Deutschland wohin???. Luma Mayhér
Читать онлайн книгу.Deshalb gab es zur Wiedervereinigung bereits Befürchtungen für den Beginn einer sozialen Spaltung. Diese Bedenken hatte ich damals ebenfalls. Leider haben sie sich tendenziell bestätigt. Deutschland ist längst von einer sozialen Spreizung betroffen, die sich innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich verstärkte, so dass zunehmend schon von sozialer Spaltung gesprochen werden kann. Dabei gehe es Deutschland laut den Äußerungen von Spitzenpolitikern der regierenden Parteien so gut wie nie, aber die soziale Entwicklung wirft massive Fragen auf. Warum lebt dann in unserem wohlhabenden Land jedes sechste Kind, in Großstädten z. T. jedes fünfte Kind, unterhalb der Armutsgrenze? Warum leben ebenfalls auch 1,5 Mio. Alleinerziehende mit ihren Kindern unterhalb der Armutsgrenze? Wieso stellen Experten seit längerem in unserem Land eine zunehmende soziale Spaltung fest? Laut neueren Presseberichten ist davon längst nicht nur die Unterschicht, sondern zunehmend auch die Mittelschicht vom Niedergang betroffen.
Gleichzeitig wächst seit längerem die Anzahl der Einkommensmillionäre und die reichen Bürger des Landes erfahren enormen Vermögenszuwachs. Den geht es wohl schon „so gut wie nie“, aber bei der sozialen Spreizung eben vielen anderen nicht. Die Bundesbürger, das heißt auch der Großteil der Bevölkerung, haben in der EU mit die höchste Abgabenlast zu tragen. In den wachstumsstarken Verdichtungsräumen wird aufgrund der hohen Immobilienpreise und Mieten die Wohnversorgung für viele Bürger zum Problem. Die deutsche Industrienation liegt in der Digitalisierung unter dem EU-Durchschnitt, obwohl die Regierung erhebliche Möglichkeiten zum Gegensteuern hatte und hat. Die Teilräume Deutschlands weisen deutliche Unterschiede in der Versorgung mit Daseinsvorsorge auf, obwohl die Verfassung das Hinwirken auf gleichwertige Lebensbedingungen in den Teilräumen Deutschlands vorgibt. Warum ist so wenig passiert? Warum nutzt die Regierung ihre Einflussmöglichkeiten zum Gegensteuern so wenig?
Die Tagespresse berichtet über Ungemach für wichtige Staatsinstitutionen. Das gilt schon für die politische Parteienlandschaft wie für die Parlamente bis hin zur Ebene vom Stadt- und Gemeinderat. Politisch gefärbte Personalpolitik ist oft entscheidend und setzt sich in den Verwaltungen fort. Das Parteibuch zählt häufig mehr als Sachqualifikation. Die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen, wie es das Grundgesetz für Parlamentarier vorgibt, wird oft hinter die Fraktionsdisziplin zurückgestellt. Das forderte selbst die Kanzlerin, wenn es um die AfD ging (wie das zweifelhafte Beispiel der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen belegt). Zugleich dominieren im Bundestag, wie in den Landtagen, immer mehr Berufspolitiker, die zudem längst nicht mehr einem Querschnitt der Bevölkerung entsprechen. Die politischen Leitungsebenen entfernen sich immer weiter vom Volk. Nach verschiedentlichen Berichten zu urteilen leben die Politiker zunehmend in einer anderen, eigenen elitären Welt und entfernen sich vom Bürger (siehe a. Hartmann, 5. Kap.). Dadurch und wegen der Flüchtlingspolitik der Regierung erhält politischer Populismus Zulauf, wie die Wahlerfolge der AfD belegen. Beispielhaft war auch die Einschätzung der Kanzlerin, dass für die Renten aktuell kein Handlungsbedarf bestehe, obwohl hier längst immer mehr ältere Menschen von Altersarmut betroffen sind. Die Merkel-Aussage erschüttert, denn zugleich betonte sie auch in einer Fernsehsendung: „So gut wie heute ging es Deutschland noch nie.“ Demnach muss der Staat über genügend Geld verfügen, um der Rentnerarmut entgegenzuwirken, aber die Regierung müsste es wollen.
Ungemach gilt auch für die Justiz und Polizei, die vor allem durch Personalausdünnung in den zurückliegenden Jahren bei gleichzeitig zugenommenem Aufgabenspektrum, wie die vielen Asylverfahren, vor schwierigen Problemen stehen. Das bedingt z.T. Probleme und schlechte Arbeitsbedingungen, die Frust erzeugen. In der Justiz kommt es aufgrund zu langer Verfahrensdauer trotz überzeugender Beweislage zu Verfahrenseinstellungen bis hin zur Haftentlassung gefährlicher Straftäter. Zugleich schwächelt die Justiz durch ihre Aufweichung verhängter Strafen. So erlischt während einer Bewährungszeit bei neuen Straftaten häufig nicht die Bewährung, sondern es werden weitere Bewährungszeiträume angehängt, anstatt einen Strafantritt zu verfügen. Gerichte ahnden z. T. vergleichbare Straftaten mit extrem unterschiedlichem Strafmaß. Bei der Dortmunder Love-Parade-Katastrophe mit hoher Opferzahl war der Justizapparat unfähig die Schuldfrage zu klären und Urteile zu fällen. Zugleich berichtet die Presse von Übergriffen gegenüber Polizisten, die nicht oder kaum geahndet werden, wie auch umgekehrt Polizeiübergriffe für die Beamten kaum Folgen haben. Die Übergriffe seitens der Polizei sind z.T. dem Führungspersonal zuzuordnen, wie bei Demonstrationen gegen Stuttgart 21. Politiker diffamieren Gerichtsanordnungen zur Rückführung abgeschobener Flüchtlinge, obwohl die Umsetzung geltender Gesetze die gerichtlichen Maßnahmen bedingt. Statt der Diffamierungen gerichtlicher Maßnahmen durch Politiker wäre die Schaffung entsprechender Gesetze der richtige und angemessene Weg. Aber die Politik hält sich zurück.
Die Verwaltung führt ein zunehmendes Eigenleben, indem sie immer mehr Bereiche bürokratischen Regelungen unterwirft. Das erfolgt teilweise weniger auf der Grundlage entsprechender Gesetze, sondern vor allem durch Verwaltungserlasse und eigenmächtiges Handeln. Das kann dazu führen, dass die Verwaltung straffällig gewordenen Personen Restriktionen und Maßnahmen auferlegt, die sowohl von den Kosten als auch den damit verhängten Einschränkungen her deutlich über die vom Gericht verhängte Strafe hinausgehen und zusätzlich zu tragen sind. Dazu können auch Kontrollvorgänge gehören, die menschenunwürdig sind, obwohl unsere Verfassung die Menschenwürde als unantastbar festschreibt. Wo bleibt da die Rechtsstaatlichkeit? Für ausstehende Steuerbeträge werden hohe Zinsen berechnet, obwohl diese auf dem Kreditmarkt seit Jahren im sehr niedrigen Bereich liegen. Das galt inzwischen teilweise selbst für kommunale Hilfen zur Bewältigung der Coronafolgen, wie z.B. in Frankfurt a.M.
Deutschland ist seit dem Ende der sechziger Jahre vom demografischen Wandel betroffen, der sich zunächst durch die niedrige Geburtenrate vor allem quantitativ, dann aufgrund steigender Lebenserwartung durch die zunehmende Zahl älterer Mitbürger und seit den sechziger Jahren auch ethnisch durch Zuwanderung ausdrückt. Dieser Wandel bedeutet erhebliche Veränderungen, die den quantitativen Bedarf wie auch die Ausrichtung der Daseinsvorsorge verändern, die Rückwirkungen auf die Wirtschaft und das Arbeitskräftepotential haben, welche die Öffentlichkeit verändern und auf die Staatsfinanzen und Ausgaben Einfluss haben. Gleichfalls sprechen die niedrigen Geburtenzahlen für erhebliche Probleme für Renten und Altersversorgung. Dazu war bislang von der Politik wenig zu hören. Erst als seit der Mitte des letzten Jahrzehnts hohe Flüchtlingszuwanderung zu politischen Kontroversen und Handlungsdruck führte, fand in der Bundesrepublik der demografische Wandel etwas Beachtung. Das hat die Regierungen aber kaum veranlasst, über mögliche Einflussnahme auf das niedrige Geburtenaufkommen oder für geburtenfördernde Gegenmaßnahmen nachzudenken, so wie mit den daraus angeleiteten Maßnahmen in einigen anderen europäischen Staaten durchaus Erfolge erzielt wurden. Die Bundesregierung sieht im Einklang mit der hiesigen Wirtschaft vor allem in Zuwanderungen größte Möglichkeiten. Damit können die ansonsten scheinbar bevorstehenden Probleme zur Sicherung ausreichender Arbeitskräfte gelöst werden.
Gleichzeitig erleben wir einen Wandel der Öffentlichkeit, letztlich auch für die Meinungsfreiheit. Personen, die ihre Abneigung gegen hohe Zuwanderungen offen äußern, werden schnell in die rechte Ecke gestellt, der Fremdenfeindlichkeit und des Fremdenhasses, ggf. auch der Volksverhetzung bezichtigt, bis hin zur Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Das Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin ist auch Teil dieser Entwicklung.
Es hat sich Weiteres verändert. Von den sexuellen Freiheiten und freizügigen Sexualdarstellungen, die die 68er Generation in dem damals noch sehr prüden Deutschland durchsetzte, bewegt sich die Gesellschaft längst wieder zurück zum prüden Spießertum. Die Tagespresse berichtete von Museumsdirektoren, die sich der Kritik stellen müssen, weil Bilder unbekleideter Frauen gezeigt wurden. Zudem geben einige Politikerinnen und Gesellschaftsgruppen lautstark ihre Meinungen und daran geknüpften Maßstäbe vor. Oft beanspruchen sie die große Mehrheit der Bevölkerung zu vertreten, obwohl Umfragen etwas ganz anderes aussagen und diesen Anspruch widerlegen. Hier wird in einem Mainstream versucht, Wertmaßstäbe vorzugeben und Druck zu deren Durchsetzung zu erzeugen (Kubicki, W.: Meinungsunfreiheit). Eine Entwicklung, die auch für viel Umweltaktivisten/aktivistinnen gilt. Die Meinungsfreiheit bedeutet da wenig, wie z.T. die Attacken gegen andere Meinungen zeigen. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung und Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen und Äußerungen gilt dogmatisches Festhalten an den getroffenen eigenen Positionen. Mich erinnert der derzeitige Umgang mit der Meinungsfreiheit