Staatsfeinde. Hansjörg Anderegg
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Hansjörg Anderegg
Staatsfeinde
Der 9. Fall mit BKA-Kommissarin Chris
Thriller
Impressum
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Print-ISBN: 978-3-96752-201-3
E-Book-ISBN: 978-3-96752-699-8
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Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag
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Stockfoto-Nummer: 1800052372, 1391207630
Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag
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XOXO Verlag
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Gröpelinger Heerstr. 149
28237 Bremen
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
KAPITEL 1
Aachen
Nichts als verstaubte Klassiker in dem Laden: Seneca, Plato, Thomas von Aquin, Leibnitz, Nietzsche. Bertrand Russells ›Philosophie des Abendlandes‹ fasste die alle bequem auf achthundert Seiten zusammen. Das Buch aus dem Jahre 1946, wohl das jüngste Werk im Antiquariat Rosenblatt, lag aufgeschlagen neben Jakobs Leiche.
Wer erschießt einen Neunzigjährigen?, schoss es Phil durch den Kopf, bevor der Schock einsetzte und er am ganzen Körper zu zittern begann, als herrschte klirrende Kälte in Jakobs Refugium im Schatten des Aachener Doms. Das Haus schlief, tot wie der alte Mann. Phils Augen füllten sich mit Tränen. Neunzig Jahre hatte Jakob Rosenblatt auf diesem Planeten überlebt, als Kind zugesehen, wie die Nazis seine Eltern mitten in der Nacht abführten. Niemand hatte je wieder etwas von ihnen gesehen oder gehört. Die Rosenblatts aus Aachen blieben verschollen, als hätte es sie nie gegeben. Jakob aber war der lebende Beweis ihrer Existenz und ihres Wirkens. Hatte er auch nie wirklich darüber gesprochen, verstand Phil dennoch, dass Jakob gerade deshalb die Gräuel überstanden hatte und trotzig uralt geworden war.
Das Telefon fiel ihm beinahe aus der Hand, als er die 110 anrief.
»Wie lautet die Anschrift?«, wollte die Beamtin wissen.
»Äh – Pontstraße.«
»Hausnummer?«
Er kannte sie nicht. Seit zwölf Jahren, seit der Studienzeit an der TH, wohnte er gegenüber Jakobs Antiquariat, ohne eine Sekunde über dessen Hausnummer nachgedacht zu haben.
»Antiquariat Rosenblatt«, antwortete er heiser und legte auf.
Trotzdem gehörten Jakobs stickige Zimmer voller staubiger Bücher und vergessener Spinnweben beinahe zu seiner Wohnung. Den Master hatte er zwischen Jakobs toten Philosophen geschrieben. Die Gewissheit, dass sich viele Texte in diesen Wälzern längst als leere Behauptungen und Irrtümer erwiesen hatten, beruhigte den Informatiker. Phil war nicht an den Ergüssen der Philosophen interessiert. Er wollte die Tiefen des menschlichen Geistes ergründen, verstehen, was hinter den Gedanken eines Leibniz oder Schopenhauer steckte und weshalb. Was ist die Essenz des menschlichen Geistes? Diese einfache Frage, unendlich schwierig, vielleicht unmöglich zu beantworten, trieb ihn um, seit er die Pubertät hinter sich gelassen hatte. Phil Schuster, der erste Mensch, der einem Computerprogramm menschlichen Geist einhauchte? Unmöglich war es nicht. Andere Leute träumten vom großen Geld.
Sirenengeheul näherte sich. Erschrocken stellte er fest, immer noch wie angewurzelt vor Jakobs Leichnam zu stehen und auf die Blutlache unter seinem Kopf zu starren.
»Mir wird schlecht«, antwortete er auf die erste Frage.
Die Mundwinkel des Kommissars sanken eine Etage tiefer, was er nicht für möglich gehalten hätte. Sein Gegenüber rettete sich mit einem Satz rückwärts außer Reichweite.
»Kotzen Sie mir bloß nicht auf die Stiefel, junger Mann!«
Phil riss den Blick endlich los vom Toten. Mit Mühe gelang es ihm, das Würgen zu unterdrücken und den Herrn in der Lederkluft anzusehen. Grau meliertes Haar, Boxernase, mindestens einmal gebrochen, stand der Typ da und blickte durch ihn hindurch, als interessierte er sich nicht im Mindesten für den Tatort oder seine Antworten. Er hatte sich als Kriminalhauptkommissar Tom Fischer, LKA NRW, vorgestellt.
»Sie sind Phil Schuster? Sie haben die Leiche entdeckt?«, wiederholte er, sichtlich besorgt um seine Stiefel.
Phil nickte. Eine Beamtin brachte ihm ein Glas Wasser. Es gab Leute beim LKA Düsseldorf, die Gedanken lesen konnten. Der Rechtsmediziner verrichtete seine Arbeit, und die Kriminaltechniker begannen wie ein Schwarm Außerirdischer, die Spuren zu sichern.
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