stück Weg miteinander gegangen. Es ist die Zeit gekommen, innezuhalten und den Wirkungen des Gesprächs nachzuspüren. Wie die Emmausjünger wollen wir uns fragen:

      Wo gingen mir die Augen auf,

      wo brannte das Herz?

      J: Mir gingen die Augen auf bei der Erkenntnis, dass mit der Krise der Wahrnehmung auch eine Krise des Denkens und Handelns einhergeht und wie notwendig für das persönliche und für das Gemeinwohl daher Schulen der Wahrnehmung sind.

      AC: Mir brannte das Herz bei der Einsicht, dass die Wahrnehmung der »Sauerteig« ist, der die Welt verändern kann.

      Übung: 15 Minuten Stille

      Wo gingen mir beim Lesen die Augen auf, wo brannte mir das Herz?

      Ich mache einen kurzen Spaziergang im Garten oder in der Natur und übe, mit jedem einzelnen Sinn wahrzunehmen.

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