Sperrgebiet!. Susanne Klein

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Sperrgebiet! - Susanne Klein


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Widerspruch zur Polizeiarbeit bedeuten musste. Ganz und gar nicht bei all den Gefühlsfacetten, die der Job mit sich bringt.

      „Ich will noch nicht zu viel verraten, aber es handelt sich um einen Leichenfund, der Fragen aufwirft. Viele Fragen!“ Er schilderte mir zunächst in Kurzform das Geschehene und sein Vorwurf über die Ersteinschätzung der Kollegen vor Ort, es handele sich um einen natürlichen Tod, schwang schon hier mit.

      „Yes!“ Ich jubelte innerlich. Das schien mir ein sehr geeigneter Vorgang für einen Anfänger wie mich.

      Andreas übergab mir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die blaue Mappe mit der Aufschrift „Heidi – Knochenfund//Wahner Heide“. Zum ersten Mal hielt ich tatsächlich das Grauen in der Hand und vergaß darüber beinahe das Atmen. Eine Mischung aus freudiger Erwartung und großer Nervosität vor der neuen Aufgabe, verströmte eine hohe Dosis Adrenalin durch meinen Körper und nahm mir für einen Moment den Atem. Erst in dem Augenblick, als Andreas mir seine Hand auf die Schulter legte, setzte mein Organismus wieder ein und ich schnappte nach Luft.

      „Bleib locker, Sara. Du machst das schon.“ Er traute mir einen solchen Fall demnach bereits zu und bestärkte mich durch den flüchtigen körperlichen Kontakt. Atmung und Verstand beruhigten sich und ich blätterte stolz in den überschaubaren drei Seiten Akteninhalt. Bislang hospitierte ich meistens bei der Lösung von Fällen und unterstützte das Team mit Recherchearbeiten. Ich brannte längst für einen eigenen kleinen Fall. Auch, wenn ich nur eine Art Sachbearbeitung betrieb und im Hintergrund agierte. Für Heidi war ich ab jetzt verantwortlich.

      „Die Sache ist deshalb brisant und bei uns gelandet, weil die gefundenen Knochen längst verbrannt waren, als durch einen Zufall vor ein paar Tagen ein Skalp mit einem Stück Schädeldecke in der Nähe der Fundstelle entdeckt wurde, der gut und gerne zu dem Rest gehören könnte. Damit hätte man das Puzzle zusammensetzen und sehen können, ob es eine Einheit bildet und zu einer Person gehört. Aber so …!“

      Er ließ das Gesagte durch den Raum schweben, damit er seine Fassungslosigkeit möglichst nicht durch Worte untermauern musste. „Gesichert wissen wir bis jetzt nur, dass die Knochen zu einer Frau gehören, die vermutlich so um die 60 war. Nur ein paar Zähne und ein Ehering sind von ihr übrig geblieben. Alles andere ist futsch.“ Andreas rollte mit seinen Augen, um das Fehlverhalten der Kollegen auf seine Art zu missbilligen. Er schaute mich auffordernd an, als erwarte er eine Antwort oder zumindest eine Bestätigung seiner grenzenlosen Empörung. Ich blieb aber stumm und ließ ihn weiter berichten.

      „Ein Journalist, der für einen Artikel über Bombentrichter und andere Relikte des Militärs in der Wahner Heide recherchierte, hat das Haarbüschel dort gefunden und die Polizei verständigt. Der hat es sich allerdings auch nicht nehmen lassen, die Geschichte exklusiv dem EXPRESS zur Verfügung zu stellen.“ Er zeigte auf die reißerische Titelseite, die den Journalisten mit dem verfilzten Mopp in der Hand zeigte. „Konzentrier‘ Dich am besten nur auf das wenige Wesentliche.“ Er blätterte einfach weiter und hielt mir nun den Bericht der involvierten Polizisten inklusive der Zeugenaussage eines Herrn Gruber unter die Nase. „Vielleicht lässt sich ja mit dem, was wir haben zumindest die Identität klären. Der Rest ist wie gesagt leider schon durch den Kamin in Mechernich“, erklärte er mir und verdrehte jetzt seine kompletten Gesichtszüge. „Gibt’s Fragen?“, wollte mein Chef noch wissen.

      „Gab es keine Handtasche?“, fragte ich.

      „Wie bitte?“

      „Ist dort oder in der Nähe keine Handtasche gefunden worden? Eine Frau geht doch nicht ohne Handtasche!“

      Er verharrte vor meinem Schreibtisch und nestelte an seinen Bartstoppeln.

      „In die Natur offenbar schon – sie hatte jedenfalls keine dabei oder sie war längst weg. Du kannst ja mal im Fundbüro nachfragen. Willst Du sonst noch was wissen?“

      „Nein, alles klar.“ Mist, da wollte er gerade gehen und mir fiel ausgerechnet jetzt noch etwas ein: „Das heißt, eine Frage habe ich noch: Vermutest Du ein Verbrechen?“

      „Schwer zu sagen. Durch das schnelle Vorgehen …“, er brach den Satz ab, weil er selber merkte, dass seine Anklage den Kollegen gegenüber allmählich zu weit ging. Etwas sachlicher fuhr er fort: „Es wurden leider keine tiefergehenden Untersuchungen durchgeführt oder Spuren an den Knochen, geschweige denn am Fundort gesichert. Aber vielleicht lässt sich noch auf anderem Wege etwas rausfinden. Wir haben ja jetzt zumindest Haarreste.“ Die Frisur war seine Hoffnung. „Zusammen mit den Zähnen, die mit den Knochen gefunden wurden, lässt sich wenigstens klären, ob beides zu ein und derselben Person gehört.“

      Voller Vorfreude auf meine vor mir liegende Arbeit war ich gedanklich längst abgedriftet und wusste nicht, was ich noch sagen könnte. Den Moment, in dem mein Chef wieder verschwand, konnte ich kaum abwarten. Um meine Ungeduld zu unterstreichen, scharrte ich mit den Füßen unter meinem Schreibtisch und trommelte mit den Fingern auf der Arbeitsplatte. Er verstand es nicht und setzte mit seinen gut gemeinten Ratschlägen fort.

      „Am besten nimmst Du zuerst Kontakt mit der Stadt auf und beauftragst das Ordnungsamt, damit wir Akteneinsicht und den Ring, der noch an den Knochen steckte, bekommen. Nicht, dass die noch auf die Idee kommen, damit ihre Kosten zu verrechnen“, schlug er vor, anstatt zu gehen. „Und veranlasse bitte die Haaranalyse. Hoffentlich haben wir eine passende DNA.“

      Warum macht er nicht gleich alles selbst?, fragte ich mich.

      „Ja, okay!“ Ich blieb wortkarg, um noch verständlicher zu zeigen, dass er mich durchaus mit meinem Teil der Sache jetzt allein lassen konnte und mit mir aktuell kein weiterer Dialog möglich war. An Empathie mangelte es Andreas sonst nicht, aber heute blieb er in der Sache unsensibel.

      „Finde irgendetwas heraus, was nicht in der Akte steht.“ Pause. Ich presste die Lippen zusammen und verkniff mir jede Konversation. Das animierte ihn allerdings nur, fortzufahren. „Und sollte es sich doch bestätigen, dass unsere Leiche eines natürlichen Todes gestorben ist, oder Dir weitere Ermittlungen aussichtslos erscheinen, kannst Du die Akte schließen.“

      Leichen können nicht sterben, dachte ich und war geneigt, es auszusprechen. Da war er aber endlich gegangen.

       DREI

      Ziel und meine primäre Aufgabe hier im Präsidium sollte irgendwann in absehbarer Zeit die eigenständige, administrative Unterstützung von insgesamt sechs Kriminalisten sein. Je selbstständiger ich dabei agierte, desto besser – hatte mir der Personalchef bereits in meinem Vorstellungsgespräch ziemlich deutlich gesagt. Und genau darauf arbeitete ich seit dem ersten Tag akribisch hin. In den letzten Wochen hatte ich viel beobachtet, gelernt und mich langsam an die Polizeirealität herangetastet. Nach der Probezeit und einer damit einhergehenden Einarbeitungsphase würden die Tätigkeiten ausgedehnt und ich wäre dann in der Lage, eigene Erkenntnisse in die Ermittlungen zu tragen. Wenn alles gut lief, war dieser kleine Fall ein Quantensprung.

      Meine Vorgesetzten und die besten Chefs der Welt, sind der eben erwähnte Andreas Kurani, 50 Jahre alt, Kriminaloberkommissar und Frank Labonte, 44 Jahre alt, sein Stellvertreter, ebenfalls Kriminaloberkommissar. Beide scharfe Analytiker und hervorragende Kriminalisten, aber ansonsten absolut unterschiedlich. Während Andreas sehr introvertiert und – sieht man mal von seinem Monolog von eben ab – eher still und einsilbig auftritt, ist Frank immer und überall präsent. Sobald er einen Raum betritt, füllt er ihn mit seinem Charisma. Bääähm! Auch optisch ist er genau das Gegenteil von Andreas. Es kommt nicht selten vor, dass Frank wie für ein Männermodemagazin gestylt, nach teuren Parfüms duftend und im Designeranzug auf der Arbeit erscheint und die reinste Provokation für diejenigen ist, die morgens aus dem Bett und in ihre nichtssagenden Klamotten vom Vor- und gerne auch mal vom Vorvortag springen. Andreas gibt sich eher so, wie man einen typischen Kriminalbeamten aus dem Fernsehen kennt. Etwas mürrisch, ansonsten kernig und sportlich. Auch optisch. Jeans, Shirt, Turnschuhe. Fertig. Vier weitere Beamte und ich sind den beiden unterstellt. Während sie ermitteln und die Arbeiten am und rund um den Tatort vornehmen, hüte ich in der Regel unser Büro im Linksrheinischen am Rande der Kölner


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