Textlinguistik. Группа авторов

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Texten verwendeten sprachlichen Strukturen mit Blick auf die kommunikativen Gegebenheiten der Äußerung beschreiben (zu pragmatischen und kommunikativ-kognitiven Ansätzen in der Textlinguistik vgl. ausführlich auch Kap. 5).

      3.2.1 Kommunikativ-kognitive Textauffassung und textgrammatische Beschreibung

      Gegenstand von Systemgrammatiken mit ihren Regeln der Wohlgeformtheit sind die Normen der Standardsprache – bei Coseriu (1988: 52f.) auch „exemplarische Sprache“. Diese Normen stellen eine Abstraktion bzw. Idealisierung einer „üblichen“ oder „normalen“ Realisierung dar. Sie sind weitgehend habitualisiert und konventionalisiert und können daher als Grundlage für den breiten öffentlichen Sprachverkehr betrachtet werden.

      Traditionell steht die Beschäftigung mit der paroleparole mehr oder minder neben der so genannten Systemlinguistik. Diese zwei Seiten der sprachwissenschaftlichen Forschung gehen zurück auf Saussure (vgl. 1967: 20ff.), nach dessen Auffassung die rein gesellschaftliche und vom Individuum unabhängige Sprache (die languelangue) von der individuellen Seite des Sprechens (der parole) zu trennen ist. Nach dem Modell von Saussure liegt alles Regelhafte und Soziale allein in der langue, während es in der parole nichts Kollektives bzw. Soziales gibt. Die parole sei rein individuell und überdies nebensächlich und mehr oder weniger zufällig. In der Grammatiktheorie ist daher die Ansicht verbreitet, dass mit der Untersuchung des Sprachgebrauchs nur deformierende Performanzphänomene in die linguistische Forschung „eingeschleppt“ werden. Eine sprachliche Ordnung außerhalb der Systemgrammatik wird quasi ausgeschlossen.

      

Die strukturellen Gesetzmäßigkeiten einer Sprache ungeprüft an den präskriptiven Normen des schriftsprachlichen Standards festzumachen bedeutet aber, dass die Möglichkeit strukturell signifikanter Daten außerhalb der kodifizierten Norm von vornherein ausgeschlossen wird. Dies scheint nach mehreren Jahrzehnten variationslinguistischer Forschung nicht haltbar. Deshalb muss es auch auf der grammatischen Beschreibungsebene künftig darum gehen, Regelhaftigkeiten des Sprachgebrauchs herauszuarbeiten. Erst auf dieser Grundlage wird es möglich sein zu ermessen, ob und inwieweit der faktische Sprachgebrauch den strukturellen Gesetzmäßigkeiten einer Sprache entspricht.

      

Die Auswahl der sprachlichen Mittel in einer beliebigen Textsorte (= Sprachgebrauch) wird zu einem bestimmten Anteil immer der Standardnorm entsprechen. Daneben können für die Textsorten-Norm aber auch Abweichungen vom „Üblichen“, von der Standardnorm, durchaus ganz charakteristisch sein. Dies ist überall dort möglich, wo das System eine Reihe von fakultativen Realisierungsvarianten zulässt, und gilt keineswegs nur für den Bereich der MündlichkeitMündlichkeit, sondern ausdrücklich auch für zahlreiche geschrieben realisierte Textsorten wie z.B. Anzeigentexte, Kochrezepte, Lexikoneinträge usw. Das lässt den Begriff der Standardnorm in einem kritischen Licht erscheinen, und zwar aus dreierlei Gründen:

      1 Es wird niemand auf die Idee kommen, etwa Lexikoneinträgen wegen des Fehlens wohlgeformter Sätze ihre Standardsprachlichkeit abzusprechen:(3–4) Oldenburger, eine Pferderasse in Dtld.; früher starkes, schweres, leistungsfähiges Zug- und Arbeitspferd; durch Einkreuzung von Englischem Vollblut und Trakehner Hengsten in den letzten Jahrzehnten Umzüchtung zu einem erfolgreichen, ausdauernden, athletischen Sportpferd. (Der Knaur. Universallexikon. Band 10. München 1991 [21993], S. 3732)

      2 Insofern ist der Terminus Standardnorm irreführend. Es handelt sich vielmehr um die in Grammatiken kodifizierte Norm, die idealisiert und zur so genannten Standardnorm erhoben wurde.Es ist erkennbar, dass die standardsprachliche Norm keineswegs mit der schriftsprachlichen Norm gleichzusetzen ist, sondern lediglich mit der Norm bestimmter, nicht explizit genannter Textsorten.

      3 Zuzustimmen ist auch Henn-Memmesheimer (1986: 7), dass die Auswahl der Muster, die als Standard gelten und infolgedessen Eingang in Standardgrammatiken finden, vom Standpunkt des Systems her betrachtet eher „zufällig“ ist: „Als zusammenfassende Bezeichnung der Menge der standardisierten Muster wird der Terminus Standardvarietät gewählt, um Standard zu kennzeichnen als eine – wie auch immer, unter welchen Einflüssen entstandene – Norm innerhalb des Systems deutsche Sprache.“ (Henn-Memmesheimer 1986: 7; Hervorhebungen Ch. G./F. J.)

      Insofern wird immer nur ein Ausschnitt aus dem Sprachsystem dargestellt, weshalb auch die Bezeichnung Systemgrammatik im Grunde nicht korrekt ist. Voraussetzung für eine wirkliche Systemgrammatik wäre eine Analyse des Sprachgebrauchs, die auch unorthodoxe Phänomene nicht von vornherein als reine Performanzerscheinungen abtut.

      Quintin schlägt deshalb vor, solche Phänomene nicht mehr nur als halbwegs tolerierbare Extensionen eines strikt gefassten Einheitsprinzips zu betrachten, „sondern als Ausdruck eines an sich offenen Systems, dessen Potenzial von den Sprechern meistens nur partiell ausgenutzt wird“ (Quintin 1993: 94). Deshalb ist es nachdrücklich zu unterstützen, wenn Coseriu eine radikale Änderung des linguistischen Untersuchungsansatzes vorschlägt, indem das Sprechen zum Maßstab für alle Manifestationen der Sprache gemacht wird:

      Das Sprechen ist nicht von der Sprache her zu erklären, sondern umgekehrt die Sprache nur vom Sprechen. Das deswegen, weil Sprache konkret nur Sprechen, Tätigkeit ist und weil das Sprechen weiter als die Sprache reicht […] Daher muß unserer Meinung nach Saussures bekannte Forderung umgekehrt werden: statt auf den Boden der Sprache muß man sich von Anfang an auf den des Sprechens stellen und dieses zur Norm aller anderen sprachlichen Dinge nehmen (einschließlich der Sprache). (Coseriu 1988: 58)

      Ausgangspunkt aller Überlegungen sollten also die Normen des realen Sprachgebrauchs sein, wie sie z.B. in schriftlichen wie mündlichen Textsorten gegeben sind. Die Norm einer Textsorte zeichnet sich dadurch aus, dass von den Möglichkeiten des Sprachsystems regelhaft auf eine ganz spezifische Weise Gebrauch gemacht wird.

      Mit der Orientierung auf den Sprachgebrauch erhält die Grammatik nun eine pragmatische Dimension. Der Terminus PragmatikPragmatik geht zurück auf das semiotische ZeichenmodellZeichenmodell, semiotisches von Charles W. Morris (1938, dt. 1972), in dem das Verhältnis vom Zeichen zum Zeichenbenutzer thematisiert wird (siehe 5.2.1).

      Thema der Pragmatik ist das, was im Sprachgebrauch die Form und/oder die Interpretation sprachlicher Äusserungen regelhaft beeinflusst kraft der Tatsache, dass Sprache in einer Situation und zur Kommunikation, zum sprachlichen Handeln mit anderen, gebraucht wird. Pragmatik hat es demgemäss immer mit dem Verhältnis sprachlicher Äusserungen zu ihrem situativen und kommunikativen Kontext zu tun. (Linke u.a. 52004: 201)

      Primärer Gegenstand der Pragmatik im engeren Sinne sind die Regularitäten des kommunikativen Handelns, weshalb SprechakteSprechakt, PräsuppositionenPräsupposition, ImplikaturenImplikatur, KonversationsmaximenKonversationsmaximeKommunikationsmaximeKonversationsmaxime u.Ä. zentrale pragmalinguistische Kategorien sind (siehe 5.2.2).

      Pragmatik in einem weiteren Sinne betrachtet als ihren Gegenstand übergreifend die Sprache im Gebrauch. Allerdings ist eine so verstandene Pragmatik – bedingt durch die Fixierung auf die geschriebene Sprache und damit im Zusammenhang stehende normierende Grammatikkonzeptionen – erst sehr spät als Arbeitsbereich der Linguistik akzeptiert worden. Dies hat sich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem verstärkten Interesse an der gesprochenen Sprache ganz grundlegend geändert. Ein weiter Pragmatikbegriff gilt inzwischen als Grundlage für eine an der natürlichen Sprache orientierte deskriptive Grammatik. Mehr noch: Es scheint der Weg geebnet für eine „radikale Pragmatisierung der Syntaxschreibung“ (Schlobinski 1997a: 11).

      Dieser Ansatz wurde durch die so genannte modulare Auffassung maßgeblich befördert und im Rahmen des Lunder Forschungsprogramms „Sprache und Pragmatik“ entwickelt (vgl. u.a. Rosengren 1988, Fries 1988 und Motsch/Reis/Rosengren 1989). Die modulare Auffassung besagt, dass Grammatik und PragmatikPragmatik verschiedene Module (möglicherweise auch Mengen von Modulen) sind, wobei „die für das jeweilige Modul (bzw. dessen Submodule) konstitutiven Prinzipien, Einheiten und Regeln […] sich nicht auf konstitutive Prinzipien, Einheiten und Regeln


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