Übersetzungstheorien. Radegundis Stolze

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Übersetzungstheorien - Radegundis Stolze


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Gefahr, durch den stilistischen Eingriff gegen das Gesetz der sinngetreuen Wiedergabe zu verstoßen. Mit Recht setzt gerade bei den fakultativen Transpositionen deshalb die ÜbersetzungskritikÜbersetzungskritik an.“

      „Obligatorische Transpositionen“ treten bei lexikalischen Lücken oder grammatischen Strukturdivergenzen im betreffenden SprachenpaarSprachenpaar auf, vgl. „servitude grammaticale“ (VINAYVinay/Darbelnet/DARBELNET 1958:31). Beispiel:

a victimless crimeein Verbrechen, bei dem außer dem Täter selbst niemand zu Schaden kommt (*opferloses Verbrechen)
Vermassungloss of one’s identity (individuality) in society
Zersiedelunghaphazard (uncontrolled) building activity in rural areas

      5. modulation, équivalence, adaptation (inhaltliche Perspektivenverschiebungen) bewirken unterschiedliche semantische Abstände zwischen dem ausgangs- und zielsprachlichen Textsegment. „Dabei bezeichnet modulation einen Wechsel der Blickrichtung (changement de point de vue), équivalence das Ersetzen einer ausgangssprachlichen SituationSituation durch eine kommunikativ vergleichbare zielsprachliche Situation, und adaptation die textuelle Kompensation von soziokulturellen Unterschieden zwischen ausgangssprachlicher und zielsprachlicher Sprachgemeinschaft“ (WILSSWilss 1977:116).

      Eine ModulationModulation stellt beispielsweise der Wechsel von Denkkategorien in bildlichen Tiervergleichen dar:

Ich bekomme eine Gänsehaut>fr. J’ai la chair de poule.
Er ist arm wie eine Kirchenmaus>fr. Il est pauvre comme un rat d’église.

      Eine équivalence erfolgt vielfach beim Ersetzen von Grußformeln oder Sprichwörtern:

dt. „Guten Appetit!“>e. „Enjoy your meal!“ „Have a nice meal!“
fr. „A bon entendeur, salut!“>dt. „Wer Ohren hat, der höre!“

      Vgl. auch WILSSWilss (1992:39): „So entspricht den deutschen Verbalstereotypen ‘Guten Appetit!’ und ‘Gute Besserung!’ im arabischen Kulturraum ‘Möge Gott Dich sättigen!’ und ‘Möge Gott Dir Gesundheit schenken!’“

      Sehr viele solcher interlingualen Entsprechungen sind mittlerweile in den Wörterbüchern dokumentiert. Dadurch sollten Übersetzungsprobleme bei konkreten Texten vorhergesehen und den Lernenden Anweisungen zu deren Lösung angeboten werden.

      Wegen der nicht ganz klaren Abgrenzung der TerminiTermini in der Stylistique comparéeStylistique comparée schlägt WILSSWilss (1977:121) ein hierarchisches Anordnungsprinzip vor, welches die kategorialen Verhältnisse durchsichtiger macht:

      5.2 Umsetzungsprozeduren (JumpeltJumpelt)

      Als einer der ersten Vertreter einer linguistisch orientierten ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft im deutschen Sprachraum wird häufig auch Rudolf W. JUMPELTJumpelt (1961) genannt, der die Übersetzung als „Gegenstand der SprachwissenschaftSprachwissenschafts. Linguistik“ sieht. Seines Erachtens ist die TextgattungTextgattung der Hauptfaktor, welcher „alle Kriterien (d.h. Übersetzungsprinzipien und -verfahren) bestimmt“ (1961:24). Dazu unterscheidet er sechs „Übersetzungsgattungen“1Jumpelt. Die naturwissenschaftlich-technische Übersetzung, mit der er sich als einer Art der „pragmatischen Übersetzungsgattung“ besonders befasst, muss „primär die Inhalte der Aussagen wiedergeben“ (1961:26).

      JUMPELTJumpelt analysiert und beschreibt im Hauptteil seines Buches die Bedingungen, Probleme und Verfahren der „Herstellung von inhaltlicher Invarianz“ (s. Kap. 4.2). Er konzentriert sich auf die Beschreibung jener „Umsetzungsprozeduren“, die beim sprachenpaarbezogenen ÜbersetzenÜbersetzen aus einer bestimmten Einzelsprache in eine andere Einzelsprache „mit einer gewissen Zwangsläufigkeit oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wiederkehren“ (1961:175). Ausführlich geht er auf die „Umsetzungsprozeduren“ der ModulationModulation und der TranspositionTransposition ein.

      Unter dem Phänomen der ModulationModulation werden inhaltliche Verschiebungen folgender Art verstanden: Während es beim dt. Verb sich verziehen (von Material) keine Rolle spielt, in welcher Richtung die Bewegung verläuft, muß sich der ÜbersetzerÜbersetzer im Engl. entscheiden, ob es sich um to warp handelt (Bewegung in allen Richtungen) oder um to twist (nur in diagonaler Richtung) (1961:72).

      Transpositionen sind dagegen die grammatischen Veränderungen, die notwendig sind, um inhaltliche Invarianz zu gewährleisten. Man versteht darunter die Erscheinung, daß bestimmte Wortarten oder grammatische Kategorien der AS in der ZS durch andere ersetzt werden (196:87).

      JUMPELTJumpelt (1961:87;94;101) nennt Beispiele für Transpositionen in Übersetzungen Englisch-Deutsch:

      As the pressure increases → mit dem Ansteigen des Drucks (e. Verb → dt. Subst.);

      Thoroughly mix the solution by running the pump to circulate the mixture with the feed-cock closed → Die Lösung gründlich durchmischen, indem man die Pumpe bei geschlossenem Hahn laufen läßt (e. ing-FormForm –> dt. finite Konstruktion).

      muscular activityMuskeltätigkeit, electrical engineerElektroingenieur

      (e. Adj.+Subst. → dt. Zusammensetzung) .

      In weiteren Kapiteln analysiert JUMPELTJumpelt die Zuordnungen im Bereich „komplexer Sinneinheiten“ (Ableitungen, Zusammensetzungen, Wortgruppen) und im Bereich der „fachsprachlichen Terminologien“. Anhand vieler Wortbeispiele verweist er auf die potentiellen Äquivalente im lexikalischen Bereich (s. Kap. 4.3), behandelt aber auch syntaktische und formale Aspekte: 1. Wortstellung (wo im Deutschen mehr Freiheit herrscht als in anderen Sprachen), 2. den Stil der Übersetzung (es gibt verschiedene Funktionalstile), 3. Eigen- und Markennamen, sowie 4. Akronyme und Abkürzungen, was v.a. in Fachübersetzungen relevant ist. JUMPELT versäumt es auch nicht, auf subjektive Komponenten wie Autor, Leser, Verstehen, Sprachgefühl und Automatismus hinzuweisen.

      JUMPELTJumpelt untersucht Bedingungen und Erscheinungen, die objektivierbar und verallgemeinerbar sind und somit als „Gesetzmäßigkeiten des Übersetzens“ beschrieben werden können, jedoch eingeschränkt auf naturwissenschaftlich-technische Texte. Daher hat sein Beitrag wohl mehr BedeutungBedeutung gehabt für die Beschreibung solcher Texte als für die Entwicklung einer ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie. Die von JUMPELT analysierten „Gesetzmäßigkeiten“ sind nicht so sehr syntaktischer Natur, sondern beziehen sich insbesondere auf die „Benennungsgrundsätze“ (Wortbildung und Anwendung von TerminiTermini).

      Die naturwissenschaftlich-technische Übersetzung ist nach Meinung JUMPELTS darum einer Objektivierung leichter zugänglich, weil eine Reihe von den die Übersetzung bestimmenden Variablen und Faktoren konstant ist, bzw. weil deren sprachlich-textuelle Auswirkungen regelhaft erscheinen:

      1 Das übergeordnete Übersetzungsprinzip ist eindeutig: Es handelt sich um die Forderung nach inhaltlicher (denotativer) Äquivalenz.

      2 Die Variationsbreite im syntaktischen Bereich ist eingeschränkt, denn die Syntax der technisch-wissenschaftlichen Sprache folgt einer relativ begrenzten Zahl von Mustern.

      3 Die Variationsbreite im lexikalischen Bereich ist eingeschränkt durch die Terminologisierung.

      4 Die Variationsbreite im individualstilistischen Bereich ist stark eingeschränkt durch relativ feste Gebrauchsnormen.

      5 Der Empfängerbezug stellt im allgemeinen kein grundsätzliches Problem dar: Die Übersetzungen naturwissenschaftlich-technischer Texte richten sich in der ZS im Allgemeinen an Leser, deren Wissens- und Verstehenshintergrund mit dem der Adressaten der Originalfassung vergleichbar ist.

      Ein Problem der sprachenpaarbezogenen


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