Justice justified. Kendran Brooks

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Justice justified - Kendran Brooks


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Waisenhausbetreibern und Beamten des Sozialdepartements gesprochen und daraufhin eine Reihe von Zeitungsberichten veröffentlicht. Die Antworten der Amtspersonen überraschten Michael nicht wirklich. Unisono erklärten sie, dass Waisenkinder den besonderen Schutz des Staates verdient hätten und deshalb nur bestens geeignete Familien in Betracht kamen, dass man einfach nicht riskieren durfte, diese vom Schicksal bereits stark gebeutelten Kinder an womöglich schlechte Adoptiveltern zu vermitteln und ihnen so unnötiges und zusätzliches Leid zuzufügen. Denn auf der anderen Seite waren die Waisen in den Heimen auf das Beste untergebracht und liebevoll betreut, da alle diese Häuser ständiger staatlicher Überwachung unterlagen.

      Als Michael diese Aussagen las, dachte er zurück an die tränenreichen Nächte, als er mit brennendem Hinterteil, auf dem Bauch liegend, die Trostlosigkeit seines Daseins in sein Kopfkissen weinte.

      Auch die vielen, von der Journalistin festgestellten Missstände in den Einrichtungen wurden in den Beiträgen thematisiert. Doch irgendwie verlief die Reportage bald einmal im Sand, löste keine politische Diskussion aus, schaffte keine Schlagzeilen. Was außerhalb der Familie, der Sippe und des Freundeskreises ablief, war in den Augen der Mehrheit der Leserschaft die Aufgabe des Staates. Darum musste man sich nicht persönlich kümmern.

      Michael Langton war heute dreiundzwanzig. Mit sechzehn Jahren durfte er eine kaufmännische Ausbildung bei einem britischen Transportunternehmen starten. Zehn-Finger-Tastaturschreiben brachte er sich selbst bei, beobachtete dazu bloß die Sekretärinnen bei ihrer täglichen Arbeit, übte später auf einer selbst gezeichneten Tastatur, bis es ihm gut gelang. Auch besaß Michael ein ausgesprochenes Flair für Computer, las die Anleitungen und Trainingsbücher durch, was sonst kaum einer in der Firma tat, funktionierte bald einmal im Nebenamt als IT-Supporter, wurde deshalb von seinem Boss immer wieder gelobt, durfte nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung im Unternehmen bleiben.

      Mit zwanzig Jahren hatte er sich das erste Mal selbstständig gemacht, wollte nach der Subprime-Krise vom erneut einsetzenden Wirtschaftsboom auf dem chinesischen Festland und in Hongkong profitieren, seinen Anteil daran absahnen. Doch aller Anfang war schwer und so ging sein erstes Maklerbüro bereits nach wenigen Wochen ein. Niemand wollte mit einem so jungen Mann zusammenarbeiten, niemand traute ihm wirklich etwas zu und schon gar nicht über den Weg. Und die Wuchermiete seines winzigen Büros am Hafen trieben seine Hoffnungen allzu rasch in den Konkurs.

      Beim zweiten Versuch ging er wesentlich klüger vor und stellte einen alten Chinesen ein, Mr. Wolfgang Lee, wie der sich nannte, in Anlehnung an Wolfgang Amadeus Mozart, wie der Kerl jedem augenzwinkernd bekanntgab, dem er sich vorstellte. Langton kleidete den heruntergekommenen Mr. Wolfgang Lee auf seine Kosten neu ein, trainierte mit ihm auch Auftreten und Manieren. Fortan waren sie stets zu zweit unterwegs gewesen, hatten viele chinesische und britische Unternehmen gemeinsam besucht und Geschäftskontakte geknüpft. Sie stellten sich jeweils als Firmeninhaber und Juniorpartner vor und hatten von Beginn an Erfolg. Mr. Lee wirkte distinguiert, aber meist wenig interessiert, was einen ausgesprochen seriösen Rahmen vortäuschte, während Michael Langton als der aufgeschlossene, vitale, amerikanisch-chinesische Manager auftrat und die notwendige Dynamik für die Geschäfte einbrachte.

      Doch nach etwas über einem Jahr war dann Mr. Wolfgang Lee von einem Tag auf den anderen verschwunden, hatte zuvor die Firmenkonten leergeräumt und Kommissionsware von Kunden auf dem Schwarzmarkt verhökert. Sogar die Büroräume an der Queen’s Road hatte das verdammte Schlitzohr auf drei Jahre hinaus an eine andere Firma untervermietet und das Geld in bar kassiert. Michael Langton zitterte heute noch vor Wut, wenn er sich dann und wann an diesen Morgen erinnerte, wie er gegen acht Uhr mit dem Schlüssel in der Hand vor der Bürotür stand, hinter der Milchglasscheibe der Einfassung rege Bewegungen erkannte, dazu fröhliches Geplapper und Schreibmaschinen-Geklapper, wie er dann verwundert eingetreten war und ihn die drei Mitarbeiter der frisch eingemieteten Firma erwartungsvoll angeschaut hatten, wie er zu fragen begann und sie ihm bereitwillig, aber spöttisch lächelnd Antwort gaben und ihm eine Kopie des unterschriebenen Mietvertrags zeigten.

      Selbstverständlich hatte Michael den sauberen Mr. Wolfgang Lee bei den Behörden angezeigt. Und nach etwas über drei Monaten fanden sie ihn tatsächlich in der Nähe von Shanghai, bereits halbtot, mit Opium vollgepumpt, abgemagert und vollkommen blank. Man brachte Lee in ein Hospital, wo man ihn aufpäppelte, danach kam er ins Gefängnis und anschließend für den Rest seines Lebens in ein Umerziehungslager irgendwo in der Provinz. Michael Langton hingegen musste nach diesem erneuten Flop das quirlige Hafenquartier nicht nur mit seinen Unternehmungen verlassen, sondern für alle Zeiten persönlich meiden. Zu viele Leute erinnerten sich an den dunkelblonden und blauäugigen Halb-Chinesen mit seinem zweifachen, geschäftlichen Ruin. Später, als er wieder auf die Beine gekommen war, zog Michael Langton ins Happy Valley, wo er sich ein Apartment mit seiner Freundin Jin Wang teilte. Die 83 Quadratmeter waren zwar sündhaft teuer, doch das war seine Freundin ebenso.

      Jin Wang, die sich selbst Gin Davis nannte, war eine Festland-Chinesin aus Kengwei, einem Provinznest nahe Guangdong. Sie war als Fünfzehnjährige illegal nach Hongkong gelangt, hatte sich hier korrekte Papiere besorgt, arbeitete, seit sie mit Michael Langton liiert war, als selbstständige Marketingberaterin. Womit sie zuvor ihr Geld verdient hatte, verriet sie ihm nicht, beantwortete seine Fragen wage und ausweichend.

      Viel Geld kam bei ihrer Tätigkeit allerdings nicht zusammen, denn Gin Davis wurde nur selten für mehr als ein paar Stunden engagiert. Und so verbrachte sie die meiste Zeit in ihrem gemeinsamen Apartment, verließ es eigentlich nur, um sich mit einer ihrer zahlreichen Freundinnen zu treffen. Zumindest erzählte sie das ihrem Freund Michael.

      Langton verspürte kein gutes Gefühl, als er in diesem Moment an seine Ginnie dachte. Bestimmt würde sie ihm wieder Vorhaltungen machen, dass er ein schlechter Geschäftsmann wäre, hoffnungslos vertrauensselig, viel zu naiv, ganz einfach nicht geschaffen für das harte Leben auf den Straßen von Hongkong. Und sie hatte leider Recht damit, seine Ginnie.

      *

      Sie flogen am nächsten Tag von London aus nach Dallas-Fort Worth. Als einzige Reisende in der ersten Klasse wurden sie vom Steward auf das Angenehmste umsorgt. Jules las die meiste Zeit über in einem Buch, nur unterbrochen von den beiden Mahlzeiten und gelegentlicher Beschäftigung mit Alina. Sein Lesestoff berichtete über Volksbräuche im Südosten von Asien. Von den meisten hatte Jules noch nie zuvor gehört, auch wenn er in früheren Jahren des Öfteren nach Vietnam und Südkorea gereist war und auch die Philippinen mehrmals besucht hatte. Der Champagner, ein 1999er Bollinger rosé, schmeckte ihm ausgezeichnet und er genehmigte sich das eine oder andere Glas zu viel, fühlte sich jedoch keineswegs angetrunken, als sie recht pünktlich gegen halb sechs in Texas landeten.

      Sie wollten in der Nähe des Flughafens im Embassy Suites übernachten, hatten dort ein Zimmer für die Nacht gebucht. Zuvor mussten sie noch den Mietwagen abholen, den sie sich auf sechs Uhr abends reservieren ließen. Eilig hatten sie es also nicht und so schlenderten sie gemütlich in Richtung der Einreiseschalter, wurden von eiligeren Passagieren überholt. Doch die drei hatten die Immigration-Halle noch nicht erreicht, als zwei Männer in Uniform auf sie zukamen.

      »Mr. Lederer?«, fragte der eine, ein hochgewachsener Afro-Amerikaner mit fleischigem, rundem, aber gar nicht gemütlich wirkenden Gesicht und verfetteten Hüften.

      Jules nickte.

      »Sie wünschen?«

      »Kommen Sie bitte mit uns mit.«

      Der Afro-Amerikaner drehte sich um und ging voraus. Jules und Alabima blickten sich einen Moment lang stumm und erstaunt an, folgten ihm jedoch. Alina ging zwischen ihnen, geführt an den Händen von Vater und Mutter. Auch sie hatte erkannt, dass etwas nicht stimmen konnte und blickte entsprechend kritisch auf den großen Mann in der dunkelblauen, fast schwarzen Uniform und dem schwabbeligen Hinterteil, über den sich die Hose so seltsam spannte. Auf der oberen Hälfte seines Popos saß sie straff, so als würde der Stoff gleich platzen, an der unteren schlotterte sie, so als wäre der Hintern des Beamten in der Mitte durchgeschnitten.

      Der zweite Beamte, ein schlaksiger Kerl von Mitte dreißig, mit ungesund gelber Gesichtsfarbe und blondiertem, fast weißem Kopfhaar und stechenden, kleinen, dunkelgrauen Augen, ging hinter ihnen her, hielt jedoch zwei, drei


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