Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.Dann ging ich auf die Herren-Toilette, um aus mir einen Vorruheständler Ende fünfzig zu machen. Kein Problem. Es ging vor allem einigermaßen schnell. Ich ließ auch von dieser Version Bilder schießen. Zum Schluss machte ich aus mir noch einen Blondschopf. Ich kam mir vor wie ein Wikinger, als ich in der Passbild-Kabine saß und das Geld in den Schlitz steckte. Mit dem Ergebnis war ich einigermaßen zufrieden. Einzig und allein das Entfernen der Haarfarbe war nicht ganz so einfach, wie es auf der Packung behauptet wurde.
6
Es war schon fast Mittag, als ich Bernd Dietrichs Bar einen Besuch abstattete. Ich trug dabei mein neues Rentner-Kostüm. Glamour hieß der Laden und ich hatte mich schon bei meinem ersten Besuch hier gefragt, wie Dietrich auf einen so unpassenden Namen gekommen war.
Als ich die Tür passiert hatte, sah ich, dass Dietrich in den letzten Jahren eine Menge investiert haben musste. Der Laden schien zu laufen, denn die Laser-Lichter, die ich sah, waren sicher alles andere als billig. Im Moment war hier natürlich noch nichts los. Eine Putzkolonne wienerte gerade den Fußboden und Lieferanten gingen aus und ein. Ich hoffte nur, dass ich Dietrich hier auch antraf.
"Hey, Sie!"
Ich drehte mich um.
Der Kerl, der mich da von hinten anquatschte, war mindestens zwei Köpfe größer als ich und schien mir gut trainiert zu sein. Täglich zwei bis drei Stunden im Fitness-Raum, so schätzte ich. Sein Gehirn hatte er vermutlich wesentlich weniger Trainingseifer angedeihen lassen, sonst hätte er einen anderen Job gehabt.
Er war Rausschmeißer. Dafür hätte ich die Hälfte der hunderttausend verwettet, die auf meinem Züricher Nummernkonto lagen. Man konnte es ihm buchstäblich schon an der Nasenspitze ablesen. Ich schätzte, dass seine Nase mal gebrochen gewesen war, so wie sie aussah.
Er kam etwas näher.
"Was ist?", fragte ich.
Er atmete tief durch und blies sich dann auf wie ein Heißluftballon.
"Was machen Sie hier?", knurrte er mit wichtiger Miene. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Sie..."
Ich schnitt ihm einfach das Wort ab.
"Ich muss mit Dietrich sprechen."
Er verschränkte die Arme vor der Brust und verzog das Gesicht. "Was wollen Sie von Dietrich?"
"Das werde ich ihm selbst sagen!"
Er schüttelte den Kopf und lachte heiser. "Es ist doch nicht zu fassen", meinte er. "Sie kommen einfach so daher und spielen hier den großen Mann." Er trat ganz dicht an mich heran und hatte seine Hand an meinem Jackettkragen.
"Ich sollte Sie achtkantig rausschmeißen!"
"Sie werden doch keinen alten Mann schlagen."
Er grinste breit.
"So alt sind Sie nun auch wieder nicht."
Ich registrierte, wie sich seine Muskeln und Sehnen anspannten. Vielleicht kam ich ihm als leicht zu verprügelnder Sparringpartner ganz recht. Allerdings wusste er weder etwas von der Automatik in meiner Jackentasche, noch davon, dass ich eine Nahkampf-Ausbildung hinter mir hatte.
"Was ist los?"
Eine klare, befehlsgewohnte Stimme zerschnitt die schlechte Luft im Glamour und rettete mich. Oder ihn.
"Ihr neuer Wachhund nimmt seine Aufgabe ein bisschen zu ernst", meinte ich und ging an dem Gorilla vorbei. Er versuchte nicht, mich aufzuhalten.
Dietrich war in den letzten Jahren ein wenig älter geworden, was ihm deutlich anzusehen war. Sein Haar war lichter geworden, die schwarze Farbe wohl nicht mehr echt.
Er sah mich mit gerunzelter Stirn an.
"Was wollen Sie?"
Dass er mich nicht erkannte, wunderte mich kaum.
"Papiere", sagte ich. Ich zog meinen Personalausweis aus der Tasche und hielt ihm das angeblich fälschungssichere Plastikding hin. "Sie haben das schon einmal für mich gemacht."
"Ich erinnere mich aber nicht an Sie."
"Es liegt Jahre zurück."
Dietrich nahm die Plastikkarte.
"Aber dies Ding hier kommt nicht von mir!"
"Nein, der Ausweis, den Sie mir damals vermittelt haben, lief ab und musste dann gegen diese neuen Karten eingetauscht werden."
Er grinste.
"So sind Sie doch noch an echte Dokumente gekommen."
"Ja."
"Warum wollen Sie dann neue?"
"Meine Sache."
Er zuckte die Achseln. "Sicher." Dietrich sah sich einen Augenblick lang das Lichtbild auf der Plastikkarte an. Dann sah er auf und grinste.
"Was soll ich mit ihm machen?", fragte der Muskelprotz in meinem Rücken.
Dietrich grinste mich an.
"Ich erinnere mich an Sie."
"Na, wunderbar."
"Sie sehen nicht gut aus."
"Man wird älter."
"Was haben Sie angestellt, dass Sie so eine Schmierenkomödie aufführen müssen?"
"Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten? Dann kann ich ihnen sagen, was ich will und Sie sagen mir, was das kostet."
Dietrich musterte mich eine Weile mit seinen wachen hellbraunen Augen.
"Die Preise sind in den letzten Jahren gestiegen", meinte er.
"Ich erwarte nicht, dass Sie mir Geschenke machen", erwiderte ich kühl.
Dietrich lachte heiser.
"Das sollten Sie auch nicht", murmelte er dann.
"Also gehen wir."
"Und sollten Sie auf die Idee kommen, mir Geld anzudrehen, das irgendwie nicht ganz in Ordnung ist, dann..."
"Ich werde mich an die Spielregeln halten", versicherte ich ihm.
Er nickte, dann wies er mich an, ihm zu folgen. Es ging durch einen engen, halbdunklen Korridor. Dietrich hatte einen ziemlich schnellen Schritt drauf, während ich in meinem Rücken den Atem des Gorillas hörte.
Dann öffnete Dietrich eine Tür, offenbar zu seinem Büro und blieb stehen. Er nickte dem Gorilla knapp zu und ich begriff erst einen Sekundenbruchteil zu spät, was das