Unternehmensbewertung case by case. Michael Hommel

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Unternehmensbewertung case by case - Michael Hommel


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Vorteile und Nachteile den Grenzpreis deutlich verändern können. Er muss dann allerdings die Quantifizierung dem Käufer bzw. Verkäufer selbst überlassen.

       2. Anwendung auf den Fall: Gesamtertragsprinzip im Fall Neumeier

      Die vorstehenden Berechnungen haben gezeigt, dass Neumeier maximal 700 000 Euro für das Unternehmen ausgeben darf, um nach dem Kauf nicht schlechter zu stehen als davor. So kann der Bewerter Neumeier darüber informieren, dass die finanziellen Vorteile aus dem Unternehmen nur einen Kaufpreis von 700 000 Euro rechtfertigen. Das bedeutet aber nicht, dass Carlo Neumeier nicht auch einen deutlich höheren Kaufpreis bezahlen dürfte, ohne irrational zu handeln. Der Unternehmensbewerter kann den (potenziellen) Käufer auf die Möglichkeit nicht finanzieller Einflussfaktoren explizit hinweisen und es diesem überlassen, wie viel ihm die nicht finanziellen Vorteile wert sind. Daher kann es durchaus sein, dass Neumeier – obwohl der Käufergrenzpreis von 700 000 Euro richtig berechnet wurde – bei einem Kaufpreis von 800 000 Euro ein wahres Schnäppchen macht und zu Recht die Sektkorken knallen lässt.

      Tippe ist in unserem Beispiel 92 Jahre alt. Vielleicht ist Neumeier selbst schon 72 und träumt seit seiner Kindheit davon, einmal, wenn er erwachsen ist, die Kanzlei „Tippe“ zu übernehmen. Nun ist es endlich so weit. Wieso sollte Neumeier die Erfüllung seines lang gehegten Traums nicht 100 000 Euro (800 000 Euro – 700 000 Euro) wert sein? Glück ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Vielleicht wäre Neumeier sogar dazu bereit gewesen, 2 Mio. Euro für die Kanzlei des Tippe zu bezahlen, ohne es je zu bereuen. Unter diesem Aspekt wäre für Neumeier der Erwerb der Kanzlei für 800 000 Euro das „Geschäft seines Lebens“.

       III. Schiedspreisberechnung

       1. Erläuterung

      Als einfachste Lösung zur Ermittlung eines Schiedspreises bietet es sich an, den Verhandlungsspielraum zu mitteln:

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      Beträgt der Verkäufergrenzpreis 100 000 Euro und errechnet der Käufer für sich einen Grenzpreis von 200 000 Euro, weil er ein besseres Unternehmenskonzept hat, das zu höheren Nettocashflows führen wird, so beträgt der Schiedspreis 150 000 Euro. Die dabei vorgenommene Mittelung erscheint auf den ersten Blick ungerecht, weil der Verkäufer durch sie auch an einer Wertentwicklung des Unternehmens partizipiert, die erst nach dem Verkauf möglich wird. Andererseits kann der Käufer seine Innovationen nur verwirklichen, wenn der Verkäufer mitwirkt und zum Verkauf bereit ist. Ohne sein Zutun verpuffen die erhofften Wertsteigerungen auf Seiten des Käufers vollständig. Bei einem Kauf zum Schiedspreis kann er zumindest die Hälfte davon realisieren. Es kommt damit zu einer „Win-Win-Situation“. Der Verkäufer erhält 50 000 Euro mehr, als er mindestens aus dem Verkauf benötigte, und der Käufer zahlt 50 000 Euro weniger, als er hätte zahlen können, um seine finanzielle Situation nicht zu verschlechtern.

      Dennoch muss bezweifelt werden, dass eine Mittelung des zur Disposition stehenden Verhandlungsspielraums zu einem fairen Schiedspreis führt. Trifft z.B. in einem Fußballturnier (z.B. Weltmeisterschaft) der amtierende Weltmeister in der Gruppenphase des Turniers auf eine deutlich spielschwächere Mannschaft, die sich in der Weltrangliste auf den hinteren Plätzen wiederfindet, so ist unter normalen Umständen zu erwarten, dass der amtierende Meister gewinnt. Ein Schiedsrichter, der immer dann in das Spiel eingreift, wenn die spielstärkere Meistermannschaft ein Tor erzielt, und den Spielverlauf solange manipuliert, bis auch die formal unterlegene Mannschaft zum Ausgleich gelangt, würde als unfair bezeichnet – obwohl er doch nur möchte, dass die zu verteilenden Punkte, die es zu gewinnen gilt, fair und gleichmäßig auf die beiden Turniermannschaften verteilt werden. Ein fairer Schiedsrichter wird stattdessen das Spielgeschehen überparteilich begleiten, die Kräfteverhältnisse akzeptieren und nur bei groben Regelverstößen eingreifen.

       2. Anwendung auf den Fall: Schiedspreis im Fall „Tippe-Neumeier“

      Käufer- und Verkäufergrenzpreis von Neumeier und Tippe sind subjektiv und tragen dadurch den individuellen Verhältnissen des jeweiligen Marktteilnehmers Rechnung. Zu welchem Preis das Unternehmen letztlich seinen Eigentümer wechselt, ist eine Frage der Verhandlung. Der Kaufpreis wird bei rationalem Verhalten der Vertragspartner zwischen dem Verkäufergrenzpreis (= 500 000 Euro) und dem Käufergrenzpreis (= 700 000 Euro) liegen.

      Wird der Unternehmensbewerter als Schiedsgutachter bestellt, so muss er einen fairen Einigungspreis bestimmen, der beiden (subjektiven) Grenzpreisen gerecht wird. Dabei bietet es sich regelmäßig an, die subjektiven Grenzpreise auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen und sie anschließend zu mitteln. Gemäß Gleichung (9):

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      beträgt der Schiedspreis im Fall Tippe-Neumeier 600 000 Euro:

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      Beide Vertragsparteien stellen sich dadurch grundsätzlich besser: Tippe erhält bei einem Einigungspreis von 600 000 Euro tatsächlich 100 000 Euro mehr, als er mindestens verlangen musste, und Neumeier zahlt 100 000 Euro weniger, als er maximal zu zahlen bereit war.

       IV. Äquivalenzgrundsätze

       1. Anforderungen des Vergleichsprinzips

      Tabelle 7: Äquivalenzgrundsätze und ihre Bedeutung

ÄquivalenzgrundsätzeGleichwertigkeit der Zahlungsströme von Bewertungs- und Vergleichsobjekt hinsichtlichDarstellung im Buch
Arbeitseinsatzäquivalenzdes Einsatzes eigener Arbeitskraft (Unternehmerlohn)Fall 2 – im Folgenden
Laufzeitäquivalenzder Laufzeit und des zeitlichen Anfalls der NettocashflowsFall 17
Verfügbarkeitsäquivalenzder Verfügbarkeit der Nettocashflows als Konsummehrwert (Berücksichtigung der Besteuerung)Fälle 8–9
Kaufkraftäquivalenzder Kaufkraft (Real- oder Nominalrechnung)Fall 7
Risikoäquivalenzder Unsicherheit der Zahlungsströme (Sicherheitsäquivalent- oder Risikozuschlagsmethode)Fälle 13–17

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