Stolz und Vorurteil & Emma. Jane Austen

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Stolz und Vorurteil & Emma - Jane Austen


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zu Darcy gewandt. »Ob sie schon so groß ist wie ich?«

      »Ich glaube wohl. Sie wird jetzt etwa Miss Bennets Größe haben, vielleicht sogar noch ein wenig mehr.«

      »Wie ich mich darauf freue, sie wiederzusehen! Ich bin noch nie einem Menschen begegnet, von dem ich gleich so eingenommen war. In ihrem Alter schon eine solche Haltung, ein so sicheres Auftreten zu haben — und dazu noch so viel zu können! Ihr Klavierspiel ist wirklich ein Genuss!«

      »Mich wundert es immer wieder«, sagte Bingley, »dass die jungen Mädchen heutzutage die Zeit und die Geduld haben, so viel zu lernen.«

      »So viel zu lernen? Mein lieber Charles, was meinst du damit?«

      »Nun ja, alle können sie doch malen, Lampenschirme basteln und Stricksachen anfertigen. Und damit fängt es erst an — man trifft doch kein junges Mädchen mehr, ohne erfahren zu müssen, was sie alles kann und gelernt hat.«

      »Und leider genügen schon die paar Beispiele, die du da eben aufzähltest, um für gebildet zu gelten«, meinte Darcy. »Nach allgemeiner Auffassung besteht Bildung für Frauen darin, eine Handtasche stricken zu können oder einen Lampenschirm zu beziehen. Aber ich schließe mich ganz entschieden von dieser allgemeinen Auffassung aus. Ich kenne nicht ein halbes Dutzend Damen in meiner ganzen Bekanntschaft, denen ich die Bezeichnung ›gebildet‹ zugestehen würde.«

      »Weiß Gott, ich auch nicht«, bestätigte Caroline.

      »Dann muss nach Ihrer Ansicht eine gebildete Frau über sehr viele Fähigkeiten verfügen«, fiel Elisabeth ein.

      »Ganz richtig, über sehr viele.«

      »Man kann doch niemanden wirklich mit Recht als gebildet bezeichnen«, erläuterte seine Sekundantin, »der nicht bedeutend über dem Durchschnitt steht. Eine Frau muss mindestens gut Klavier spielen, singen, zeichnen und tanzen können und dazu eine gründliche Kenntnis verschiedener Sprachen besitzen, bevor sie als gebildet gelten darf. Und außerdem gehört natürlich noch ein gewisses Etwas in ihrem ganzen Benehmen dazu, in der Art, wie sie geht, wie sie spricht, in der Wahl ihrer Ausdrücke, oh, noch sehr vieles gehört dazu — oder sie darf keinerlei Anspruch auf Bildung erheben!«

      »Das alles gehört dazu«, fügte Darcy hinzu, »und dabei darf der Geist nicht vergessen werden, das Wissen, das durch mannigfaltige Lektüre eine ständige Erweiterung erfahren muss.«

      »Jetzt wundere ich mich nicht mehr darüber, dass Sie kaum sechs gebildete Frauen kennen; eher, dass Sie überhaupt auch nur eine einzige kennen.«

      »Beurteilen Sie Ihre Geschlechtsgenossinnen nicht allzu streng?«

      »Mir ist noch nie eine solche Frau vor Augen gekommen. Ich habe noch nirgends solche Fähigkeiten und solchen Geschmack und Verstand mit einem solchen Talent, wie Sie es fordern, vereint gesehen.«

      Mrs. Hurst und Caroline protestierten laut gegen Elisabeths unberechtigten Zweifel und erboten sich, eine Vielzahl von Bekannten zu nennen, die allen Forderungen entsprächen; aber Mr. Hurst unterbrach sie entrüstet und beklagte sich bitterlich über die Unaufmerksamkeit, die das Spiel aufhalte. Damit fand die Diskussion ihr Ende, und Elisabeth zog sich bald darauf zurück.

      »Lizzy Bennet«, begann Caroline, sobald die Tür sich geschlossen hatte, »gehört zu den jungen Mädchen, die dem anderen Geschlecht zu gefallen versuchen, indem sie ihr eigenes schlecht machen; zweifellos in vielen Fällen eine erfolgreiche Methode, aber dafür nicht weniger verwerflich und verächtlich!«

      »Andererseits«, entgegnete ihr Darcy, an den diese Bemerkung hauptsächlich gerichtet war, »sind alle Methoden, zu denen die Frauen beim Männerfang ihre Zuflucht nehmen, verwerflich und verächtlich. Weil sie alle eine große Ähnlichkeit mit gemeiner Hinterlist haben.«

      Caroline schien durch diese Antwort nicht ganz so befriedigt, wie sie vielleicht gehofft hatte, und so ließ sie denn das Thema fallen.

      Elisabeth kam nach kurzer Zeit wieder herunter: der Zustand ihrer Schwester habe sich verschlimmert, sie könne sie nicht lange allein lassen. Bingley drang darauf, dass Dr. Jones sofort geholt werden solle, während seine Schwestern in der Überzeugung, dass ein Landarzt nicht viel taugen könne, empfahlen, auf schnellstem Wege einen Spezialisten aus London zu rufen. Doch davon wollte Elisabeth nichts hören; sie nahm aber dankbar Bingleys Vorschlag an, und man entschloss sich, Dr. Jones am nächsten Morgen zu holen, falls es Jane dann nicht besser gehen sollte. Bingley war offensichtlich beunruhigt, und seine Schwestern erklärten, untröstlich zu sein. Nach dem Essen bemühten sie sich immerhin, ihren Kummer durch Singen zu beschwichtigen, während ihr Bruder seiner Besorgnis keinen besseren Ausdruck zu geben vermochte, als die Wirtschafterin ständig von neuem zu ermahnen, es der kranken Dame und ihrer Schwester ja an nichts fehlen zu lassen.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Elisabeth wachte fast die ganze Nacht an der Seite ihrer Schwester und hatte am nächsten Morgen die Genugtuung, sowohl dem Hausmädchen, durch das Mr. Bingley sich schon überaus frühzeitig nach Janes Befinden erkundigte, als auch den später nachfragenden Zofen seiner Schwestern eine günstige Antwort erteilen zu können. Trotz dieser Besserung sprach sie jedoch den Wunsch aus, ihre Mutter herbitten zu dürfen, damit sie mit ihrer Erfahrung den Zustand der Kranken prüfen könne. Ein Schreiben dieses Inhalts wurde sogleich nach Longbourn geschickt, und Mrs. Bennet zögerte nicht, der Aufforderung nachzukommen. Kurz nach dem Frühstück war sie schon mit ihren beiden jüngsten Töchtern zur Stelle.

      Es hätte Mrs. Bennet wirklich aufrichtig bekümmert, Jane ernstlich krank zu finden; aber nachdem sie festgestellt hatte, dass zu irgendwelcher Unruhe gar kein Anlass vorlag, war ihr einziger Wunsch, eine endgültige Gesundung möglichst hinauszuschieben, da ja mit der Krankheit auch der Aufenthalt auf Netherfield ein Ende finden würde. Sie schlug daher ihrer Tochter den Wunsch, nach Hause gebracht zu werden, rundweg ab; und auch der Arzt, der bald nach ihr eingetroffen war, riet, es nicht zu tun. Nachdem sie Jane eine kleine Weile Gesellschaft geleistet hatten, folgten Mrs. Bennet und ihre drei Töchter Carolines Einladung, ins Wohnzimmer herunterzukommen: Bingley empfing sie, indem er die Hoffnung aussprach, sie möge ihre Tochter nicht schlimmer vorgefunden haben, als den Umständen nach zu erwarten gewesen sei.

      »Leider doch, Mr. Bingley«, war die Antwort. »Sie ist nicht kräftig genug, um aufzustehen. Dr. Jones meinte, an eine Heimfahrt sei noch gar nicht zu denken. Wir müssen Sie also leider bitten, Ihre Gastfreundschaft noch etwas länger in Anspruch zu nehmen.«

      »Heimfahrt!« rief Bingley aus. »Natürlich kann davon keine Rede sein. Meine Schwester hätte sich dem sowieso aufs Bestimmteste widersetzt!«

      »Sie können sich darauf verlassen, gnädige Frau«, sagte Caroline so kalt, wie die Höflichkeit es ihr gerade noch erlaubte, »Ihre Tochter wird mit aller erdenklichen Liebe gepflegt werden, solange sie bei uns auf Netherfield bleibt.«

      Mrs. Bennet war überschwänglich in ihren Dankesäußerungen.

      »Ich wüsste gar nicht«, schloss sie, »was ich ohne Ihre Freundlichkeit tun sollte. Jane fühlt sich sehr elend und leidet schrecklich darunter, wenn sie es auch mit der größten Geduld von der Welt zu ertragen versteht. So ist sie immer gewesen, denn sie hat einen der liebenswertesten Charaktere, den ich mir vorstellen kann. Wie oft sage ich zu meinen anderen Töchtern: nehmt euch ein Beispiel an ihr! Aber Ihre Zimmer sind ganz entzückend, Mr. Bingley, und diese Aussicht auf den Garten ist wirklich reizend. Ich kenne keinen Landsitz, der sich mit Netherfield messen könnte. Sie werden uns doch nicht so bald wieder verlassen wollen, hoffe ich; ich hörte, Sie haben nur für so kurze Zeit gemietet.«

      »Ich tue nun einmal alles so plötzlich«, erwiderte Bingley. »Sollte es mir einfallen, Netherfield verlassen zu wollen, dann würde ich wahrscheinlich innerhalb von fünf Minuten schon fort sein. Im Augenblick fühle ich mich jedoch sehr sesshaft hier.«

      »Gerade so habe ich Sie eingeschätzt«, sagte Elisabeth.

      »Sie


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