Existenzielle Psychotherapie. Irvin D. Yalom

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Existenzielle Psychotherapie - Irvin D. Yalom


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gegenüber der Empfindsamkeit der Kinder und akzeptierten und berichteten die Reaktionen ohne nachzufragen. Wären die Versuchspersonen Erwachsene gewesen, hätten die Forscher dieses Vorgehen niemals geduldet; stattdessen hätten sie nachgefragt, nachgeforscht und die Reaktionen in großer Tiefe interpretiert. Was dem Kind beigebracht wird. Es gibt noch etwas, was unser Wissen über das, was ein Kind über den Tod weiß, beeinträchtigt. Ein Kind bleibt selten lange im ersten Zustand seines Wissens über den Tod, denn die Erwachsenen sind außerordentlich verängstigt bei dem Anblick eines Kindes, das mit Gedanken an den Tod ringt, und springen ein, um das Kind zu schonen. Das Kind nimmt die Angst des Erwachsenen wahr und entdeckt dementsprechend, dass es notwendig ist, Sorgen über den Tod zu unterdrücken: Es wird wenig echte Unterstützung von seinen Eltern erhalten. Viele Eltern kommen angesichts des Kummers eines Kindes ins Wanken und zwar trotz eines beträchtlichen Maßes an Aufklärung und des festen Entschlusses, ehrlich zu sein. Anthony berichtet von einer kurzen anschaulichen Unterhaltung zwischen einem fünfjährigen Kind und seiner Mutter, die Universitätsprofessorin war:

      Kind: »Sterben Tiere auch?«

      Mutter: »Ja, Tiere sterben auch. Alles was lebt, stirbt einmal.«

      Kind: »Ich will nicht sterben. Ich würde gerne länger leben als irgendjemand auf der Welt.«

      Mutter: »Du brauchst nie zu sterben; du kannst ewig leben.«17

      Im Allgemeinen versuchen die Eltern, die Ängste eines Kindes zu besänftigen, indem sie eine Form der Verleugnung anbieten, entweder ein eigentümliches Verleugnungssystem oder einen sozial sanktionierten Unsterblichkeitsmythos.

      Was der Forscher oft entdeckt, ist also nicht die natürliche Neigung eines Kindes, sondern eine komplexe Mischung aus dem Wissen des Kindes, Angst und Verleugnung, vermischt mit der Angst und den verleugnenden Abwehrmechanismen des Erwachsenen. Was man einem Kind erzählen sollte und was nicht, ist eine Frage, die ich später besprechen werde, aber wir müssen verstehen, warum wir unterschiedliche Formen der Wissensvermittlung bezüglich des Todes wählen. Ist es zum Nutzen des Kindes oder des Erwachsenen? Erma Furman, die junge Kinder, die einen Elternteil verloren hatten, genau untersuchte, schlussfolgerte, dass »konkrete Information über den Tod zu bestimmten Zeiten hilfreich für sie war, und dass die Aufgabe des Kindes schwieriger gemacht wurde, wenn die Erwachsenen in seiner Umgebung bewusst oder unbewusst Fehlangaben über die objektiven Tatsachen machten oder diese vertuschten.«18

      Erste Bewusstheit des Todes

      Wann weiß das Kind zum ersten Mal vom Tod? Verschiedene Datenquellen stehen zur Verfügung (von denen alle beeinträchtigt sind durch die Hinder nisse, die ich beschrieben habe): Sorgfältige Längsschnitt-Untersuchungen – durch Eltern oder geschulte Beobachter; psychologische Tests – vor allem Wortdefinitionen (das heißt »Tod«, »Leben«, »lebendig«), Geschichten-Vervollständigungen, TAT (Thematischer Apperzeptions-Test), Analyse von Kinderzeichnungen; systematische Beobachtungen durch das Personal in Krankenhäusern oder Heimen; und Fallberichte von Kindertherapeuten oder Erwachsenentherapeuten, die retrospektive Daten liefern.

      Der Tod und die Entwicklung der Sprache. Die objektiveren Messungen hängen von der jeweiligen Sprachfähigkeit des Kind ab. Anthony versuchte, die Frage »Wann weiß das Kind vom Tod?« zu beantworten indem sie dreiundachtzig Kinder bat, das Wort »tot«, das in einen Test über allgemeine Vokabeln eingefügt war, zu definieren. Die Antworten von 100 Prozent der Kinder, die sieben Jahre und älter waren (und von zwei Dritteln der sechs Jahre alten Kinder), deuteten auf ein Verständnis von der Bedeutung des Wortes hin (obwohl sie oft in ihren Definitionen Phänomene einbezogen, die nicht logisch oder biologisch wesentlich waren). Nur drei der zweiundzwanzig Kinder, die sechs Jahre oder jünger waren, wussten überhaupt nichts von der Bedeutung des Wortes.19

      Ein anderer objektiver Zugang zum Problem ist es, die Entwicklung des Begriffs »lebendig« oder »Leben« bei Kindern zu untersuchen. Bei jungen Kindern scheint es viel Verwirrung über die Eigenschaften von lebenden Wesen zu geben. J. Sully bemerkte 1895, dass junge Kinder alle offensichtlich spontanen Bewegungen als ein Zeichen des Lebens ansehen und daher glauben, dass Objekte wie Feuer oder Rauch lebendig sind.20 Piaget nahm an, dass der Animismus der Kinder (der, wie er glaubte, mit dem Animismus primitiver Menschen verglichen werden kann) in vier Stadien aufgeteilt werden kann. Zuerst werden die unbelebten Objekte im Allgemeinen so betrachtet, als hätten sie Leben und Willen. Zu Beginn des siebten Lebensjahres schreibt das Kind nur den Dingen Leben zu, die sich bewegen. Vom achten bis zum zwölften Jahr schreibt das Kind denjenigen Dingen Leben zu, die sich selbst bewegen; und danach wird die Ansicht des Kindes in zunehmendem Maß die von Erwachsenen.

      Piaget hielt das Thema des Todes für ein Hilfsmittel bei der Entwicklung eines reifen Begriffs der Kausalität. In den frühen Gedanken des Kindes wird Motivation als Quelle betrachtet, und die Erklärung von der Existenz der Dinge und jeder Ursache wird mit einem Motiv in Zusammenhang gebracht. Wenn das Kind sich des Todes bewusst wird, erfährt dieses Gedankensystem eine Umwälzung: Tiere und Menschen sterben, und ihr Tod kann nicht als Ergebnis ihres Motivs erklärt werden. Allmählich fangen die Kinder an zu verstehen, dass der Tod ein Naturgesetz sein muss – ein Gesetz, das einheitlich und unpersönlich ist.21

      Bei dem Versuch zu verstehen, was lebt oder Leben hat und was unbelebt ist, geht das Kind durch eine große Verwirrung. Beispielsweise glaubte mehr als ein Drittel der sieben- bis achtjährigen Kinder in einer Studie, dass eine Uhr oder ein Fluss lebt; drei Viertel hatten das Gefühl, dass der Mond lebt, während zwölf Prozent das Gefühl hatten, dass ein Baum nicht lebt.22 Die Verwirrung des Kindes wird wahrscheinlich erhöht durch die verwirrenden Botschaften aus der Umgebung. Das Kind wird nie klar und genau über diese Dinge durch die Erwachsenen unterrichtet. Es ist verwirrt durch Puppen und mechanisches Spielzeug, welches Leben simuliert. Dichterische Freiheit in der Sprache ist eine weitere Quelle der Verwirrung (»Wolken rasen über den Himmel«, »der Mond schaut zum Fenster herein«, »der Bach tanzt zum Meer«).

      Beobachtung von Kindern. Diese Studien der linguistischen Entwicklung haben viele Entwicklungstheoretiker und Kliniker dazu veranlasst, den Zeitpunkt der Bewusstheit des Kindes vom Tode viel später anzusetzen, als durch die direkten Beobachtungen nahegelegt wird, die ich jetzt betrachten werde. Vielleicht erheben Forscher unnötig strenge Anforderungen für die Beweisführung. Gibt es irgendwelche Gründe dafür, dass ein Kind in der Lage sein muss, »lebendig« oder »tot« zu definieren, um in seinem Innersten zu wissen, dass es wie Insekten, Tiere oder andere Menschen eines Tages aufhören wird zu sein? Forscher, die sehr junge Kinder untersuchen, stellen übereinstimmend fest, dass diese sich in beträchtlichem Ausmaß mit dem Tod beschäftigen. Der theoretische Einwand, dass das Kind, das jünger als acht oder zehn ist, abstrakte Konzepte nicht verstehen kann, geht an der Frage vorbei. Wie Kastenbaum und Aisenberg hervorheben: »Zwischen den Extremen von ›Nicht-Verstehen‹ und expliziten, integrierten, abstrakten Gedanken gibt es viele Wege, über die der junge Geist in eine Beziehung mit dem Tod eintreten kann.«23 Trotz einer gewissen Vagheit ist der Ausdruck »in eine Beziehung mit dem Tod eintreten« hilfreich: Das sehr junge Kind denkt über den Tod nach, fürchtet sich vor ihm, ist neugierig auf ihn, registriert Wahrnehmungen, die sich auf den Tod beziehen und die es sein ganzes Leben lang behalten wird, und errichtet Abwehrmechanismen gegen den Tod, die auf Magie gründen.

      Kastenbaum und Aisenberg berichten von Beobachtungen über David, einem achtzehn Monate alten Kind, das einen toten Vogel in seinem Garten entdeckte. Der Junge schien benommen zu sein und sein Gesicht nahm, seinen Eltern zufolge, »einen erstarrten, ritualisierten Ausdruck an, der ganz stark stilisierten griechischen Masken für Tragödienaufführungen ähnelte.«24 David war ein typisches Kleinkind, das dazu neigte, alles in seiner Reich weite aufzuheben und zu untersuchen; in diesem Fall jedoch kauerte er sich neben dem Vogel nieder, machte aber keine Anstrengung, ihn zu berühren. Ein paar Wochen später fand er einen weiteren toten Vogel. Diesmal hob er den Vogel auf und bestand mit Hilfe von Gesten, die die Nachahmung von einem fliegenden Vogel einschlossen, darauf, dass der Vogel zurück auf den Ast eines Baumes gesetzt würde. Als seine Eltern den toten Vogel auf den Baum setzten und der Vogel leider nicht flog, bestand David wiederholt darauf, dass der Vogel auf den Baum gesetzt


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