Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 2 - Gerstäcker Friedrich


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Nachts mußte man sie natürlich, da Futter in jenen Gegenden gar nicht überall, ja wohl sehr selten zu bekommen ist, mit zusammengebundenen Vorderfüßen (hobbled) frei laufen lassen, und Morgens konnte man sich dann ziemlich fest darauf ver-/45/lassen, Stunden, ja halbe Tage oft nach ihnen umhersuchen zu müssen. Außerdem ermüdet einen Reiter nichts mehr und auf angreifendere Weise, als das Bewußtsein, ein hungriges, abgemattetes Thier unter sich zu haben, die ewige Sorge deshalb verleidet ihm den ganzen Ritt, und er geht am Ende lieber ganz, ehe er sich von einem ewig müden Tiere langsam fortschleppen läßt. Unter diesen Umständen, meinte denn Herr Shepherd, dürfte ich kaum darauf rechnen, Adelaide in weniger als drei Monaten zu erreichen -, es wäre möglich, daß ich die Tour in etwas kürzerer Zeit zurücklegen könnte, Alles gerechnet, kämen aber doch am Ende drei Monate heraus, wobei ich noch das Vergnügen hätte, fast alle jene Stämme oft sehr feindseliger und verräterischer Wilden am Murray selber, zu dem ich mich des Wassers wegen halten mußte, anzutreffen. Drei Monate im Sattel, und noch dazu auf solche Art, war eine entsetzlich lange Zeit, und die Sache ging mir den ganzen Tag im Kopf herum.

      Am 3. April war eine Ausstellung weiblicher Arbeiten zum Besten der Armen im botanischen Garten, und da fast ganz Sidney hinausströmte, strömte ich natürlich mit. Die Ausstellung befand sich in einem im Grünen aufgeschlagenen großen Zelt, und enthielt, was ich wenigstens davon zu sehen bekommen konnte, gerade nichts Besonderes. - Die besseren Sachen waren aber, glaub' ich, schon verkauft oder verlost worden, doch selbst um das Übrige erhielt sich, um die beiden langen Tische her, ein solch' entsetzliches Gedränge, daß man nur wirklich mit Lebensgefahr hineindrängen konnte. Die ganze schöne Welt von Sidney schien hier versammelt, und es tat dem Auge ordentlich wohl, eine solche Menge reizender Gestalten auf einem Punkt vereinigt zu sehen. Mir war es besonders wieder einmal etwas ganz Neues, und fast wie ein Anklang aus der Heimat. Ein gar wunderliches buntes Gemisch von Leuten trieb sich unter den duftenden Blütenbüschen und den hier aus allen Zonen gesammelten Bäumen herum; das schöne Geschlecht zeigte sich aber jedenfalls am stärksten vertreten - Wohltätigkeit war ja auch die angegebene Hauptursache - und seit langer Zeit hatte der botanische Garten wohl keinen so herrlichen Farbenschmelz und /46/ prangenden Blütenschmuck gezeigt, als gerade heute. Ermüdet vom langen Umherstreifen, warf ich mich zuletzt unter einen der Bäume auf den Rasen, um mir das Leben und Treiben um mich her ruhiger zu betrachten. Dies Leben und Treiben mochte mir auch fremd sein, aber der Baum selber, unter dem ich lag, war ein alter Bekannter aus Louisiana, eine Akazienart, mit dolchähnlichen, vom Stamm ausstehenden Dornen. Mein Pferd hatte mich einmal in den Redriversümpfen im wilden, gefährlichen Sprung, auf einer Bärenhetze, zwischen zwei solchen, nur eben weit genug auseinanderstehenden Bäumen, um uns durchzulassen, hingetragen, und ich weiß mich noch genau des Schauders zu erinnern, der mich durchrieselte, als ich daran dachte, wie ich aussehen müsse, wenn mich rechts oder links jene furchtbaren Dornen erfaßt hätten. Im Augenblick war ich am Ufer des Mississippi, unter den schattigen Pekans und Cypressen, dem grau wuchernden Moose und den duftenden Magnolienblüthen jenes schönen Landes, und lag dort so lange, bis ein aufsteigendes Gewitter mich daran mahnte, ein Obdach zu suchen.

      Der Regen dauerte aber nicht lange, bald stand die Sonne wieder in voller Pracht am Himmel, und ich kehrte in die Stadt zurück, schrieb ein paar Briefe und warf mich dann zeitig auf mein Bett.

      Die Landreise nach Adelaide ging mir aber wieder im Kopf herum. Wieder hatte ich Leute gesprochen, die mir ab rieten, sie in jetziger Zeit zu unternehmen, da die Pferde fast nichts zu fressen fänden. Der alte bekannte Dornenbaum aus den Redriversümpfen hatte dabei alte liebe Erinnerungen geweckt - es war gar eine schöne, wilde Zeit, als ich in den prachtvollen Wäldern des Westens den Hirsch und Bär jagte, und die stillen, raschen Fluten des mächtigen Riororo in dem schlanken, leichten Canoe hinabglitt - Canoe? - ich sprang bei dem Gedanken ordentlich im Bett empor. - Und was hinderte mich, den Murray ebenfalls in einem Canoe hinabzufahren? - Die Entfernung? - konnte ich damals 500 Meilen auf dem Redriver zurücklegen, waren die 2000, die der Murray hier etwa fließen mochte, auch keine Unmöglichkeit. - Die Schwarzen? - ich führte eine vortreffliche Büchse, /47/ und die Schwarzen werden nur zu oft, und nicht selten sehr ungerecht, zu Popanzen gebraucht. - Der Weg war gefunden - eine Canoefahrt den Murray hinunter - eine Fahrt, die noch Keiner vor mir, wenigstens bis Adelaide hinunter, gemacht hatte, und dann die Jagd am Fluß selber: Kängurus und Kasuare, wilde Hunde und schwarze Schwäne - Gott weiß, was mir die Nacht all' für grauses Zeug träumte; der nächste Morgen fand mich aber noch eben so warm für den Plan, als der gestrige Abend, und Erkundigungen, die ich an diesem Tag über den Strom selber einzog, ließen mich keinen Augenblick zweifeln, daß, ich die Tour ausführen könne - mein Entschluß war gefaßt.

      Am andern Tag, einem Sonntag, fuhr ich mit Herrn Dreutler, dessen Nichte, dem Capitain des erst vor einigen Tagen eingelaufenen und wieder nach Hamburg bestimmten Schiffes Dockenhuden, und einem mit dem Dockenhuden gekommenem Passagier nach Botanybai, dem interessantesten Punkte Sidneys, hinaus, und wir verlebten dort einen sehr angenehmen Tag. Bei einer reizenden Lage am Ufer der kleinen, aber freundlichen Bai ist dort ein wirklich vortrefflicher Vergnügungsort angelegt, der neben einem sehr hübschen Garten noch dadurch besonderes Interesse gewinnt, daß der Wirth einen großen Teil der einheimischen Tiere gesammelt hält und dadurch seinen kleinen Platz gewissermaßen in einen zoologischen Garten verwandelt hat. Außer den Kasuaren oder Emus befinden sich da drei wilde Hunde, ganz tüchtige Burschen von gelbrother Farbe mit ordentlichen Schäferhundsköpfen und Fuchsschwänzen, die wohl aussehen, als ob sie den Schafherden beträchtlichen Schaden zufügen könnten, eine Menge sehr schöner großer Raubvögel, mit den wunderlichsten Arten der hiesigen Tauben, Papageien und Kakadus. Ferner das Opossum, das sich übrigens von dem nordamerikanischen Opossum wesentlich unterscheidet. Es ist dieses ein viel freundlicheres Thier, nicht mit dem fatalen Rattenäußern und kahlen Schwanz, wie das amerikanische, sondern mehr einem fetten, behäbigen, pensionierten grauen Eichhörnchen gleichend, nur natürlich größer. Dann zwei schwarze Schwäne, prachtvolle Tiere mit dem schwarzbraunen Gefieder und den roten /48/Schnäbeln, moskowitische Enten, ebenfalls hier einheimisch, und die Hauptsache von Allem: fünf Kängurus, die mit zwei Rehen (erst kürzlich von Manila importiert) in einer kleinen Einfriedigung zusammengesperrt leben. Ihre Sprünge sind wirklich possierlich, und die kurzen Vorderpfoten wußten sie, als wir sie auf dem Rückweg mit Brod fütterten, auf das Geschickteste zu benutzen, um sich der mehr als zudringlichen und meistens den Platz behauptenden Rehe zu erwehren. - Den letzteren mußte übrigens das Klima nicht besonders zusagen, denn als ich zum zweiten Mal hier herauskam, war der Bock schon verendet.

      An fremden Tieren waren noch da: ein junger bengalischer Tiger, ein prachtvolles glattes, geschmeidiges Thier, und ein kleiner schwarzer Bär vom Himalayagebirge, ein kleiner, häßlich struppiger, faul und mürrisch aussehender Gesell, der sich übrigens seiner Häßlichkeit ordentlich zu schämen schien, denn er hielt sich fast ununterbrochen die eine Vordertatze vor das Gesicht.

      Als ich später noch einmal Botanybai besuchte, fuhren wir auch mit einem Boot an das andere Ufer der Bai hinüber, das insofern merkwürdig ist, als Capitain Cook hier sowohl wie La Perouse, der berühmte französische Seefahrer, zum ersten Mal australischen Boden betraten. Das Ufer wird dort durch einen sehr weichen gelben Sandstein gebildet, der sich auch in steiler niederer Klippe emporzieht, und zum Andenken an diese Stelle ist dort eine kleine Kupferplatte in den Fels eingelassen, welche die näheren Daten enthält. La Perouse dagegen ist auf dem linken Ufer der Bai eine kleine Säule von Sandstein gesetzt, um sein Andenken zu feiern. - Nachdem er nämlich die australischen Küsten verließ, hat man nie wieder von ihm gehört, und nur nach langen Jahren, wenn ich nicht irre, an den Küsten von Neu-Guinea, Anzeichen gefunden, daß sein Schiff dort gestrandet und die Mannschaft verloren gegangen oder erschlagen sein müßte.

      An Scenerie bietet Botanybai übrigens gar nichts und kann nicht im Entferntesten mit der benachbarten Sidneybai oder Port Jackson, wie sie gewöhnlich genannt wird, verglichen werden. - Die unmittelbaren Ufer der Bai und einige kleine /49/ niedere Talflächen ausgenommen, ist das Land eine buschüberwachsene Sandfläche, die oft in dürre weiße Sandstrecken ausartet, und Port Jackson, das da so reizend mitten im dürren Boden liegt, kam mir wahrlich vor wie ein kleiner Ausschnitthändler, der seinen ganzen Warenvorrat aufgeputzt im Schaufenster hängen und zu diesem Zweck seinen ganzen übrigen Laden geplündert hat. Botanybai ist allerdings der Mannigfaltigkeit neuer Pflanzenarten wegen berühmt, die man


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