Musikeinsatz im Französischunterricht. Andreas Rauch

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Musikeinsatz im Französischunterricht - Andreas Rauch


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Lernprozess aufweist. Für die Philanthropen erfolgt dieses imitative, nachahmende Lernen durch den bloßen Gebrauch2 und auf angenehme, natürliche und spielerische Weise. Das Spiel im Unterricht ist für Basedow und Wolke zentral und bildet eine naturgemäße Form des Lernens.3 Dabei spielt die phonetisch-artikulatorische Komponente eine elementare Rolle. Der Zweitspracherwerb orientiert sich an der evolutiven Entwicklung des Erstspracherwerbs:

      Man mache den Kindern nur Lust zur Aufmerksamkeit […]. Zuerst gewöhnt sich das Ohr zu den Tönen; hernach erhalten dieselben anfangs eine schwankende und etwas unrichtige, mit der Zeit aber eine festere und richtigere Bedeutung […]. Unterredet euch nur fleißig mit der Jugend von sinnlichen Dingen, die ihr angenehm sind; sorget nur, dass eine gewisse Anzahl Wörter in der ersten, eine andere in der zweiten Woche herrschen; alsdann wird die Fähigkeit, euch zu verstehen, unfehlbar anwachsen, die Jugend wird euch nachahmen wollen, besonders dann, wenn ihr sie für die geringste Bemühung rühmet.4

      Wolke zeigt die natürliche, kindgemäß-spielerische Anwendung der Sprache in seiner Anweisung für Muetter und Kinderlehrer […] anhand einer Musikmetapher: Die menschliche Stimme wird als Instrument charakterisiert, dessen vielseitige Verwendung die Schüler zunächst aufmerksam beobachten sollten, um dann auf ihm zu spielen und es zu meistern und zu beherrschen. Das funktioniert aber nur in täglicher Übung. Diese naturgemäße Lernmethode zeigt die natürliche, menschliche Stimme als „Tonwerkzeug“:

      Der Lerning werde veranlaßt, zu hoeren und zu bemerken, wie Jemand singt, anstimt, die Toene schleift, trillert; wie er jubelt, groelet, juchet, jucheiet, jauchzet; wie er lullet oder trallallet; wie er laut lacht […]; wie Jemand mit der Zunge klackt oder schnalzet […].5

      Wie Basedow nutzte Wolke im Rahmen seines Anschauungsunterrichts6 Realia, die einen Sachunterricht anhand eines „Schulkabinet[s] von Nachahmungen sinnlicher Gegenstände in Modellen und Kupferstichen […]“7 ermöglichte. Es wurden meist die Kupferstiche Chodowieckis verwendet. Dabei sollte der Fremdsprachenunterricht nahezu ausschließlich in der Fremdsprache stattfinden. Diese Versinnlichungsmethode8 wurde von Basedow theoretisch begründet und Wolke setzte sie in seinem Französisch- und Lateinunterricht erfolgreich in die Praxis um. Es handelt sich um eine ganzheitlich-holistische Methode, bei der die Einsprachigkeit des Unterrichts (in der Fremdsprache) im Vordergrund steht. Im Französischunterricht von Wolke erfährt das Einsprachigkeitsprinzip eine psychologische Rechtfertigung und bereitet den Weg zur Anschauungsmethode der neusprachlichen Reformbewegung. Wolke argumentiert, dass

      bei deutschsprachigen Worterklärungen […] neu eingeführte französische Wörter nicht aufmerksam und nicht bewußt genug wahrgenommen [werden würden], da der Text allzu transparent sei […]. Daher schenke der Schüler sowohl der Aussprache als auch der Bedeutung des französischen Wortes zuwenig Aufmerksamkeit.“9

      Wolkes psychologische Reflexionen nehmen schon en germe einige Elemente der méthode directe des ausgehenden 19. Jahrhunderts vorweg. Marcus Reinfried hat nachgewiesen, dass die Versinnlichungsmethode der Dessauer Philanthropen aber nicht als eine direkte Methode bezeichnet werden kann, da zu deren Charakteristika nach Christian Puren10 auch die „Berücksichtigung der altersgemäßen Interessen und Bedürfnisse der Schüler, die Selektion der Vokabeln (Auswahl nach centres d’intérêt) und die Progression der grammatikalischen Strukturen [gehören].“11 Da diese beiden Charakteristika bei den Philanthropen noch keine wichtige Rolle spielen, befindet sich ihre Versinnlichungsmethode „noch auf dem halben Weg zwischen der natürlichen Methode der Gouvernantenpädagogik und der direkten Methode, wie sie sich kurz vor der Jahrhundertwende ergeben hat.“12 Deshalb ist es sensu stricto noch keine direkte Methode.13

      Ernst Christian Trapp, der oft als „Theoretiker der philanthropischen Bewegung“14 bezeichnet wird und einige Jahre lang die erste deutsche Professur für Pädagogik besetzte, gibt in einer Reihe von Schriften eine relativ systematische Darstellung der philanthropischen Unterrichts- und Erziehungsmethode. Trapp lehnt die formale Bildungstheorie ab und orientiert sich an den Realien. Wie alle Philanthropen favorisierte Trapp eine natürliche Sprachenerlernung und folgte Wolkes naturgemäßer Lernmethode nach dem Grundsatz,

      dass man der Natur folgen, die Natur zu Rate ziehen müsse, und (in Bezug auf die Erlernung der Muttersprache) zu untersuchen habe: wie macht es die Natur, dass man eine Sprache ohne kunstmässigen Unterricht lernt? Und wie ist die Natur des Menschen in Rücksicht sowohl auf sein Vermögen, als auf sein Bedürfnis, Sprachen zu lernen, eingerichtet? Mit anderen Worten: wie lernt ein jeder Mensch seine Muttersprache, und wie geht es zu, dass er sie versteht oder spricht?15

      Trapp orientiert sich beim Erlernen einer Fremdsprache vor allem am Erstspracherwerb, also der Sprachverwendung, und leitet daraus ein möglichst frühes Erlernen einer Fremdsprache ab. Es handelt sich um eine kindgemäße, intuitive Methode, die sich an der menschlichen Natur orientiert. Aufgrund des inhärenten „Nachahmungstriebs“ beginnt das Kind nach Trapp zunächst mit der

      Nachbildung gehörter Töne; anfangs geht es schwer; mit dem Erstarken der Sprechorgane wird die Fähigkeit aber grösser, und dann wird das Kind unter den Tönen immer denjenigen wählen, den das jedesmalige Bedürfnis erfordert, wobei vorauszusetzen ist, dass es allmählich gemerkt hat, was für eine Sache mit irgend einem Ton oder Wort bezeichnet wird.16

      Die Ausführungen über das Erlernen der Muttersprache überträgt Trapp auf das Erlernen fremder Sprachen:

      Dass man bei Erlernung fremder Sprachen sorgfältig und so genau als möglich nachahmen müsse, was bei Erlernung der Muttersprache geschieht, wenn man auf dem kürzesten und leichtesten Wege seinen Zweck, das gewöhnliche und gemeinnützige Verstehen und Anwenden fremder Sprachen, erreichen will.17

      Danach schließt sich das Vorsprechen der fremden Worte in ähnlicher Weise wie die Laute der Muttersprache und deren Nachahmung an.18 Neben den phonetisch-artikulatorischen Übungen der Philanthropen wurde auch gesungen, das lässt sich indirekt aus Trapps Versuch einer Pädagogik ableiten. Im Abschnitt III. Vom Unterricht erklärt Trapp die spielerische Vermittlung des Einmaleins, das mit entdeckendem Lernen und Belohnung verbunden wird:

      Die Ziffern lernen die Kinder zugleich mit den Buchstaben. Hier laeßt sich die Versinnlichung leicht anbringen. Man schreibt jede Ziffer auf ein Zettelchen und laeßt das Kind aus einer Ecke […] Nuesse, Rosinen, Mandeln u. d. gl. holen, so viel als die auf dem Zettel stehende Ziffer anzeigt. Fehlt das Kind, so verliert es eine Nuß; bringt es die rechte Zahl, so gewinnt es eine. Es scheint, daß man auf diese Art in einem Nachmittage die Kinder die Ziffern von 1 bis 20 lehren koenne. Das Einmaleins scheint am besten so gelernt werden zu können, daß man, wenn z. B. von zweimal zwei bis zweimal zehn gelernt werden soll, neun Haufen von Nuessen, Kirschensteinen u. d. gl. mache, deren jeder zwei Abtheilungen habe. In jeder Abtheilung des ersten Haufens liegen zwei; in jeder Abtheilung des zweiten Haufens liegen drei u. s. f. Nun laeßt man die Kinder die Einheiten beider Abtheilungen zusammen zaehlen, und fragt sie jedesmal: Wie viel macht nun zweimal drei, zweimal vier u. s. w. Wann man dis eine Zeitlang getrieben hat, so geht man von Haufen zu Haufen nach der Reihe, und fragt: Zweimal drei macht? Zweimal vier macht? u. s. w. Wer es ohne Fehler weiß, bekoemmt eine Rosine zur Belohnung. Wie bald sich das in Musik gesetzte Einmaleins singend erlernen lasse, weiß ich aus Mangel der Erfahrung nicht zu bestimmen.19

      Diese Textpassage gilt für Schmeck als Beweis für den Musikeinsatz im (Fremdsprachen-) Unterricht:

      Übrigens haben die Philanthropisten das Singen in ihrem Unterrichte auch schon zu Hülfe genommen. […] Die Anwendung dieses Huelfsmittels [des gesungenen


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