Gesammelte Werke . Joseph von Eichendorff

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Gesammelte Werke  - Joseph von Eichendorff


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ich doch nicht, sagte sie scherzend, hab ich dir nicht nicht selber die Halskrause zu der Maske genäht? Ich bemerkte nun wohl, daß sie mich verkannte, konnte aber nicht wissen, für wen sie mich hielt, und ging daher stillschweigend neben ihr her.

      Wir waren indes von der Gesellschaft abgekommen, die Musik schallte nur noch schwach nach, die Beleuchtung ging gar aus, von fern gewitterte es hin und wieder. Warum bist du still? sagte sie wieder. Ich weiß nicht, fuhr sie fort, ich bin heut traurig bei aller Lust, und ich könnte es auch nicht beschreiben, wie mir zumute ist. Aber ihr harten Männer achtet gar wenig darauf. Wir kamen an eine Laube, in deren Mitte eine Gitarre auf einem Tischchen lag. Sie nahm dieselbe und fing an, ein italienisches Liedchen zu singen. Mitten in dem Liede brach sie aber wieder ab. Ach, in Italien war es doch schöner! sagte sie, und lehnte die Stirn an meine Brust. Angelina! rief ich, um sie zu ermuntern. Sie richtete sich schnell auf und lauschte dem Rufe wie einem alten, wohlbekannten Tone, auf den sie sich nicht recht besinnen konnte. Dann sagte sie: Ich bitte dich, singe etwas, denn mir ist zum Sterben bange! Ich nahm die Gitarre und sang folgende Romanze, die mir in diesem Augenblick sehr deutlich durch den Sinn ging:

      Nachts durch die stille Runde

       Rauschte des Rheines Lauf,

       Ein Schifflein zog im Grunde,

       Ein Ritter stand darauf.

      Die Blicke irre schweifen

       Von seines Schiffes Rand,

       Ein blutigroter Streifen

       Sich um das Haupt ihm wand.

      Der sprach: ›Da oben stehet

       Ein Schlößlein überm Rhein,

       Die an dem Fenster stehet:

       Das ist die Liebste mein.

      Sie hat mir Treu versprochen,

       Bis ich gekommen sei,

       Sie hat die Treu gebrochen,

       Und alles ist vorbei.‹

      Ich bemerkte hier bei dem Scheine eines Blitzes, daß Angelina heftig geweint hatte und noch fortweinte. Ich sang weiter:

      Viel Hochzeitleute drehen

       Sich oben laut und bunt,

       Sie bleibet einsam stehen,

       Und lauschet in den Grund.

      Und wie sie tanzen munter,

       Und Schiff und Schiffer schwand,

       Stieg sie vom Schloß herunter,

       Bis sie im Garten stand.

      Die Spielleut' musizierten,

       Sie sann gar mancherlei,

       Die Töne sie so rührten,

       Als müßt' das Herz entzwei.

      Da trat ihr Bräut'gam süße

       Zu ihr aus stiller Nacht,

       So freundlich er sie grüßte,

       Daß ihr das Herze lacht.

      Er sprach: ›Was willst du weinen,

       Weil alle fröhlich sein?

       Die Stern' so helle scheinen,

       So lustig geht der Rhein.

      Das Kränzlein in den Haaren

       Steht dir so wunderfein,

       Wir wollen etwas fahren

       Hinunter auf dem Rhein.‹

      Zum Kahn folgt' sie behende,

       Setzt' sich ganz vorne hin,

       Er setzt' sich an das Ende

       Und ließ das Schifflein ziehn.

      Sie sprach: ›Die Töne kommen

       Verworren durch den Wind,

       Die Fenster sind verglommen,

       Wir fahren so geschwind.

      Was sind das für so lange

       Gebirge weit und breit?

       Mir wird auf einmal bange

       In dieser Einsamkeit!

      Und fremde Leute stehen

       Auf mancher Felsenwand,

       Und stehen still und sehen

       So schwindlig übern Rand.‹

      Der Bräut'gam schien so traurig

       Und sprach kein einzig Wort,

       Schaut in die Wellen schaurig

       Und rudert immerfort.

      Sie sprach: ›Schon seh ich Streifen

       So rot im Morgen stehn,

       Und Stimmen hör ich schweifen,

       Am Ufer Hähne krähn.

      Du siehst so still und wilde,

       So bleich ist dein Gesicht,

       Mir graut vor deinem Bilde

       Du bist mein Bräut'gam nicht!‹

      Ich bitte dich um Gottes willen, unterbrach mich hier Angelina dringend, nimm die Larve ab, ich fürchte mich vor dir. Laß das, sagte ich abwehrend, es gibt fürchterliche Gesichter, die das Herz in Stein verwandeln, wie das Haupt der Medusa. Ich hatte fast zu viel gesagt und griff rasch wieder in die Saiten:

      Da stand er auf das Sausen

       Hielt an in Flut und Wald

       Es rührt mit Lust und Grausen

       Das Herz ihr die Gestalt.

      Und wie mit steinern'n Armen

       Hob er sie auf voll Lust,

       Drückt ihren schönen, warmen

       Leib an die eis'ge Brust.

      Licht wurden Wald und Höhen,

       Der Morgen schien blutrot,

       Das Schifflein sah man gehen,

       Die schöne Braut drin tot.

      Kaum hatte ich noch die letzte Strophe geendigt, als Angelina mit einem lauten Schrei neben mir zu Boden fiel. Ich schaue ringsum und erblicke mein eigenes, leibhaftiges Konterfei im Eingange des Bosketts: dieselbe schwarze Rittermaske, die nämliche Größe und Gestalt. Laß mein Weib, verführerisches Blendwerk der Hölle! rief die Maske außer sich, und stürzte mit blankem Schwerte so wütend auf mich ein, daß ich kaum Zeit genug hatte, meinen eigenen Degen zu ziehn. Ich erstaunte über die Ähnlichkeit seiner Stimme mit der meinigen, und begriff nun, daß mich Angelina für diesen Mann gehalten hatte. In der Bewegung des Gefechtes war ihm indes die Larve vom Gesicht gefallen, und ich erkannte mit Grausen den fürchterlichen Unbekannten wieder, dessen Schreckbild mich durchs ganze Leben verfolgt. Mir fiel die Prophezeiung ein. Ich wich entsetzt zurück, denn er focht unbesonnen in blinder Eifersucht und ich war im Vorteil. Aber es war zu spät, denn in demselben Augenblicke rannte er sich wütend selber meine Degenspitze in die Brust und sank tot nieder.

      Mein dunkler, wilder, halb unwillkürlicher Trieb war nun erfüllt. Finsterer, als die Nacht um mich, eilte ich den Garten hinab. Ein Kahn stand unten am Ufer des Stromes angebunden. Ich stieg hinein und ließ ihn den Strom hinabfahren. Die Nacht verging, die Sonne ging auf und wieder unter, ich saß und fuhr noch immerfort.

      Den andern Morgen verlor sich der Strom zwischen wilden, einsamen Wäldern und Schlüften. Der Hunger trieb mich ans Land. Es war diese Gegend hier. Ich fand nach einigem Herumirren das Schloß, das ihr gesehen. Ein alter, verrückter Einsiedler wohnte damals darin, von dessen früherem Lebenslaufe ich nie etwas erfahren konnte. Es gefiel mir gar wohl in dieser Wüste und ich blieb bei ihm. Kurze Zeit darauf starb der Alte und hinterließ mir seine alten Bücher, sein verfallenes Schloß und eine Menge Goldes in den Kellern. Ich hätte nun wieder in die Welt zurückkehren können mit dem Schatze zum allgemeinen Nutzen und Vergnügen. Aber ich passe nirgends mehr in die Welt hinein. Die Welt ist ein großer, unermeßlicher Magen und braucht leichte,


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