Lebendige Seelsorge 5/2020. Erich Garhammer

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Lebendige Seelsorge 5/2020 - Erich Garhammer


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zu Jonathan war ihm kostbarer als alles andere. Die etwas trivialere Variante dieses Bekenntnisses singt Heinz Rühmann in dem Film Die Drei von der Tankstelle: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.“ Markus Hofer

      Freundschaft zwischen Männern umweht ein Hauch des Exklusiven. Das bestätigte sich vor Jahren in einer Umfrage in Deutschland, in der 70 Prozent der Männer bekannten, dass sie keinen Freund hätten. Das Ergebnis war dann doch etwas überraschend und hat viele Facetten. Zum einen verwenden Männer das Wort „Freund“ wesentlich exklusiver als Frauen, die vermutlich schneller einmal von einer anderen Frau als „Freundin“ sprechen, geschweige denn von den mehreren „Freundinnen“, die Frauen oft haben. Ich habe noch kaum einen Mann getroffen, der von seinen „Freunden“ in der Mehrzahl spricht und wenn, dann waren es eher seine Kumpel oder Kollegen. Ein Freund bzw. „ein guter Freund“, wie Heinz Rühmann zusätzlich spezifiziert, hat in der Männerwelt einen hohen Wert, einen exklusiven Anspruch und eine gewisse Seltenheit. Im Gespräch mit Männern wird bald deutlich, wie sie dieses Wort fast mit einer gewissen Andacht aussprechen, wenn nicht sogar vermeiden.

       KUMPEL, KOLLEGEN, KAMERADEN

      Viele Männerbeziehungen sind letztlich funktional, d. h. es sind vorerst keine selbst gewählten Beziehungen, sondern sie wurzeln in gemeinsamen Funktionen im Beruf, als Mitglied in einem Klub oder Verein. Das sind dann landläufig die vielen Kumpel oder Kollegen, an denen es Männern selten mangelt. Daraus können engere Freundschaften erwachsen, müssen aber nicht. Meist ist es ein unkompliziertes Zusammensein unter Männern, die Pflege gemeinsamer Interessen verbunden mit gemütlichen Runden. Es ist eine gemeinsame Lebensform, die Männer schätzen, die ihnen guttut, die aber eher selten ans Eingemachte geht. Kumpel sind vielleicht noch etwas enger verbunden als Kollegen, noch mehr ‚verkumpelt‘ eben.

       Markus Hofer

      geb. 1957, Dr. phil., Mag. theol., Studien der Philosophie, Theologie, Kunstgeschichte und Germanistik; von 1994–2014 Leiter des Männerbüros der Katholischen Kirche Vorarlberg (Österreich), seit 2014 Leiter der Fachstelle Glaubensästhetik; Buchautor, Erwachsenenbildner.

      Der funktionale Zusammenhang der Männerbeziehungen wird für viele Männer zum Verhängnis, wenn sie in Rente kommen, denn damit brechen zumindest die beruflichen Kollegen meist von heute auf morgen weg. Im Allgemeinen haben gerade stark berufsorientierte Männer, im Gegensatz zu vielen Frauen, kein soziales Netz, das über die Berufskollegen hinausgeht. Damit sind sie in der Rente in einer Weise auf sich selbst zurückgeworfen, wie sie es vorher kaum kannten. Wenn er bis dahin keine eigenen Hobbys entwickelt hat und die Partnerin verständlicher Weise auch nicht nur daheim wartet, bis der Schatz in Rente kommt, dann kann es schon kritisch werden.

      Die „Kameraden“ wiederum sind durch den begrifflichen Missbrauch im Nationalsozialismus in Verruf gekommen und heute wird das Wort nur noch selten oder sehr vorsichtig verwendet. Ursprünglich war es doch eher eine nicht freiwillig gewählte Schicksalsgemeinschaft, man denke an die Schützengräben der beiden Weltkriege oder einfach an die Feuerwehr, in der Männer manche Bedrohungen miteinander durchgestanden haben und die sie richtiggehend zusammengeschweißt hat. Die Kameraden haben Dinge erlebt, die sie vielleicht ein Leben lang nicht vergessen. Auch ihre Beziehung schätzen sie hoch ein, Freundschaften wurden oder werden aber nicht zwingend daraus. Will man den Begriff der „Männer-Freundschaft“ nicht oberflächlich verstehen, besteht der Unterschied zu den Kumpels, Kollegen und Kameraden darin, dass es nochmal eine freie Entscheidung ist, mit einem anderen Mann eine engere Beziehung einzugehen.

       DIE FREUNDSCHAFT

      Männliche Freunde sind auf jeden Fall mehr als Kumpel oder Kollegen, mehr als berufliche Seilschaft oder eine sportliche Allianz. Es verbindet sie mehr und es gibt eine Übereinstimmung, die weit über den Alltag oder mögliche Differenzen hinausgeht. Freundschaft ist eine tiefe Verbindung, um die man nicht mehr buhlen muss, eine Beziehung, die trägt und verlässlich ist. Selbst wenn man sich länger nicht gesehen hat, ist schlagartig alles wie beim letzten Mal, wenn Freunde zusammenkommen. Männerfreundschaft heißt, dass man miteinander über alles reden kann, genauso aber, dass man gar nicht mehr reden muss.

       WORTLOSES EINVERSTÄNDNIS

      Wenn Männer etwas miteinander unternehmen und dabei wenig reden, kann es sein, dass von Frauen manchmal abgewertet wird: Was macht ihr denn die ganze Zeit? Es kann schon Oberflächlichkeit sein oder Unsicherheit voreinander. Es gibt aber auch eine Form des männlichen Schweigens, die uns viel bedeutet. Zwischen Männern gibt es eine Art von wortlosem Einverständnis, das gerade der Ausdruck besonderer Freundschaft ist, eine Art von tiefem Einverständnis, das eben keiner Worte bedarf und das vielleicht umso tiefer ist, je weniger es der Worte bedarf.

      Klischeehaft zeigen das Winnetou und Old Shatterhand mit ihrem typisch männlichen Telegrammstil. Je mehr sie befreundet sind, umso weniger und knapper reden sie und im gemeinsamen Kampf gegen gefährliche Gegner ist ihr wortloses Einverständnis überhaupt die größte Waffe. Wenn zwei Männer sich gut verstehen, so scheint manchmal die Devise, dann müssen sie überhaupt nicht mehr reden. Ein junger Mann hat in einem Aufsatz geschrieben: „Es war einmal ein Sohn, der hatte den besten Vater der Welt. Obwohl sie es sich nie sagten, wussten sie, dass sie das beste Team der Welt waren.“ Das ist nichts anderes als eine männliche Liebesgeschichte. Die beiden wissen es voneinander und darum brauchen sie es sich nicht zu sagen. Mutter und Tochter hingegen würden es sich gegenseitig immer wieder beteuern. Das weibliche Muster scheint konträr: Wenn man sich mag, dann kann man immer über alles reden. Wenn Männer sich mögen, dann schweigen sie manchmal im wortlosen Einverständnis. Zwischen Mann und Frau ist das nicht immer so einfach.

       DIE SAU RAUSLASSEN

      Männer können im Rudel auch sehr ausgelassene Verhaltensweisen entwickeln und fühlen sich pudelwohl dabei. Es scheint, als würden sie das Kind im Manne gemeinsam von der Leine lassen, die Augen glänzen und wenn eine alte Freundschaft mit im Spiel ist, dann umso mehr.

      „Dieses Wochenende haben wir einmal richtig die Sau rausgelassen!“, erzählte mir ein junger Kollege montags im Büro und es schien, als könne er noch an nichts Anderes denken. Die Augen glänzten immer noch. Was glauben Sie hat er am Wochenende gemacht? Er war weder in einem Bordell noch mit Kollegen beim Komasaufen. Er war mit seinem Männerchor bei einem Chorwettbewerb. Lustvoll haben sie sich singend mit anderen Chören gemessen, geprobt, Nerven gezeigt, sich verglichen. Sie haben gemeinsam konzentriert ein Ziel verfolgt mit Anspannung und Enttäuschungen und am Ende auch mit dem zweiten Platz einen Siegestaumel erlebt. „Warum wird bei den Männern alles zu einem Kräftemessen?“, fragte mich einmal eine Frau. Manchmal, weil es einfach lustvoll ist und uns Männern so mehr Spaß macht.

      Gleichzeitig hat mein Kollege mit einem alten Freund das Zimmer geteilt und dabei haben sie gemerkt, dass sie immer noch die alten Kindsköpfe von früher sind, dass im ausgelassenen Blödeln die alte Freundschaft auflebte. Er strahlte immer noch, als er erzählte, wie der Schmäh auf allen Ebenen lief, es eine riesen Hetz war und sie zusammen fast bodenlos lachen und blöd tun konnten.

      Vermutlich kennt das jeder Mann und sehnt sich nach solchen Gelegenheiten. Unser Alltag ist stark strukturiert, von Verpflichtungen und Erwartungen geprägt, viele Normen sind vorgegeben, korrekt soll alles sein und da tut so ein Ventil einfach gut und sei es ein Rangeln und Raufen, Lachen und Blödeln. Es kann Balsam für die Männerseele sein, zwischendurch einfach einmal ganz banal quasi die Sau rauszulassen, auch wenn dabei nichts Unanständiges passiert.

       EINE INVESTITION, DIE KOSTET

      Ich selbst habe einen Freund, einen besten Freund, wie es dann heißen muss. Jede Woche gehen wir einmal durch die Wälder, durch die Auen, bei Schlechtwetter auch ins Thermalbad. Jede Woche, seit Jahren, und er tut mir gut. Und er kostet mich Zeit, zugegeben. Aber er ist eine meiner besten Investitionen. Darin liegt sicher auch einer der Gründe, warum so viele Männer keinen richtigen Freund haben. Oft genug habe ich es in der Männerarbeit erlebt, dass Männer sich gemeinsam für ein Projekt begeistern, Ideen entwickeln, mit glänzenden Augen wird daran herumgebastelt. Zu guter Letzt ziehen dann alle den Terminkalender


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