Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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sich wütend.

      „Ich fürchte mich nicht. Allerdings verschließe ich mich auch nicht den Realitäten. Wenn das Heer so groß ist, wie man hört, werden wir Schwierigkeiten bekommen und wir werden alles verlieren, was wir gewonnen haben.“

      „Aber wenn wir siegen, können wir die Welt gewinnen!“ widersprach Alexander lächelnd. Damit hatte er Philotas den Mund gestopft, und dieser zog beleidigt ab.

      Der Vogel blieb noch bis zum Abend im Schlafgemach, ehe er in die Freiheit davon flog. Alexander war ganz froh darüber, denn Schwalbenmist im Schlafraum kann ganz schön lästig werden. Die Wahrsager und Leberdeutung des Aristander brachten auch keine tolle Erklärung. Das mit der Warnung der Götter war von Philotas gar nicht einmal so schlecht geraten, wie sich ein paar Tage später herausstellte.

      Es war mein Vater, der die Überraschung präsentierte. Er kam im Auftrag des Parmenion und hatte nun die Plakette eines Hauptmanns auf dem Brustpanzer, war also im Dienst des großen Generals weiter aufgerückt. Nun ja, meinen Rang hatte er damit noch nicht erreicht. Denn als Gefährte und Verwandter des Königs war ich in der priviligiertesten Stellung, die überhaupt denkbar ist. Hinzu kam, dass Alexander aufgrund des Vorfalls mit Memnon und noch mehr in Dydima mich als den Botschafter des Apollon bezeichnete.

      Also, mein Vater spazierte mit selbstbewusster triumphierender Miene in die Empfangshalle, nachdem ihn Attalos lang genug hatte warten lassen. Er stieß einen gut aussehenden jungen Perser vor sich her und gab ihm einen Tritt, so dass er vor Alexander auf die Knie fiel.

      „Was soll das?“ fragte Alexander aufgebracht, der so rüpelhaftes Benehmen in seiner Umgebung nicht duldete.

      „Der hier kommt vom Großkönig!“ sagte mein Vater.

      „Noch eine Botschaft für mich?“

      „Nein. Für Alexander Lynkestes.“

      „Ach ja?“ sagte Alexander und kniff die Augen zusammen.

      „Er heißt Sisines. Und bringt die Antwort auf einen Brief des Lynkestes.“

      Wir sahen uns betroffen an. Mit dem Lynkestes war das so eine eigene Sache. Er war nicht nur der Anführer der thessalischen Reiter, sondern ein wirklicher Verwandter des Königs, der sogar Ansprüche auf den Thron hätte geltend machen können. Er hatte die Säuberung nach Alexanders Thronbesteigung nur deswegen überstanden, weil er in der Heeresversammlung als erster Alexander als Nachfolger Philipps ausgerufen hatte. Mein Vater reichte Alexander einen Brief und Alexander las ihn und wurde bleich und gab ihn mir.

      „1000 Talente und die makedonische Krone, wenn Lykestes mich umbringt“, sagte er düster.

      Ich überflog den Papyrus, der dies bestätigte und reichte ihn an die anderen Gefährten weiter. Mein Vater reckte sich stolz, als er mit so unerhörter Nachricht im Mittelpunkt des Interesses stand.

      „Es ist gut!“ sagte Alexander zu meinem Alten und gab Perdikkas einen Wink. „Versorge ihn gut. Er kann morgen zu Parmenion mit meiner Antwort zurück reiten. Ruf die Heeresversammlung zusammen.“

      Da ich dieser nicht angehörte, machte ich mich mit Phokis zu dem Quartier auf, das man meinem Vater zugewiesen hatte. Ich traute dem Alten nicht und wollte ihm ein wenig auf den Zahn fühlen.

      Aspendos war eine griechisch geprägte Stadt, obwohl die Bevölkerung sehr gemischt war. Als wir vor dem Palast ankamen, der als Gästehaus für die vielen Delegationen diente, die täglich aus Griechenland eintrafen, sahen wir Philotas herankommen. Die Heeresversammlung war also bereits beendet. Dass Parmenions Sohn nun gleich meinen Alten aufsuchte, verringerte nicht gerade mein Misstrauen gegenüber meinem Erzeuger. Wir versteckten uns hinter den Säulen eines Artemistempels.

      „Ich möchte zu gerne Mäuschen sein und wissen, was die beiden zu bereden haben.“

      „Vielleicht will er gar nicht zu Anthes. Es sind auch noch andere Gäste hier einquartiert.“

      „Und wenn doch?“

      „Wenn du willst, gehe ich über die Mauer. Vielleicht kann ich die beiden belauschen.“

      Schon lief mein wackerer Riese auf die andere Straßenseite und verschwand im Schatten des Palastes. Wenig später sah ich ihn bereits hinter der Mauer die Hauswand hochklettern und sich in einen Säulengang hinein schwingen. Ich schwitzte ein wenig, obwohl es Winter und die Nächte entsprechend kalt waren. Ich fürchtete um meinen braven Freund und Diener. Wenn mein Vater ihn erwischte, würde er ihn sofort töten. Aber meine Ängste waren unbegründet. Kurz nachdem Philotas den Palast wieder verlassen hatte, tauchte auch Phokis wieder auf.

      „Hast du etwas erfahren können?“

      Er grinste mir verschwörerisch zu.

      „Ganz werde ich nicht klug daraus“, sagte Phokis nach einer Kunstpause. „Philotas machte deinem Alten heftige Vorwürfe, warum er mit so einer halbgaren Geschichte bei Alexander auftauchen würde. Im Rat wären die Meinungen ziemlich auseinander gegangen. Hephaistion sowie Nearchos und Perdikkas wollten den Lynkestes gleich vor ein Speerkommando stellen. Ptolemaios, Seleukos und Lysimachos waren dagegen und erinnerten, wie loyal Lynkestes bisher gewesen sei. Alexander habe die Angelegenheit erst einmal vertagt. Dein Alter stand etwas ungünstig, so dass ich ihn schlecht verstehen konnte. Aber so viel habe ich mitbekommen: Parmenion ist der Meinung, dass mit der Verurteilung des Lynkestes ein wichtiger Thronanwärter ausgeschaltet wäre, sollte Alexander etwas passieren.“

      „Und was sagte Philotas dazu?“

      „Die Situation könne bei Alexanders Achilleusspielerei immer auftreten.“

      Welchen Vorteil hatte Parmenion von dieser Intrige? Oder war es keine? Alexander kannte doch das Siegel des Großkönigs. Er musste doch wissen, ob der Brief des Großkönigs echt war. Ich konnte mir keinen Reim aus der Geschichte machen.

      Wir eilten zu dem Palast, der Alexander als Residenz diente. In den Gemächern des Königs traf ich ihn noch mit den Gefährten an. Als er mein ernstes Gesicht sah, verstand er sofort und tat so, als sei er plötzlich müde und löste die Tafel auf.

      „Was hast du, Leonnatos?“ fragte er und ließ sich in seinem Schlafgemach aufs Bett fallen, und ich erzählte ihm, was Phokis erfahren hatte.

      „Ich werde daraus nicht klug!“ schloss ich meinen Bericht.

      „Das Siegel ist zweifellos das des Dareios. Vielleicht hat den Großkönig eine gefälschte Nachricht erreicht und Dareios ist darauf hereingefallen und natürlich ist es ein Königreich wert, wenn ich nicht mehr da bin.“

      „Aber wer hat das eingefädelt? Wer ist so perfide? Doch nicht Parmenion. Der ist zu gerade für solche Geschichten.“

      „Ja. Eigentlich ist er mir treu ergeben“, stimmte Alexander zu. „Er ist manchmal etwas widerborstig, aber ein gerader Halm. Aber Tatsache ist, dass bei meinem Tod Parmenion durchaus Chancen hätte, mein Nachfolger zu werden. Parmenion ist sehr beliebt bei meinen Makedonen. Mit Lynkestes’ Tod gäbe es einen Thronanwärter weniger.“

      „Vielleicht hat jemand in seiner Umgebung diese Intrige eingefädelt, nur um höher zu steigen, wenn Parmenion höher steigt.“

      „Du hast jemanden im Auge?“

      „Nein“, gestand ich. Aber dies war eine Lüge. Aber ich wollte nicht derjenige sein, der aufgrund vager Verdächtigungen den eigenen Vater ans Messer lieferte. Doch so eine Intrige war ihm zuzutrauen, genau so wie meinem Bruder Antiochios.

      Alexander ahnte, dass ich einen Verdacht hatte, mich jedoch scheute diesen auszusprechen und lächelte schließlich.

      „Dein Vater? Aber wir haben keine Beweise, nicht wahr?“

      „Nein. Nur Vermutungen.“

      „Dafür ist dein Vater ein zu kleines Licht. Ich weiß ja, dass es zwischen euch nicht stimmt. Aber ich bin mir sicher, dass dein Verdacht unbegründet ist. Ich werde deinen Vater morgen mit einem Brief zurückschicken, der Parmenion beruhigt und ihm seine übergroße Sorge abnimmt.“


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