Die Wildente. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.in manchen Stücken. Denn, siehst Du, diese Regung ist ja doch ein Zeichen von Gemüt –. Es ist wie eine Art Gewissen –
Hjalmar. Gewissen?
Gregers. Jawohl, oder wie Du es sonst nennen willst. Nein, ich finde gar keine Worte für meine Freude, so etwas von Vater zu hören. – Also, Du bist verheiratet, Hjalmar. So weit werde ich es nie bringen. Na, ich hoffe doch, Du fühlst Dich als Ehemann glücklich?
Hjalmar. O, natürlich. Sie ist eine so tüchtige und brave Frau, wie ein Mann sie sich nur wünschen kann. Und außerdem ist sie nicht ganz ohne Bildung.
Gregers ein wenig erstaunt. Nein, – das kann sie wohl auch nicht sein.
Hjalmar. Das Leben, sieh mal, erzieht. Der tägliche Umgang mit mir –; und dann kommen doch auch häufig ein paar begabte Menschen zu uns. Ich versichere Dir, Du würdest Gina nicht wiedererkennen.
Gregers. Gina?
Hjalmar. Ja, mein Lieber, hast Du denn vergessen, daß sie Gina hieß?
Gregers. Wer hieß Gina? Ich weiß ja gar nicht –
Hjalmar. Aber hast Du denn vergessen, daß sie eine Zeit lang bei Euch in Stellung war?
Gregers sieht ihn an. Ist es Gina Hansen –?
Hjalmar. Ja, natürlich ist es Gina Hansen.
Gregers. – die uns den Haushalt führte im letzten Jahr, wo Mutter krank war?
Hjalmar. Ja, gewiß. Aber, lieber Freund, ich weiß doch ganz bestimmt, daß Dein Vater Dir über meine Verheiratung geschrieben hat.
Gregers, der aufgestanden ist. Ja, das hat er freilich getan; aber nicht, daß – Geht im Zimmer auf und ab. Aber wart' mal; – vielleicht doch – wenn ich mich recht besinne. Aber Vater schreibt mir immer so kurz. Setzt sich halb auf die Armlehne. Du, Hjalmar, sag' mir mal –; die Sache ist komisch –; wie ist das zugegangen, daß Du mit Gina – mit Deiner Frau bekannt wurdest?
Hjalmar. O, das war sehr einfach. Gina blieb doch nicht lange hier im Hause; denn hier ging's damals drunter und drüber; die Krankheit Deiner Mutter –; all das wurde Gina zu viel, und deshalb kündigte sie und ging. Das war ein Jahr vor dem Tode Deiner Mutter, – oder vielleicht war's auch im selben Jahr.
Gregers. Es war im selben Jahr. Und ich war damals auf dem Werk oben. Aber was weiter?
Hjalmar. Ja, da zog Gina wieder zu ihrer Mutter, einer Madam Hansen, einer ungewöhnlich tüchtigen und strebsamen Frau, die eine kleine Gastwirtschaft betrieb. Auch hatte sie noch ein Zimmer zu vermieten; ein recht nettes, gemütliches Zimmer.
Gregers. Das Du so glücklich warst zu bekommen?
Hjalmar. Ja. Auch darauf hatte Dein Vater mich aufmerksam gemacht. Und dort, – siehst Du, – dort habe ich Gina recht eigentlich kennen gelernt.
Gregers. Und dann kam es zur Verlobung?
Hjalmar. Ja. Junge Leute verlieben sich ja so leicht ineinander –; hm –
Gregers steht auf und geht hin und her. Sag' mal – nachdem Du Dich verlobt hattest, – da erst ließ mein Vater Dich –; ich meine, – da erst fingst Du an, Dich auf das Photographieren zu legen?
Hjalmar. Ja freilich. Denn ich wollte gern vorwärts und mich je eher, je lieber niederlassen. Und da fand denn Dein Vater wie auch ich, daß es auf die bequemste Art ginge, wenn ich's mit dem Photographieren versuchte. Gina war derselben Meinung. Und außerdem, siehst Du, gab es noch einen andern Grund. Es traf sich, daß Gina das Retouchieren erlernt hatte.
Gregers. Das paßte ja ganz wunderbar zusammen.
Hjalmar zufrieden, steht auf. Ja, nicht wahr? Du findest auch, daß es ganz wunderbar zusammen paßte?
Gregers. Ja, das muß ich gestehen. Mein Vater ist für Dich so eine Art Vorsehung gewesen.
Hjalmar bewegt. Er verließ den Sohn seines alten Freundes nicht in den Tagen der Bedrängnis. Denn er hat Gemüt, siehst Du.
Frau Sörby tritt ein, mit Werle am Arm. Keine Widerrede, mein guter Herr Werle; Sie dürfen mir nicht länger da drin bleiben und in das viele Licht starren. Es bekommt Ihnen nicht gut.
Werle läßt ihren Arm los und fährt mit der Hand über die Augen. Schon möglich, daß Sie recht haben.
Pettersen und Jensen kommen mit Präsentiertellern.
Frau Sörby zu den Gästen im anderen Zimmer. Bitte schön, meine Herren; wer ein Glas Punsch haben will, der muß sich hier herein bemühen.
Der Beleibte tritt zu Frau Sörby. Mein Gott, ist es wahr, daß Sie die herrliche Rauchfreiheit aufgehoben haben?
Frau Sörby. Jawohl, hier im Bereich des Herrn Werle ist sie aufgehoben, Herr Kammerherr.
Der Glatzkopf. Seit wann haben Sie für das Zigarrengesetz diese verschärften Bestimmungen eingeführt, Frau Sörby?
Frau Sörby. Nach dem letzten Diner, Herr Kammerherr; denn da haben sich gewisse Leute erlaubt, über die Stränge zu schlagen.
Der Glatzkopf. Und das ist nicht erlaubt, ein klein bißchen über die Stränge zu schlagen, Frau Berta? Wirklich nicht?
Frau Sörby. In gar keiner Beziehung, Herr Balle.
Die Mehrzahl der Gäste hat sich im Arbeitszimmer versammelt. Die Diener reichen Punsch herum.
Werle zu Hjalmar, weiter vorn an einem Tische. Was studieren Sie denn da so eifrig, Ekdal?
Hjalmar. Es ist nur ein Album, Herr Werle.
Der Glatzkopf, der umhergeht. Ah, Photographien! Ja, das ist ja so etwas für Sie.
Der Beleibte in einem Lehnstuhl. Haben Sie nicht ein paar von Ihren eigenen mitgebracht?
Hjalmar. Nein, bedaure.
Der Beleibte. Das hätten Sie doch tun sollen; es ist gut für die Verdauung, so dazusitzen und Bilder anzuschauen.
Der Glatzkopf. Und dann, sehen Sie, trägt es auch immer ein bißchen mit zur Unterhaltung bei.
Ein Kurzsichtiger. Und jeder Beitrag wird dankbar angenommen.
Frau Sörby. Die Herren meinen, wenn man zum Diner eingeladen ist, so muß man auch für das Essen etwas leisten, Herr Ekdal.
Der Beleibte. In einem Hause, wo gut gegessen wird, ist das ein wahres Vergnügen.
Der Glatzkopf. Du lieber Gott, wenn es den Kampf ums Dasein gilt, so –
Frau Sörby. Da haben Sie recht! Setzen das Gespräch unter Lachen und Scherzen fort.
Gregers leise. Du mußt mitreden, Hjalmar.
Hjalmar unwillig. Von was soll ich denn reden?!
Der Beleibte. Meinen Sie nicht auch, Herr Werle, daß man den Tokayer als ein verhältnismäßig gesundes Getränk für den Magen ansehen kann?
Werle am Kamin. Für den Tokayer, den Sie heute bekommen haben, kann ich wenigstens garantieren; das ist einer von den aller-, allerfeinsten Jahrgängen. Nun, das haben Sie wohl