Die Kreutzersonate. Лев Толстой

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Die Kreutzersonate - Лев Толстой


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sich herum.«

      »Weil er ein Dummkopf ist«, sagte der Alte. »Hätte er sie gleich von Anfang an richtig im Zaume gehalten und ihr nicht nachgegeben, dann wäre sie schon bei ihm geblieben. Man muß von Hause aus die Zügel stramm ziehen. Trau dem Gaul nicht auf dem Felde und der Frau nicht im Hause!«

      In diesem Augenblick trat der Schaffner ins Coupé und fragte nach den Fahrkarten zur nächsten Station. Der Alte gab seine Fahrkarte ab.

      »Ja, die Weiber muß man bei Zeiten kurz halten, sonst geht die Sache schief!«

      »Aber Sie haben doch eben selbst erzählt, wie verheiratete Leute sich auf dem Jahrmarkt in Kunawino belustigen!« platzte ich heraus.

      »Das ist eine Sache für sich«, sagte der Kaufmann und versank in Schweigen.

      Als das Haltesignal ertönte, erhob sich der Kaufmann, holte seine Reisetasche unter der Bank hervor, schlug die Pelzschöße übereinander, lüftete die Mütze und stieg aus dem Wagen.

      2

      Kaum war der Alte hinaus, so begann sofort eine mehrstimmige Unterhaltung.

      »Ein Patriarch des Alten Testaments«, meinte der Handlungsgehilfe.

      »Der leibhaftige Domostroj«, sagte die Dame, »was für eine rückständige Auffassung von der Frau und der Ehe!«

      »Ja, wir sind noch weit entfernt von der europäischen Ansicht über die Ehe«, sagte der Advokat.

      »Der Kernpunkt, den solche Leute eben nicht begreifen«, sagte die Dame, »liegt darin, daß eine Ehe ohne Liebe keine Ehe ist, daß nur die Liebe die Ehe heiligt und daß nur eine Ehe, die von der Liebe geheiligt ist, als richtige Ehe gelten kann.«

      Der Handlungsgehilfe hörte zu und lächelte, augenscheinlich bemüht, möglichst viel von den klugen Gesprächen zu gelegentlichem Gebrauche zu behalten.

      Während die Dame sprach, ließ sich hinter meinem Rücken ein Laut wie ein ersticktes Lachen oder ein Knurren hören und wir erblickten meinen Nachbar, den grauhaarigen Krauskopf mit den glänzenden Augen, der während der ihn offenbar interessierenden Unterhaltung unbemerkt zu uns herangetreten war. Er stand die Hände auf die Lehne seines Sitzes stützend da und war sichtlich erregt: sein Gesicht war gerötet und der eine Wangenmuskel zuckte beständig.

      »Was ist denn das für eine Liebe … Liebe … die die Ehe heiligt?« sagte er stockend.

      Die Dame bemerkte seine Erregung und bemühte sich, ihm so sanft und ausführlich wie möglich zu antworten.

      »Die wahre Liebe … Besteht diese Liebe zwischen Mann und Frau, so ist auch eine Ehe möglich«, sagte die Dame.

      »Ganz recht – aber was soll man unter der wahren Liebe verstehen?« fragte schüchtern lächelnd der Herr mit den glänzenden Augen.

      »Jedermann weiß doch, was Liebe ist«, sagte die Dame, die offenbar die Unterhaltung mit ihm abzubrechen wünschte.

      »Ich weiß es aber nicht«, sagte der Herr. »Wollen Sie mir genauer erklären, was Sie darunter verstehen!«

      »Wie denn? Die Sache ist doch sehr einfach«, begann die Dame, dachte jedoch einen Augenblick nach. »Liebe ist die ausschließliche Bevorzugung eines Mannes oder einer Frau vor allen übrigen«, erklärte sie schließlich.

      »Bevorzugung – auf wie lange? Auf einen oder zwei Monate oder auf eine halbe Stunde?« fragte der grauhaarige Herr und lachte hell auf.

      »Nein, gestatten Sie – Sie reden anscheinend von etwas anderem.«

      »Durchaus nicht, ich rede von demselben Thema.«

      »Die Dame meint«, mischte der Advokat sich ein, »die Ehe müsse erstens einmal auf gegenseitiger Zuneigung – Liebe, wenn Sie wollen – beruhen; nur wenn diese vorhanden sei, könne die Ehe sozusagen als etwas Heiliges gelten; jede Ehe dagegen, der diese natürliche Zuneigung – oder Liebe, wenn Sie wollen – nicht zugrunde liegt, trage nichts sittlich Bindendes in sich. Habe ich Sie richtig verstanden?« wandte er sich an die Dame.

      Die Dame gab ihm durch ein Kopfnicken zu verstehen, daß er ihre Auffassung richtig dargelegt habe.

      »Weiterhin …« wollte der Advokat in seiner Rede fortfahren, doch der nervöse Herr, dessen Augen jetzt wirklich wie im Feuer glühten und der sich kaum noch beherrschen konnte, ließ den Advokaten nicht weitersprechen, sondern begann selbst:

      »Gewiß, ich rede von eben derselben Bevorzugung eines Mannes oder einer Frau vor allen übrigen, und doch frage ich: eine Bevorzugung auf wie lange Frist?«

      »Auf wie lange Frist? Auf sehr lange – zuweilen für das ganze Leben«, sagte die Dame achselzuckend.

      »Aber das kommt ja nur in Romanen vor, niemals in Wirklichkeit. In Wirklichkeit hält diese Bevorzugung des einen vor den andern vielleicht ein paar Jahre an, was sehr selten ist, häufiger ein paar Monate oder Wochen, zumeist jedoch bemißt sie sich nur nach Tagen oder Stunden«, sagte der Grauhaarige, der sehr wohl zu wissen schien, daß er alle durch seine Meinungsäußerung in Erstaunen versetzte und darin ein gewisses Vergnügen fand.

      »Ach, was sagen Sie da! Nicht doch, nein … Nein, erlauben Sie einmal«, begannen wir alle drei wie aus einem Munde. Sogar der Handlungsgehilfe ließ zum Zeichen des Protestes einen unbestimmten Laut vernehmen.

      »Nun ja, ich weiß«, überschrie uns der grauhaarige Herr, »Sie sprechen von dem, was man für Wirklichkeit hält, ich aber spreche von dem, was wirklich ist. Jeder Mann empfindet das, was Sie Liebe nennen, für jede hübsche Frau.«

      »Ach, das ist ja schrecklich, was Sie da sagen! Gibt es denn unter den Menschen nicht jenes Gefühl, das man Liebe nennt, und das nicht nur Monate und Jahre, sondern das ganze Leben lang vorhält?«

      »Nein, ein solches Gefühl gibt es nicht. Angenommen, selbst, ein Mann würde eine bestimmte Frau allen andern Frauen für das ganze Leben vorziehen, so würde doch die Frau aller Wahrscheinlichkeit nach einen andern vorziehen. So war es und so ist es immer in der Welt«, sagte er, zog eine Zigarette aus seinem Etui und zündete sie an.

      »Aber das Gefühl kann doch auch gegenseitig sein«, sagte der Advokat.

      »Nein, das ist unmöglich«, versetzte der Grauhaarige, »wie es unmöglich ist, daß auf einer Fuhre voll Erbsen zwei vorher markierte Erbsen nebeneinander zu liegen kommen. Es handelt sich übrigens hier nicht bloß um eine Frage der Wahrscheinlichkeit, sondern es tritt eben Übersättigung ein. Sein Leben lang einen einzigen Mann oder eine einzige Frau lieben – das wäre etwa dasselbe, wie behaupten wollen, daß eine Kerze das ganze Leben lang brennen werde«, sagte er und zog gierig an seiner Zigarette.

      »Aber Sie sprechen immer nur von der sinnlichen Liebe. Geben Sie nicht zu, daß es daneben eine Liebe gibt, die auf der Übereinstimmung der Ideale, auf geistiger Verwandtschaft beruht?« sagte die Dame.

      »Geistige Verwandtschaft! Übereinstimmung der Ideale!« wiederholte er und ließ seinen Laut hören. »Aber dann brauchen sie doch nicht miteinander zu schlafen – verzeihen Sie, daß ich so geradezu rede! Um der Übereinstimmung der Ideale willen legen sich also die Menschen zusammen schlafen!« sagte er und lachte nervös auf.

      »Aber gestatten Sie«, sagte der Advokat, »die Tatsachen widersprechen dem, was Sie sagen. Wir sehen, daß Ehen existieren, daß die Menschheit oder doch ihre Mehrheit im Ehestande lebt, und daß viele Paare ein langjähriges, ehrbares Eheleben führen.«

      Der grauhaarige Herr lachte wieder auf.

      »Sie sagen, die Ehen seien auf Liebe begründet; wenn ich aber bezweifle, daß es neben der sinnlichen Liebe eine andere gibt, dann wollen Sie mir die Existenz dieser andern Liebe damit beweisen, daß Ehen existieren. Die Ehen aber sind doch in unserer Zeit geradezu ein Betrug!«

      »Durchaus nicht – erlauben Sie, bitte!« sagte der Advokat, »ich sage nur, daß Ehen existiert haben und noch existieren.«

      »Gewiß


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