Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Sebastian Miede

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Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe - Sebastian Miede


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des Sprechens die kognitiven Anforderungen der Kompetenz berücksichtigen müssen. Insbesondere in der gymnasialen Oberstufe haben die Lernenden bereits Erfahrungen mit der Fremdsprache gesammelt und werden mit komplexeren und anspruchsvolleren Themen und Formaten konfrontiert. Ein Forschungsdesiderat liegt daher in der Betrachtung der Aufgabenkonzeption und -durchführung von Sprechformaten unter Berücksichtigung der psycholinguistischen Passung. Diese Studie liefert in diesem Zusammenhang neue Fallstudien und bezieht die Resultate aus der empirischen Analyse von Daten auf die bereits bekannten Erkenntnisse zurück.

      2.5.2 Fluency, accuracy & complexity – Dimensionen der fremdsprachlichen Sprechleistung

      Die Faktoren Flüssigkeit (fluency), Korrektheit (accuracy) und Komplexität (complexity) zählen zu den zentralen Kriterien bei der Beurteilung einer Sprechleistung. In diesem Zusammenhang sind sie für die fremdsprachendidaktische Forschung von herausragender Bedeutung und wurden in den letzten Dekaden multiperspektivisch untersucht (Laufer & Nation 1995, Foster & Skehan 1996, DeKeyser 1998, Skehan 1998, Segalowitz 2000, Derwing & Rossiter 2003, Yuan & Ellis 2003, Collentine 2004, Larsen-Freeman 2006, Mora 2006, Norris & Ortega 2009, Spada & Tomita 2010, Robinson 2011). Housen, Kuiken & Vedder heben hervor, dass der Begriff der Korrektheit derjenige sei, der die geringste definitorische Unschärfe aufweise (2012: 4). Hauptsächlich ließe sich mit accuracy der Grad bezeichnen, mit dem eine sprachliche Leistung von einer festgelegten Norm abweiche (ibid). Meist handelt es sich um Abweichungen von der Sprache des native speaker (Pallotti 2009).

      Flüssigkeit (fluency) ist ein in der Literatur uneinheitlich gebrauchter Begriff1. Luoma (2004: 88) schreibt ihm eine allgemeine und eine technische Bedeutung zu und fügt an, dass sich die zweite Dimension noch in weitere aufgliedern ließe. So gehe es in einer engeren technischen Definition des Flüssigkeitsbegriffs um die Beschreibung von Lernersprache und die zugehörigen Determinanten wie pausing, hesitations und speech rates, wohingegen die weiter gefasste Definition annähernd synonym zum Begriff speaking proficiency sei (ibid).

      Komplexität ist ein Begriff, der in der Literatur sehr ambivalent verwendet wird. Mitchell misst ihm viel Bedeutung zu, vermag es aber nicht, ihn klar zu definieren (Mitchell 2009). Buite und Housen zufolge, lässt er sich in zwei Gebrauchsdimensionen aufgliedern: einen relativen und einen absoluten Ansatz. Der relative Ansatz definiere Komplexität in engem Zusammenhang zum Sprecher und bezeichne Sprache als komplex, wenn sie kognitiv anspruchsvoll für den Lernenden sei (Buite & Housen 2012: 23). Dabei bleibe Interpretationsspielraum hinsichtlich dessen, was als kognitiv anspruchsvoll gelte. Schließlich sei dies vom individuellen Lerner abhängig (ibid). Es gibt aber auch Studien, die bestimmte sprachliche Strukturen als tendenziell kognitiv anspruchsvoller ausweisen wie beispielsweise Relativsätze und Passivkonstruktionen (vgl. Diessel 2004, Byrnes & Sinicrope 2008). Der absolute Ansatz sieht den Begriff hingegen losgelöst vom Sprecher und folgert, dass nicht zwangsläufig ein Zusammenhang zwischen der inhärenten Komplexität eines sprachlichen Phänomens und der Schwierigkeit, dieses nachzuvollziehen und korrekt verwenden zu können, bestehe (vgl. Buite & Housen 2012: 24).

      Towell vernetzt die drei Variablen und betrachtet sie aus psycholinguistischer Perspektive. Er resümiert, dass eine in den verschiedenen Facetten erfolgreiche Sprechleistung maßgeblich davon abhänge, wie gut es den Sprechern gelinge, auf ihr sprachliches Wissen in einer Interaktion spontan zuzugreifen und wie schnell es in der Gesprächssituation gelinge, Informationen zu verarbeiten und zu vorhandenem Wissen in Beziehung zu setzen (vgl. Towell 2012: 66). Dabei korreliere jede Variable mit unterschiedlichen Faktoren: Korrektheit sei abhängig davon, dass richtige Informationen in den passenden Speichern abgelegt worden seien, Komplexität stütze sich auf das Vorhandensein von abrufbarem Wissen zur Syntax und Lexis der Zielsprache und Flüssigkeit sei das Produkt dessen, wie gut diese Faktoren zusammenwirken (ibid.).

      Auch in weiteren Studien wurden Synergieeffekte zwischen den Variablen nachgewiesen (Myles 2012, Kuiken & Vedder 2012, Skehan & Foster 2012). Die neurolinguistische Forschung kann in diesem Zusammenhang wertvolle Beiträge dazu leisten, die kognitiven Vorgänge der Lernenden beim Sprachgebrauch in authentischen Situationen nachzuvollziehen. Auch wenn die Perspektiven in diesem Bereich der Mündlichkeitsforschung in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Forschungsdiskurs intensiver ausgelotet wurden (Sambanis 2013, Böttger & Sambanis 2016, Sambanis & Böttger 2017, Sambanis & Arndt 2017, Böttger & Sambanis 2018), handelt es sich noch um eine vergleichsweise junge Disziplin.

      Funk sieht zudem einen Zusammenhang zwischen den kognitiven Vorgängen beim Sprechen und dem Übungsgeschehen im Unterricht:

      Mündliche Kompetenz in ihren beiden Komponenten Korrektheit und sprachliche Flüssigkeit, ist insgesamt das Ergebnis unbewusster Bahnung und nicht bewusster Regelanwendung. (Funk 2014: 43)

      Er fordert daher eine stärkere Fokussierung von Übungsroutinen, die in Form von spielerischen Wiederholungen eine hohe auditive Repräsentanz der zu automatisierenden Strukturen ermöglichten und einen wichtigen Beitrag zur Bewusstmachungen von sprachlichen Mustern und Regelhaftigkeiten leisteten (vgl. Funk 2014: 45). Auf Grundlage bereits existierender Modelle von Nation und Newton (2009), Swain (2005), Gatbonton und Segalowitz (2005) und Murphy (2000) müsse die in der Übungstypologie vorherrschende Fixierung auf kognitiv-konstruktivistische und imitative Verfahren zugunsten eines alle Potenziale einbeziehenden Vorgehens aufgebrochen werden (ibid.). Wie im Englischunterricht, insbesondere der gymnasialen Oberstufe, das Sprechen geübt wird und so eine Grundlage zur Ausbildung zielsprachlicher Flüssigkeit geliefert wird, ist bisher noch zu wenig empirisch erforscht worden. Die vorliegende Arbeit will daher mit ihrer Zentrierung auf die von Lehrkräften verwendeten Formate zum Üben des Sprechens einen Beitrag in diesem Zusammenhang leisten.

      2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe

      2.6.1 Sprechzeit

      Die recht detaillierte Darstellung der Komplexität der beim Sprechen beteiligten kognitiven Vorgänge macht deutlich, dass Sprechkompetenzförderung Zeit benötigt und den Lernern entsprechend Möglichkeiten zum Sprachgebrauch gegeben werden müssen. Gnutzmann (vgl. 2014: 51ff.) betont, dass der Faktor Sprechzeit zu den größten didaktischen Herausforderungen zählt, die mit der Förderung von Sprechkompetenz einhergehen. Dies gilt sowohl für Lernerinnen und Lerner, die gerade erst mit dem Erlernen einer Fremdsprache beginnen, als auch für bereits fortgeschrittene Lerner. Die Schulleistungsstudie DESI stellte 2006 auf Basis videogestützter Daten heraus, dass in deutschen Klassenzimmern eine alarmierende „Sprachlosigkeit“ (Taubenböck 2007: 3) herrscht. In einer durchschnittlichen Unterrichtsstunde spreche die Lehrkraft mit einem Zeitanteil von 51 % mehr als doppelt so häufig wie alle Lerner zusammen (23 %). Die verbleibenden 26 % seien Aktivitäten wie Einzelarbeit zuzuordnen oder gehen auf Faktoren wie Unterrichtsübergänge und Vorbereitung von Medien zurück (vgl. Helmke et al. 2007: 40-41). Auch eine differenziertere Betrachtung der Schülerbeiträge erscheint in diesem Zusammenhang lohnenswert, denn der mithin bereits geringe Sprechanteil der Schüler/innen bestehe zu 6,1 % aus freien Äußerungen in der Muttersprache, zu 19,1 % aus Nachsprechen von Lehreraussagen, zu 26,8 % aus Ablesen von Sprache aus Lehrbuch oder Heft und zu 47,9 % aus freien Äußerungen in der Zielsprache (hier Englisch). Von dem Anteil an freien Äußerungen sei lediglich ein Drittel komplexerer Natur als Ein-Wort-Sätze oder unvollständiger Fragmente (vgl. Taubenböck 2007: 3). Erschwerend kommt hinzu, dass die 23 % Zeitanteil, der auf die Lerner/innen entfällt, nicht alle abdeckt, sondern nur diejenigen, die sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt haben, sei es aus freien Stücken oder aber nach Aufforderung durch die Lehrkraft. Ein nicht unerheblicher Anteil an Lernerinnen und Lernern verwendet während einer durchschnittlichen Unterrichtsstunde die Zielsprache überhaupt nicht in mündlicher Form (DESI-Konsortium 2006).

      Die im Zusammenhang mit der DESI-Studie veröffentlichten Daten erscheinen tatsächlich alarmierend, wenn man sie als repräsentativen Spiegel der unterrichtlichen Praxis betrachten wollte. In diesem Zusammenhang ist aber anzumerken, dass die Studie zwar sehr flächendeckend angelegt ist, jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden sollte, dass keine interaktiven Formate (wie beispielsweise Gruppenarbeiten) untersucht wurden


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