Die Wildente. Henrik Ibsen

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Die Wildente - Henrik Ibsen


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bleibt am Kamin stehen. Werle sucht etwas auf dem Schreibtisch und scheint zu wünschen, Gregers möge gehen. Da dieser sich nicht rührt, geht Werle der Ausgangstür zu.

      Gregers. Vater, willst Du nicht einen Augenblick bleiben?

      Werle bleibt stehen. Was ist?

      Gregers. Ich habe mit Dir zu reden.

      Werle. Hat das nicht Zeit, bis wir allein sind?

      Gregers. Nein. Denn möglicherweise sind wir überhaupt nicht wieder allein.

      Werle tritt näher. Was soll das heißen?

       Während des Folgenden ertönt gedämpftes Klavierspiel aus dem Musiksaal.

      Gregers. Wie konnte man diese Familie so jämmerlich verkommen lassen!

      Werle. Vermutlich meinst Du die Ekdals.

      Gregers. Ja, ich meine die Ekdals. Der Leutnant Ekdal hat Dir doch einmal so nahe gestanden.

      Werle. Ja, leider; er hat mir nur zu nahe gestanden. Das habe ich lange Jahre fühlen und büßen müssen. Ihm habe ich es zu danken, daß auch mein guter Name und Ruf so etwas wie einen Flecken mit abbekommen hat.

      Gregers leise. War er wirklich der allein Schuldige ?

      Werle. Wer denn sonst?

      Gregers. Ihr habt ja doch gemeinschaftlich den großen Ankauf von Waldungen gemacht –

      Werle. Aber ist es nicht Ekdal gewesen, der die Karte von dem Terrain aufnahm, – jene unzuverlässige Karte? Er war es, der die ungesetzliche Abholzung auf fiskalischem Grund und Boden vornahm. Er war ja doch für den ganzen Betrieb da oben verantwortlich. Ich hatte keine Einsicht in das, was Leutnant Ekdal trieb.

      Gregers. Leutnant Ekdal hatte wohl selbst keine Einsicht in das, was er trieb.

      Werle. Mag sein. Aber Tatsache ist, daß er verurteilt und ich freigesprochen wurde.

      Gregers. Ja, ich weiß wohl: es fehlten die Beweise.

      Werle. Freisprechung ist Freisprechung. Weshalb rührst Du an diese alten, peinlichen Dinge, die mein Haar vor der Zeit grau gemacht haben? Hast Du etwa darüber jahraus, jahrein da oben gegrübelt? Ich kann Dir versichern, Gregers, – hier in der Stadt sind diese Geschichten lange vergessen – soweit sie mich betreffen.

      Gregers. Und die unglückliche Familie Ekdal –?

      Werle. Was, meinst Du, hätte ich denn eigentlich für die Leute tun sollen? Als Ekdal wieder auf freien Fuß kam, da war er ein gebrochener, unrettbar verlorener Mann. Es gibt Leute, die ganz und gar untergehen auf dieser Welt, auch wenn sie nur ein paar Körner Schrot in den Pelz gekriegt haben, und die ihr Leben lang nicht wieder auf die Beine kommen. Du kannst mir auf mein Wort glauben, Gregers, ich bin so weit gegangen, wie ich konnte, wenn ich mich nicht selbst bloßstellen und allerhand Verdächtigungen und Redereien der Leute Nahrung geben wollte –

      Gregers. Verdächtigungen –? Na ja, jawohl.

      Werle. Ich habe Ekdal Schreibarbeiten fürs Kontor zugewandt, und ich zahle ihm für seine Arbeit weit, weit mehr, als sie wert ist –

      Gregers, ohne ihn anzusehen. Hm, daran zweifle ich nicht.

      Werle. Du lachst? Glaubst Du etwa, ich sage die Unwahrheit? In meinen Büchern steht allerdings nichts davon; denn über solche Ausgaben führe ich niemals Buch.

      Gregers lächelt kalt. Allerdings, es gibt gewisse Ausgaben, über die man lieber nicht Buch führt.

      Werle stutzt. Was meinst Du damit?

      Gregers mit erkämpftem Mut. Hast Du Buch darüber geführt, was Dich Hjalmars photographische Studien gekostet haben?

      Werle. Ich? Inwiefern Buch geführt?

      Gregers. Ich weiß jetzt, daß Du das bezahlt hast. Und jetzt weiß ich auch, daß Du es gewesen bist, der ihm so freigebig zur Etablierung verhelfen hat.

      Werle. Na – und da sagt man noch, ich hätte nichts für die Ekdals getan! Ich kann Dir versichern, die Leute haben mir genug Ausgaben verursacht.

      Gregers. Hast Du über keine dieser Ausgaben Buch geführt?

      Werle. Weshalb fragst Du danach?

      Gregers. O, das hat so seine Gründe. Sag' mal – als Du Dich so warm interessiertest für den Sohn Deines alten Jugendfreundes, – das war doch gerade in der Zeit, da er heiraten wollte?

      Werle. Ja, zum Henker, – wie kann ich nach so vielen Jahren noch –

      Gregers. Du hast mir damals einen Brief geschrieben, – einen Geschäftsbrief natürlich. Und in einer Nachschrift, da stand ganz kurz, Hjalmar Ekdal hätte sich mit einem Fräulein Hansen verheiratet.

      Werle. Ja, ganz recht, so hat sie geheißen.

      Gregers. Aber Du hast nichts davon geschrieben, daß dieses Fräulein Hansen Gina Hansen war – unsere ehemalige Wirtschafterin.

      Werle lacht spöttisch, aber gezwungen. Nein, denn ich konnte mir wirklich nicht denken, daß Du Dich so sehr für unsere frühere Wirtschafterin interessiertest.

      Gregers. Das habe ich auch nicht getan. Aber – senkt die Stimme – es waren hier im Hause andere Leute, die sich sehr für sie interessierten.

      Werle. Was soll das heißen? Aufbrausend. Du meinst damit doch wohl nicht gar mich?

      Gregers leise, aber fest. Ja, ich meine Dich.

      Werle. Und das wagst Du –! Das unterstehst Du Dich –! Wie kann dieser undankbare Mensch, dieser Photograph –; wie kann er sich erdreisten, mit solchen Bezichtigungen zu kommen!

      Gregers. Hjalmar hat diese Dinge nicht mit einem Worte berührt. Ich glaube, er hat nicht einmal eine Ahnung davon.

      Werle. Aber woher hast Du es denn? Wer hat Dir so etwas sagen können?

      Gregers. Das hat mir meine arme, unglückliche Mutter gesagt. Das letzte Mal, als ich sie sah.

      Werle. Deine Mutter! Hätte es mir auch denken können! Sie und Du, – Ihr habt immer zusammengehalten. Sie war es, die von Anfang an Dein Herz mir entfremdet hat.

      Gregers. Nein, – das haben die Leiden und Kränkungen getan, die sie hier ertragen mußte, bis sie zusammenbrach und jammervoll zugrunde ging.

      Werle. O, sie hatte keine Leiden und Kränkungen zu ertragen; wenigstens nicht mehr als so viele andere! Aber mit kränklichen, überspannten Menschen ist schwer auszukommen. Das habe ich nur zu sehr fühlen müssen. – Und nun kommst Du mit solcher Verdächtigung daher, – rührst allerhand alte Gerüchte wieder auf und Verleumdungen gegen Deinen Vater. Lieber Gregers, ich meine, Du in Deinem Alter könntest Dich wirklich mit etwas Nützlicherem beschäftigen.

      Gregers. Ja, das dürfte allerdings an der Zeit sein.

      Werle. Dann würde es Dir wohl auch leichter ums Herz, als es jetzt der Fall zu sein scheint. Wohin soll es denn führen, daß Du jahraus, jahrein auf dem Werk da oben wie ein einfacher Kontorist hockst und Dich plagst und nicht einen Pfennig über den gewöhnlichen Monatslohn annehmen willst? Das ist ja der reine Wahnsinn von Dir.

      Gregers.


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