Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz. Christoph Heizler

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Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz - Christoph Heizler


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geschenkte Liebe kann ich je nur als ein ‚Wunder‘ verstehen, empirisch oder transzendental aufarbeiten kann ich sie nicht, auch nicht aus dem Wissen um die gemeinsam umgreifende Menschen – ‚Natur‘; denn das Du ist der je Andere mir gegenüber. Der zweite Ansatz liegt im Ästhetischen, das neben Denkhaltung und Tathaltung eine dritte, nicht rückführbare Späre darstellt. Bei Erfahrungen ausgezeichneter Schönheit – in Natur wie in Kunst – wird das sonst mehr verhüllte Phänomen in seiner Unterscheidbarkeit greifbar: Was uns entgegentritt, ist überwältigend wie ein Wunder und darin vom Erfahrenden niemals einzuholen, besitzt aber gerade als Wunder eine Verstehbarkeit: es ist fesselnd und befreiend zugleich, wie es sich unzweideutig als ‚erscheinende Freiheit‘ (Schiller) von innerer unbeweisbarer Notwendigkeit gibt.“283

      Die offenbarungsexplikatorische Funktion, die der Gestaltbegriff bei Balthasar hat, erlaubt dem Basler Autor, (metaphysisch-)philosophische und theologische Sichtweisen mit Blick auf das Christusereignis284 und seine ekklesiologische Bedeutung zu integrieren.285 Der Gestaltbegriff ermöglicht ihm, die spezielle Form der Teilhabe der Gläubigen am Christusereignis zu illustrieren. Diese sind ihm zufolge dazu berufen, der in Christus erschauten Gestalt ‚eingestaltet‘ zu werden. Karl-Heinz Menke führt dazu aus: „Wäre der Erlöser nur ein geistiges, geistliches oder sittliches Vorbild, dann wäre seine Geschichte (sein ‚concretum‘) nur ein Beispiel, nicht aber die Bedingung der Möglichkeit bzw. die Norm (das ‚universale‘) jedes Christen. Christ – so betont Balthasar – wird man nicht durch Nachahmung, sondern durch die vom Heiligen Geist bewirkte Eingestaltung der eigenen Existenz in die des Erlösers.“286 Ziel dieser Eingestaltung ist es, am ‚Sohnesgehorsam‘ Jesu Christi gegenüber der vom göttlichen Vater erhaltenen Sendung Anteil zu erlangen und dieser Sendung aus Liebe zu entsprechen. Für Balthasar ist dieser vertrauensvolle Gehorsam Jesu Christi gegenüber seinem himmlischen Vater das Proprium, das ihn zuinnerst kennzeichnet: „Das Wo des Sohnes, das seinen Stand festlegt, ist also, mag er sich im Schoße des Vaters oder auf den Wegen der Welt befinden, stets eindeutig: es ist die Sendung, der Auftrag, der Wille des Vaters. Hier ist er jederzeit anzutreffen, weil er der Inbegriff der väterlichen Sendung selbst ist.“287 Entsprechend formuliert John O’Donnell: „Wenn es einen Schlüssel gibt, der das Geheimnis der Identität Jesu erschließt, so ist dies für Balthasar der Gehorsam Jesu gegenüber seinem himmlischen Vater.“288 Was vom Basler Theologen mit Gestalt programmatisch gemeint ist, erschließt auch einen Zugang zum Verständnis seiner voluminösen, 16 Bände umfassenden „Trilogie“289, die sein über nahezu drei Jahrzehnte gewachsenes Hauptwerk darstellt. Die Rede von Gestalt ist ihm dabei Teil einer besonderen Bestimmung von Fundamentaltheologie290 als „Erblickungslehre“ und von Dogmatik als „Entrückungslehre“. So muss Balthasar zufolge „eine theologische Ästhetik sachgerecht in zwei Zeiten entwickelt werden. Sie umfasst: 1. die Erblickungslehre – oder Fundamentaltheologie; Ästhetik (im kantschen Sinn) als Lehre von der Wahrnehmung der Gestalt des sich offenbarenden Gottes. 2. Die Entrückungslehre – oder dogmatische Theologie; Ästhetik als die Lehre von der Menschwerdung der Herrlichkeit Gottes und von der Erhebung des Menschen zur Teilnahme daran. Es könnte als spielerisch erscheinen, daß der Begriff Ästhetik in dieser doppelten Bedeutung verwendet wird. Aber ein wenig Überlegung zerstreut das Bedenken, gibt es doch keine theologische Wahr-nehmung außer in der lux tuae claritatis, in der Gnade des Sehen-lassens, die selber schon objektiv zur Entrückung gehört und subjektiv die Hingerissenheit des Menschen zu Gott wenigstens einleitet. In der Theologie gibt es keine ‚bloßen Fakten‘, die man ohne jede (objektive und subjektive) Ergriffenheit und Teilnahme (participatio divinae naturae) wie irgendwelche weltlichen Fakten sonst feststellen könnte, in der angeblichen Objektivität des Teilnahmslosen, Unbeteiligten, Sachlichen. Denn die objektive Sache, um die es geht, ist die Teilnahme des Menschen an Gott, die sich von Gott her als ‚Offenbarung‘ (bis zur Gottmenschheit Christi), vom Menschen her als ‚Glaube‘ (bis zur Teilnahme an der Gottmenschheit Christi) verwirklicht. Diese doppelte beidseitige Ekstase – Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott – ist schlechterdings der Inhalt der Dogmatik, die deshalb mit Recht als Entrückungslehre darstellbar ist, als das admirabile commercium et conubium zwischen Gott und Mensch in Christo Haupt und Leib“291

      Der Gestaltbegriff dient Balthasar somit zur Explikation seiner Christologie, die er in ästhetischer Perspektive zu erhellen sucht. Dazu bemerkt John O’Donnell: „Einer von Balthasars Hauptbeiträgen zur Christologie ist sein Versuch, ästhetische Kategorien zur Erleuchtung des Geheimnisses Christi anzuwenden. Für Balthasar besteht die ästhetische Erfahrung im Wesentlichen aus zwei Dimensionen: Der Form, mit ihrer Harmonie, Proportion, und ihrem Maß, und der Ekstase, wenn der Betrachter in die Form hineingezogen wird. Wichtig ist hier, daß die Einheit der Form ihre Teile transzendiert. Die Wahrnehmung der Form besteht darin, die Ganzheit der Form zu erkennen, die mehr ist als die Summe ihrer Teile.“292 Die Balthasarsche Trilogie kann im Ganzen als christologische Explikation gelesen werden, die in jedem ihrer Teile vom geschichtlich und kirchlich sich vermittelnden Christus ausgeht und ihn in den Mittelpunkt stellt. Auf die Schau dieser Gestalt richtet sich der Blick immer neu: „Balthasar beginnt seine Trilogie nicht mit einem ‚philosophischen Ansatz‘, sondern mit einem Blick auf das Phänomen ‚Jesus Christus‘. Am Anfang (Herrlichkeit) steht das Staunen über die ‚Lichtung des Ganzen in der Gestalt diesen Einen‘ […] In der Mitte der Trilogie (Theodramatik) steht die Erklärung der ‚Herrlichkeitsgestalt‘ Jesu Christi als des Stellvertreters, der für alle Menschen aller Zeiten etwas getan hat, was keiner selbst leisten kann, und der jeden, der sich von ihm ergreifen lässt, auf einmalige Weisung in seine Sendung eingestaltet. […] Und am Ende der Triologie (Theologik) steht eine am Phänomen der ‚Herrlichkeitsgestalt‘ Jesu Christi abgelesene Logik Gottes. Sie ist aus keinem Apriori des Menschen ableitbar, gleichgültig, ob dieses Apriori als ‚tranzendentale Erfahrung‘ (Rahner) oder als ‚existentielle Betroffenheit‘ (Bultmann) beschrieben wird“.293

      Ilkamarina Kuhr umreißt die Bedeutung des Gestaltbegriffs bei Balthasar zusammenfassend: „Die Gestalt avanciert in Balthasars theologischer Ästhetik zur systematischen und hermeneutischen Grundkategorie. Sie unterstützt sowohl deren Sachanliegen, den Glanz der Herrlichkeitsgestalt Gottes in seiner Entäußerung am Kreuz aufscheinen zu lassen und als phänomenale Mitte der Offenbarung in Welt und Geschichte auszuweisen, als auch deren hermeneutischen Zugang, sich kontemplativ auf jenes von sich selbst her erscheinende Phänomen einzustimmen. In ihr fallen Inhalt und Methode der Offenbarungstheologie zusammen.“294 In die gleiche Richtung weisend formuliert Yves Tourennes: „Gestalt ist ein Umriß, eine feststellbare Form, tiefer noch eine ursprüngliche, fest bestimmte Einheit, die eine Vielzahl von Aspekten, Elementen oder Gliedern eint und einbezieht. Sie läßt sich sehen: Schau der Gestalt, das ist die Basis, worauf die ganze Theologie ruht; indem die Gestalt sich zeigt, liefert und ‚sagt‘ sie sich aus, verstrahlt das Innerlichste ihrer selbst.“295

      Zentral ist für Balthasar sein Verständnis der inklusiven Teilnahme der Gläubigen an der alle anderen Stellvertretungen begründenden, exklusiven Stellvertretung Jesu Christi, die ihm der Schlüssel zum Verständnis kirchlicher Existenz als Nachfolge Jesu Christi wird.296 In der Teilhabe an der exklusiven Stellvertretung Jesus Christi kommt das Geschehen der Eingestaltung in das Sein des Erlösers an ihr Ziel: „Balthasar beschreibt den Übergang vom ersten (Theo-Ästhetik) zum zweiten Teil (Theo-Dramatik) seines Hauptwerkes als Transformierung eines zweidimensionalen in ein dreidimensionales Bild. Indem er aus der Welt des Theaters Analogien für die Schilderung des einzigartigen Dramas zwischen Gott und Mensch erhebt, spricht er von einer Bühne für das Drama der Weltgeschichte. Gott ist in Christus nicht nur der Autor und Regisseur, sondern auch der Ausführende dieses Dramas. Dennoch ist der einzelne Mensch nicht seine Marionette. Christi Stellvertretung eröffnet den Spielraum für mitspielende Personen, und zwar so, daß diese in dem Maße nicht nur scheinbar, sondern wirklich frei sind, indem sie die Rolle spielen, die ihnen zugedacht ist. Jede Rolle ist eine je einmalige Explikation der Sendung des Erlösers. Balthasar spricht von der exklusiven Sendung und Stellvertretung des Erlösers und den vielen


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