Glücklich mit mir selbst. Ruediger Dahlke
Читать онлайн книгу.zwischenmenschlicher Kommunikation, ließen sich zahllose Probleme beheben und sehr viele verhindern.« Allein-Stehende müssen sich diese Wertschätzung selbst geben, sich selbst anerkennen und auch loben. Dabei ist auch wieder der Schatten in Gestalt der Selbstüberschätzung im Auge zu behalten, denn Solisten erhalten ihr Verhalten nicht gespiegelt. Ganz grundsätzlich sind sie aber in einer sehr guten Position, weil sie nicht auf die Wertschätzung des Partners spekulieren können, um sich ihrer Aufgabe, sich selbst wertzuschätzen, unbewusst zu entziehen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Selbstbewusstsein. Das bedeutet nicht, eine breite Brust zu zeigen, sondern nicht mehr und nicht weniger, als sich seiner Selbst bewusst zu sein. Dazu gehört: zu wissen, wer man ist und wer nicht, und was man kann und was nicht, um zu sich selbst von ganzem Herzen Ja sagen zu können. Es gilt, die eigenen Licht- und Schattenseiten, die Tugenden und Untugenden, die Stärken und Schwächen kennen und schätzen zu lernen.
Über eine weitere Falle haben wir bereits gesprochen: seinen Selbstwert über Besitz oder Aussehen zu definieren. Beides sind Äußerlichkeiten, deren Anerkennung langfristig unbefriedigend bleibt. Nachhaltiges Selbstwertgefühl kommt nie von außen, sondern immer von innen. Oder anders gesagt, die Anerkennung übers Außen wird nie sättigen und darf nie aufhören, sonst ist wieder Krise angesagt. In den USA findet man allen Ernstes Selbsthilfe-Gruppen für Milliardäre und Multimillionäre. Schwerreich zu sein ist offenbar schwer erträglich. Bedenke, was du dir wünschst, es könnte dir gewährt werden.
Meines Wissens nicht wissenschaftlich bestätigt, aber oft beobachtet: Männer suchen häufiger mit ihrem Besitz beim anderen Geschlecht zu punkten, Frauen mit ihrem Aussehen. Beide Typen finden oft zueinander und gehen Beziehungen ein. Dabei hat frau chronisch die schlechteren Karten. Sein Kapital nimmt in der Regel – nach dem Resonanzgesetz – weiter zu, weil Geld zu Geld kommt beziehungsweise, wie der bayrische Volksmund sagt, »der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt«. Ihr Kapital aber, die körperliche Attraktivität, nimmt naturgesetzlich ab. Wo diese Diskrepanz überdeutlich wurde, musste ich schon öfter darüber klagenden Frauen sagen: »Sie haben sich so lange von ihm aushalten lassen, jetzt müssen sie ihn eben auch aushalten.«
Bilden Wertschätzung, Liebe und Selbstbewusstsein sich aber in uns selbst und auch für uns selbst, leben wir somit also für uns selbst und nicht für andere, spiegelt sich das oft auch in Anerkennung von außen. Äußere Anerkennung allein aber kann niemals zu gesunder Selbst-Achtung führen. Unsere inneren Schätze zu heben nimmt uns niemand ab. Selbst erschaffen müssen wir sie indes nicht erst. Ihr natürlicher Ursprung ist das Urvertrauen, das wir aus der frühen Schwangerschaft unserer Mutter mitbringen. Schwerelos im Fruchtwasser schwebend, herrschte für uns drinnen wie draußen dieselbe angenehme Temperatur, sodass wir unsere Grenzen noch nicht wahrnahmen. Wir fühlten uns eins mit der Welt in Gestalt unserer Mutter. In dieser Zeit natürlicher Einheitsgefühle, für die wir gar nichts tun mussten, tankten wir Urvertrauen.
Haben wir von dieser wundervollsten Mitgift nicht genug bekommen, ist Urvertrauen nicht durch äußere Maßnahmen nachzuholen. Der beste Friseur, die teuersten Kleider und der wertvollste Schmuck nützen so wenig wie dicke Autos und prall gefüllte Bankkonten. Der oftmalige Grund dafür lässt sich nicht rückgängig machen: eine ungewollte Schwangerschaft, in der die Eltern sich und dich mit Abtreibungsgedanken quälten und weder zu dir und deiner Ankunft stehen noch sich auf dich freuen konnten. Die einzige mir bekannte therapeutische Möglichkeit besteht darin, Urvertrauen »nachzutanken«, etwa durch Einheits-Erfahrungen, wie sie durch spirituelle Exerzitien und Meditationsübungen zu erlangen sind. Die zielführendste und rascheste Chance, »Einheit« zu erleben, liegt – nach meinen Erfahrungen – im »verbundenen Atem«.
Kleine Hilfen sind das Üben von Dankbarkeit, für die es so viele Gründe gibt. Yogi Bhajan bringt es in die Kurzformel: Best attitude = gratitude. Auch bewusstes, systematisches Anerkennen der eigenen Leistungen hilft.
Sich Gedanken machen, mal nicht im kritischen Sinn, sondern als positive Übung, ist ebenfalls hilfreich. Erfolge imaginieren, sie spielerisch in Gedanken verwirklichen, bis sie sich einstellen und spielend glücken, kann auch helfen, nach dem amerikanischen Motto: Fake it until you make it – spiel es, bis es spielerisch gelingt.
Immer und sowieso hilfreich wäre, wenn du dir ganz klarmachst, was dir guttut und was nicht. Und danach zu handeln!
Gut tut es immer, sich mit Mutter Erde und allem Leben zu verbinden und grundsätzlich nichts Gefährliches, Schädliches und Giftiges mehr zu sich zu nehmen und für gute Luft und gutes Wasser zu sorgen.
Meiner Seele und meinem Geist schließlich tue ich unendlich viel Gutes, wenn ich die Schicksalsgesetze zu verstehen und freiwillig zu beachten lerne, statt auf die harte Tour durch Versuch und Irrtum. Wer Fehler als Chance erkennen lernt, Fehlendes zu integrieren, wird wachsen. Wer Enttäuschungen als Ende von Täuschungen erlebt, auf die er nicht mehr hereinfällt, gewinnt an Zukunft.
Narzissmus – eine moderne Pandemie?
Krankheiten überfallen den Menschen nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern sind die Folgen fortgesetzter Fehler wider die Natur.
HIPPOKRATES
Im Mythos lässt der wunderschöne Jüngling Narziss seine zahlreichen Verehrerinnen und Verehrer abblitzen, weil er sich einfach zu gut und zu schön ist für eine Beziehung. Er ist sich selbst genug – allerdings im unerlösten Sinn. So straft ihn die Göttin Artemis mit einer nicht stillbaren Selbstliebe. Er bekommt nun gar nicht mehr genug von sich selbst und verliebt sich unsterblich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser, das hier das Unbewusste repräsentiert. Nur das Licht des Bewusstseins offenbart wirkliche Liebe. Narzissmus, als Schatten der Selbstliebe, ist keine Offenbarung, sondern in milderen Formen ein Zeichen von Unreife; chronifiziert markiert er eine Persönlichkeitsstörung aufgrund extremer Selbstbezogenheit.
Da gesunde Selbstliebe für ein gelingendes Leben unabdingbar ist, bildet sie auch eine wesentliche Entwicklungsstufe für das heranwachsende Kind. Ein Kind kann überhaupt erst ab dem vierten bis fünften Lebensjahr mit der Entwicklung der Spiegelneuronen so weit von sich selbst abstrahieren, dass es zu Empathie fähig wird. Vorher muss es seine narzisstische Phase durchmachen.
Wer es nicht schon erwartet hätte oder sehen kommen, sollte wenigstens nicht mehr die Augen davor verschließen: Wir erleben eine regelrechte Pandemie des Narzissmus. Ich will mich hier nicht an Zuweisungen ihres Ursprungsorts beteiligen; in einer »globalisierten« Welt erscheint mir das müßig. Früher oder später sind wir doch alle irgendwie involviert, ob wir wollen oder nicht. Nicht nur als Empfänger, sondern auch als Sender. Jeder kennt genügend Beispiele für schambefreite, in ihrer traurigen Lächerlichkeit bestürzende Begleiterscheinungen der Selbst-Bewerbungs-Welle. Vielleicht sollte man mittlerweile von einem Tsunami der Ego-Besessenheit sprechen, im Gefolge einer unverhohlenen Heiligsprechung des Narzissmus samt seiner kommerziellen Ausbeutung.
Es wäre allerdings unangemessen, hier über eine ganz bestimmte Mit-Ursache der Misere hinwegzugehen. Schließlich ist dies ein Buch, das der Wiederherstellung des guten Rufs von Selbstliebe dienen und darüber hinaus ein freiwilliges, bewusstes Allein-Sein aus der zugewiesenen Schmuddelecke holen will. Ich meine die mit Händen zu greifende Vereinsamung Abermillionen Einzelner. Indes bleibe ich dabei: Singles, als rasch wachsende Bevölkerungsgruppe der westlichen Welt sind zwar wesentlich Kinder der Moderne. Aber sie müssen keineswegs Opfer oder gar Mittler eines grassierenden Kulturverlusts sein. Selbst-liebende, selbst-bewusste Allein-Stehende sind vielmehr prädestiniert für ein Leben als selbstermächtigte, innerlich befreite Menschen und Mitarbeiter an der Heilung unserer Welt.
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