Stolz und Vorurteil & Emma. Jane Austen

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Stolz und Vorurteil & Emma - Jane Austen


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zu erholen begann. Nach dem Abendessen saßen alle wieder im Wohnzimmer. Darcy schrieb, Caroline saß neben ihm und unterbrach ihn von Zeit zu Zeit mit der Bitte, Grüße an seine Schwester von ihr auszurichten; Mr. Hurst und Bingley spielten eine Partie Piquet, und Mrs. Hurst sah ihnen dabei zu.

      Elisabeth nahm sich eine Handarbeit vor und vergnügte sich damit, Darcy und Caroline zu beobachten. Die ständigen Bemerkungen Carolines, die sich bald auf seine Schrift, bald auf die Geradheit seiner Zeilen, dann wieder auf die Länge des Briefes bezogen, und die ungerührte Gleichgültigkeit, mit der er diese Bemerkungen anhörte, ergaben ein komisches Zwiegespräch, das gut mit ihrer Meinung von den beiden übereinstimmte.

      »Wie wird sich Ihre Schwester über den Brief freuen!«

      Keine Antwort.

      »Sie schreiben ungewöhnlich schnell!«

      »Im Gegenteil, ich schreibe äußerst langsam.«

      »Wieviele Briefe Sie wohl im Laufe eines Jahres schreiben! Und überdies noch Geschäftsbriefe! Wie ich so etwas verabscheue!«

      »Dann trifft es sich ja sehr günstig, dass nicht Sie, sondern ich sie schreiben muss.«

      »Bitte bestellen Sie Ihrer Schwester, dass ich es nicht erwarten kann, sie wiederzusehen!«

      »Ich habe ihr das gerade eben mitgeteilt.«

      »Ich glaube, Ihre Feder ist gespalten. Geben Sie her, ich werde sie Ihnen zurechtschneiden. Das kann ich ganz besonders gut!« »Vielen Dank — ich schneide mir meine Federn lieber selbst.« »Wie können Sie nur immer so ebenmäßig schreiben?« Schweigen.

      »Sagen Sie Ihrer Schwester, dass ich mich furchtbar freue, zu hören, dass sie sich weiter im Harfenspiel vervollkommnet hat. Und lassen Sie sie bitte wissen, dass ich ganz entzückt bin von ihrem kleinen Entwurf für eine Tischdecke; ich fände ihn Miss Grantleys Arbeit weit überlegen.«

      »Würde es Ihnen wohl viel ausmachen, wenn ich Ihr Entzücken für einen späteren Brief aufhebe? Ich habe jetzt nicht mehr genug Platz, um ihm ganz gerecht zu werden.«

      »Ach, das macht nichts. Ich werde sie ja im Januar selbst treffen. Aber schreiben Sie ihr immer so lange und so reizende Briefe?«

      »Lang werden sie meistens; aber ob auch reizend, kann ich natürlich nicht beurteilen.«

      »Für mich gilt es als ausgemacht, dass jemand, der aus dem Handgelenk so lange Briefe verfassen kann, unmöglich schlechte Briefe schreibt.«

      »Als Kompliment war das schlecht gewählt, Caroline!« rief ihr Bruder herüber. »Darcy schreibt durchaus nicht aus dem Handgelenk. Er überlegt immer viel zu lange und sucht stets nach besonders schönen Ausdrücken. Hab’ ich nicht recht, Darcy?«

      »Jedenfalls sind unsere Briefe sehr verschieden.«

      »Ach«, protestierte Caroline, »Charles schreibt schrecklich unordentlich; er lässt Worte aus, und andere streicht er wieder durch.«

      »Ja, meine Gedanken folgen einander so schnell, dass ich gar nicht die Zeit habe, sie alle zu Papier zu bringen; deshalb werden die Empfänger auch selten klug aus meinen Briefen!«

      »Ihre bescheidene Selbstkritik ist entwaffnend, Mr. Bingley«, warf Elisabeth ein.

      »Nichts könnte verkehrter sein, als einen Menschen nach seiner Bescheidenheit beurteilen zu wollen«, sagte Darcy. »Im allgemeinen weist sie auf nichts anderes als auf mangelndes Selbstbewusstsein hin, und häufig ist sie bloß ein Prahlen mit umgekehrtem Vorzeichen.«

      »Und zu welcher von beiden Gattungen zählst du mein bisschen Bescheidenheit?«

      »Zur Prahlerei. Du bildest dir nämlich in Wirklichkeit etwas ein auf dein unordentliches Geschreibsel, da du im stillen meinst, das rühre von dem schnellen Wechsel deiner Gedanken her, und da du im übrigen eine solche Flüchtigkeit für recht interessant hältst. Etwas schnell zu erledigen reizt immer mehr, als etwas in Ruhe zu vollenden. Als du heute morgen Mrs. Bennet gegenüber behauptetest, du würdest Netherfield, wenn du erst dazu entschlossen wärst, innerhalb von fünf Minuten verlassen, da wolltest du dich damit einer löblichen Eigenschaft rühmen; aber was ist schon lobenswert an einer Hast, die notwendig alles unerledigt lassen muss und die weder dir selbst noch sonst jemandem einen Vorteil bringt?«

      »Hör’ auf!« rief Bingley. »Das ginge doch zu weit, wollte man sich an jedem Abend der törichten Dinge erinnern, die man am Morgen dahergeredet hat. Aber auf Ehre, ich meinte, was ich sagte, und ich meine es immer noch. Ich hab mit meiner Hast wirklich nicht lediglich geprahlt, um einen Eindruck auf die Damen zu machen.«

      »Ich glaube dir schon, dass du meinst, was du sagst. Aber das überzeugt mich noch lange nicht, dass du tatsächlich so im Handumdrehen losziehen würdest, wie du angibst. Ich weiß, dass du dich dabei genau so von irgendeinem zufälligen Ereignis leiten lassen würdest wie jeder andere Mensch. Wenn du schon auf dem Pferde säßest und ein Freund sagte zu dir: ›Bingley, bleib lieber noch eine Woche‹, dann würdest du höchstwahrscheinlich vom Pferd steigen und noch einen Monat bleiben.«

      »In Ihren Augen ist es danach keine gute Eigenschaft, den Bitten eines Freundes ohne viel Fragen nachzugeben?«

      »Es spricht für keinen von beiden, wenn der eine dem anderen nachgibt, ohne zu wissen, warum er es tut.«

      »Mir scheint, Mr. Darcy, Sie verstehen eine wahrhafte Freundschaft anders als ich. Wenn zwischen zwei Freunden eine wirkliche Zuneigung besteht, dann wird der eine sich gern den Bitten des anderen fügen, ohne auf eine weitere Begründung zu warten. Ich spreche jetzt nicht von dem besonderen Fall, den Sie eben mit Bezug auf Mr. Bingley anführten. Da warten wir lieber, bis Umstände eintreten, an denen sich sein Verhalten so oder so beweisen lässt. Aber ganz allgemein, würden Sie schlecht von einem Menschen denken, der auf das Verlangen seines Freundes ein unwichtiges Vorhaben aufschiebt, ohne dass dazu viele Worte und Erörterungen notwendig sind?«

      »Bevor wir die Frage weiter verfolgen, wäre es vielleicht richtiger, uns über die Wichtigkeit der Bitte und über den Grad der Freundschaft, die unser allgemeiner Fall haben soll, zu einigen.«

      »Ja, eben!« rief Bingley, »und dazu noch über die Größe, den Umfang und wer weiß noch was der beiden Menschen; das spielt dabei mehr mit, als Sie denken mögen, Miss Bennet. Ich kann Ihnen versichern, wenn Darcy nicht eine so lange Latte wäre im Vergleich zu mir, ich würde nicht halb soviel auf ihn hören. Bei gewissen Gelegenheiten und zu gewissen Zeiten kann man sich nichts Schrecklicheres vorstellen als Darcy; besonders in seinem eigenen Hause und an Sonntagabenden, wenn er nicht weiß, was er anfangen soll.«

      Mr. Darcy lächelte; aber Elisabeth glaubte zu bemerken, dass er sich gekränkt fühlte, und unterdrückte daher ihr Lachen.

      Caroline machte kein Hehl daraus, dass sie sich für Darcy ärgerte, und schalt ihren Bruder weidlich wegen des Unsinns, den er eben dahergeredet habe.

      »Ich durchschaue dich, Bingley«, sagte jetzt Darcy, »du magst solche Diskussionen nicht.«

      »Schon möglich. Sie endigen allzuleicht in Streitereien. Ich wäre auf jeden Fall sehr dankbar, wenn du und Miss Bennet mit der Fortsetzung warten würdet, bis ich aus dem Zimmer bin. Dann könnt ihr weiter über mich reden, soviel ihr Lust habt.«

      »Ich füge mich gern Ihrem Wunsch«, meinte Elisabeth, »und Ihnen, Mr. Darcy, schlage ich vor, schreiben Sie lieber Ihren Brief fertig!«

      Darcy folgte ihrem Rat und konnte den Brief ohne weitere Unterbrechungen beenden.

      Als er damit fertig war, bat er die Damen um etwas Musik. Caroline ließ sich nicht lange bitten; nachdem sie Elisabeth höflich aufgefordert hatte, doch anzufangen, was diese ebenso höflich und entschieden aufrichtig ablehnte, nahm sie am Klavier Platz, und Mrs. Hurst sang zu ihrer Begleitung.

      Während Elisabeth neben ihr stand und in den Noten blätterte, die auf dem Klavier lagen, fiel es ihr plötzlich auf, dass Darcys Augen immer häufiger auf ihr ruhten. Den Gedanken, dass ein Mann wie Darcy sie bewundern könne, hielt sie für widersinnig. Aber noch seltsamer wäre es ja, überlegte


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