Im Keller ist es dunkel. Ursula Baur

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Im Keller ist es dunkel - Ursula Baur


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kehren sich ja nicht daran, ob sie einem ins Konzept passen oder nicht.

      Die folgende Erinnerung ist doppelt und dreifach abgesichert gegen Verschleiß oder Harmonisierung.

      Einmal ist das Sujet selbst erinnerungsträchtig – Feste, und besonders das Weihnachtsfest, sind schon darauf angelegt, erinnert zu werden – dazu kommt noch das Erschrecken über ein für mich besonders schmerzliches Ereignis, darüber hinaus eine mehr oder weniger empfindliche Strafe.

      Zwei Jahre nach meinem 'ersten Weihnachten', oder besser: meinem 'ersten Christbaum', stritten mein Bruder und ich, wie üblich; der Streit artete, wie meistens, in eine Verfolgungsjagd aus – aber ungewöhnlich dumm war es schon von uns, daß wir ausgerechnet um den Christbaum herumsausten.

      Da fiel er um. Wie ich erschrocken bin! Das allein hätte schon gereicht, um diesen Augenblick dauerhaft festzuhalten. Ich spüre neben dem Schrecken noch heute meine damalige Fassungslosigkeit; ich war wie gelähmt – ich dachte: ich muß mich gleich auf den Boden setzen, sonst falle ich auch noch um.

      Der schöne Baum!

      Fast war es mir, als dürfte ich gar nicht hinschauen zu ihm, wie er so entzaubert am Boden lag. Viel grüner kam er mir plötzlich vor, viel zu grün. Etliche Kugeln waren zerbrochen, Kerzen aus ihren Haltern gekullert, und besonders befremdete mich das Wasser – ich hatte gar nicht gewußt oder wissen wollen, daß der Baum, der erst durch den Schmuck zum Christbaum wird, wie eine Blume abgeschnitten ist, keine Wurzeln mehr hat und in einem Gefäß voll Wasser stehen muß, damit er einige Zeit hält.

      Was alles noch viel schlimmer machte: ich war die einzige Person in meiner Familie, für die der Christbaum etwas Heiliges war. Meine Eltern schmückten ihn wunderschön, aber nicht, ohne ihm seine innere oder eigentliche Existenzberechtigung abzusprechen. Das Christkind, das offiziell den Baum brachte, wurde immer wieder von meinem Vater als „dumm“ bezeichnet, er hatte einen unübersetzbaren oberpfälzischen Ausdruck dafür reserviert. Vielleicht war das ein Ausgleich dafür, daß er sich doch jedes Jahr wieder dazu hinreißen ließ, den Christbaum zu schmücken. Für diesen Tribut, den er dem Christkind alljährlich zur Weihnachtszeit leisten zu müssen glaubte, wurde es zur Strafe verspottet. Mir tat das immer in der Seele weh, und um so heiliger wurde mir jede Kugel, und alles, was mit dem Christkind zu tun hatte. Meine ganze Kraft steckte ich in die Heilung und Heiligung des verspotteten Christkinds und seiner Gaben.

      Und jetzt war ausgerechnet ich schuld an diesem furchtbaren Unglück! Zusammen mit meinem Bruder, schon, aber ich war die Ältere, über ein Jahr älter, ich hätte an den Christbaum denken müssen. Ich fand mich ganz entsetzlich gemein.

      Die Strafpredigt fiel sehr kurz aus. Und die eigentliche Strafe war viel zu mild, fand ich, fast ein Witz. Diesmal hätte ich eher so etwas wie das Bedürfnis, empfindlich gestraft zu werden, gehabt, während mir meine Eltern sonst immer zu streng vorkamen. Sie sahen unser Vergehen als reine Sachbeschädigung an: Wir sollten unsere Sparbüchsen ausleeren.

      Nichts weiter? Ich brachte flink meine Van-Houten-Kakao-Dose aus Blech, kaum zur Hälfte gefüllt mit Fünferln, Zweipfennigstücken und Pfennigstücken, etlichen Zehnerln und ein paar Fuchzgerln.

      Diese Entwürdigung des heiligen Baumes! Daß die Kugeln, die immer geschimmert hatten wie aus einer anderen Welt, käuflich sein sollten! Für die zerbrochenen Kugeln hätte ich viel mehr geben wollen! Leider hatte ich nicht mehr, weil ich die Fünferl oder Zehnerl, die ich von Tanten und Onkeln bekam, oft gleich wieder ausgab für Süßigkeiten im kleinen Lebensmittelgeschäft des älteren Fräuleins, in dessen Haus wir wohnten.

      Aber mein Bruder, der sich über den Christbaum-Fall nicht besonders aufgeregt, nur das elterliche Strafgericht doch auch mit einer gewissen Furchtsamkeit – neben seiner gewohnten Zuversicht – erwartet hatte, er war jetzt fix und fertig. Seine Van-Houten-Kakao-Dose, äußerlich der meinen zum Verwechseln ähnlich, war bis zum Rand mit Geld gefüllt.

      Er hatte immer eisern gespart.

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