Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 2 - Gerstäcker Friedrich


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und mehr zu bauen, als sie zu ihrem eigenen Unterhalt brauchen.

      Eines Sonntags, als ich eben wieder in der Veranda des nordamerikanischen Hotels saß und die wundervolle Bai, die reizende kleine mit Palmen bewachsene Insel und im Hintergrund die kühnen Contouren Imeos überschaute, lief eine Brig unter englischer Flagge ein, und eine halbe Stunde später hörte ich, das Fahrzeug sei nach Sidney bestimmt. So fuhr ich an Bord des neu angekommenen Schiffes Emma Prescott hinüber und bedung auch ohne weiteres Zögern meine Passage nach Sidney - an Ort und Stelle angekommen zu zahlen. Die Brig sollte nun allerdings schon am nächsten Abend unter Segel gehen, ich war aber in der Art zu oft angeführt, um mich groß zu beeilen, schaffte also nur ruhig meine Sachen an Bord und beschloß dann, den letzten Augenblick, das Lösen des Vormarsscgels, abzuwarten.

      Eine Hauptsache hatte ich indes noch zu besorgen: einen Vorrat an Früchten nämlich für die Reise anzuschaffen, und hierin war mir besonders ein junger Straßburger, Herr Rollenberger, den ich dort kennen lernte, behilflich. Aus dessen Garten pflückte ich mir noch nicht vollreife Orangen selber, da die zum Markt gebrachten gewöhnlich heruntergeschüttelt werden und sich nicht die Hälfte der Zeit halten. Außerdem ver-/34/ sah ich mich noch mit Bananen, Cocosnüssen zum Trinken, Citronen für das Wasser, rotem Pfeffer für Salzfleisch und Speck - eine schöne Abwechselung gegen die herrliche vegetabilische Kost auf den Inseln - und durfte so einer Fahrt in dem ziemlich warmen Wetter mit Ruhe entgegensehen. Außerdem hatte mir der Supercargo des Schiffes auch noch eine Reihe von Sachen genannt, die er einkaufen wollte, und mit günstigem Wind konnten wir Australien leicht in drei bis vier Wochen erreichen.

      Den ganzen letzten Tag in Papetee verbrachte ich übrigens auf dem Markt, um die nötigen Sachen zu bekommen, denn dieser ist auf gar wunderlich unbequeme Art eingerichtet, und so ärmlich und traurig bestellt, wie es nur immer die Faulheit der Indianer zuläßt. Die Marktgebäude bestehen aus zwei auf hölzernen Pfosten ruhenden, etwa fünfundzwanzig Schritt langen und zehn Schritt breiten Strohdächern, unter denen, was gerade eingebracht ist, feilgeboten wird. Man kann aber zehnmal des Tages hinkommen, und findet vielleicht nur an dem einen Pfosten einen Mann mit zwei Körben Orangen oder Bananen und an einem andern ein Mädchen mit vier oder fünf Stengeln Zuckerrohr. Das einzige Gute bei dem Einkauf ist, daß kein Handel stattfindet. Die Eingeborenen fordern ihren Preis, den, wenn ich nicht irre, die Regierung auf die Sachen setzt, und davon gehen sie nicht ab; wer ihnen das nicht gibt, läßt die Sache eben ungekauft. Das Schlimme aber dabei, sie binden sich an gar keine Zeit, mit ihren Waren zu Markt zu kommen, denn sie wissen recht gut, sie verkaufen Alles, was nicht eben das Alltäglichste, wie Orangen, Bananen und Kürbisse, ist, so rasch wie sie nur den Marktplatz erreichen. So sieht man sie denn bald von dieser, bald von der Seite mit ihren Stöcken auf der Schulter, von denen nach chinesischer Sitte die Waren hinten und vorn herunterhängen, langsam angeschlendert kommen, und mit derselben Ruhe stecken sie ihr Geld ein und schlendern wieder ab.

      Dabei sind sie auch, wenn sie erst die eine Ladung verkauft haben, nie zu bewegen, eine zweite zu bringen - ihre Tagesarbeit ist getan, sie haben gerade so viel, wie sie für /35/heute brauchen, und sich auf m o r g e n zu quälen? - fällt ihnen gar nicht ein. So wollte ich gern so rasch als möglich eine größere Quantität Cocosnüsse haben, als eben einkam, und bot zweien der jungen Burschen, denen ich ihren Stock voll abgekauft hatte, das Doppelte, um mir noch eine solche Quantität zu bringen. - ,,Morgen!" lautete die lakonische Antwort, und wenn sie Taschen gehabt, hätten sie jedenfalls die Hände hineingesteckt.

      Die Cocosnüsse, die sie zu Markt bringen, sind gewöhnlich schon von ihren Hülsen befreit; da sich aber die mit den Hülsen noch daran besser zu einer Seereise eignen, indem sie sich länger halten - denn die ersteren verderben schon nach vier, fünf Tagen -, so ließ ich mir auf dem Markt selbst von einer dort stehenden Cocospalme eine Partie herunternehmen.

      Die Art, wie die Indianer auf die Cocospalmen hinaufklettern, ist eigentümlich. Sie machen sich von Bast einen „Schuh", wie sie es nennen, das heißt, sie nehmen ein vielleicht drei Fuß langes Stück starken Bast, binden dies an den Enden zusammen und schlagen es, daß es sich in der Mitte kreuzt, um beide Füße; auf solche Art bildet es eine Art Steigbügel, und mit Hülfe desselben, die Beine immer zu gleicher Zeit nach sich ziehend, laufen die jungen Bursche manchmal wie Katzen an den hohen, schlanken, selten aber mehr als ein bis anderthalb Fuß im Durchmesser haltenden Palmen empor, brechen die Nüsse von den dünnen Stielen los, stellen sie, die Spitze nach unten, zwischen die zusammengespitzten Finger und drehen sie scharf, damit sie, herunterfallend, in der Luft sich Herumwirbeln, ihre Stellung behalten und mit der Spitze wieder in die weiche Erde fahren. Schlagen sie seitwärts auf, so platzen sie und das Wasser geht verloren.

       Morgens um elf Uhr etwa, nachdem mich der Supercargo schon hatte um Sechs an Bord sprengen wollen, wurde zuerst die Ankerwinde der Emma Prescott bemannt, bald darauf liefen die Leute nach oben, um das Vormarssegel zu lösen, und es war jetzt Zeit zu gehen, wenn ich nicht zurückgelassen werden wollte. Mein Canoe, mit einem kleinen indianischen Burschen darin, lag übrigens bereit; rasch schossen wir, von /36/ zwei Rudern stark getrieben, über die spiegelglatte Bai. - Up with your helm! rief der Lotse in demselben Augenblick fast als ich an Bord kletterte, der Bug der Brig kam herum, und nicht zwei Minuten später flatterten die Segel, die Schrotkörner flogen, von den Geitauen gezogen, an die Spitzen der Raaen, diese wurden fast Vierkant gebraßt, denn der Wind war zum Auslaufen vortrefflich, und als das Wasser unter dem Bug zu kräuseln begann, ließen wir die Fahrzeuge, zwischen denen wir gelegen, zurück, und näherten uns mehr und mehr den Riffen, zwischen denen hinaus die Natur hier eine breite herrliche Fahrstraße gelassen, und hatten vor uns schon die weite, freie See. Noch zwischen den Riffen ging der Lotse — ein Amerikaner, und nicht mehr der alte wackere Jim, dessen sich frühere Seefahrer noch mit so viel Vergnügen erinnern - wieder an Bord; sein Walfischboot hatte er hinten anhängen gehabt. - Rechts und links vor uns schäumte die Brandung - die Riffbank flog vorüber - die Häuser von Papetee schmolzen mehr und mehr zusammen, kaum ließen sich noch die einzelnen Menschen am Rand mit bloßen Augen erkennen. Joranna, Joranna! ihr freundlichen Inseln - eure Palmen sinken in die See, eure Berge schwinden am Horizont zusammen, Joranna! - und gen Westen liegt wieder meine Bahn, der sinkenden Sonne nach.

      Australien.

      1.

      Sidney.

       Wieder einmal habe ich festen Grund und Boden betreten, und wie mit einem Zauberschlag hat sich Land, Klima, Boden, Szenerie, Bewohner - kurz alles, was die eigentliche Welt bildet, um mich her verändert. Nicht mehr die rauschenden Palmen sind es, die über mir wehen, nicht mehr das Brausen und Donnern der Riffe, und das Rascheln und Flüstern der im Winde schwankenden breiten Bananenblätter, nicht das fröhliche Lachen und Singen der immer frohen, sorglosen Tahitier dringt an mein Ohr; - wie eine beschnittene Taxushecke umgibt mich das flache, mit den wunderlich regelmäßigen Bäumen besetzte Land, mit ihren gleichmäßigen, trefflich aufgeführten Häusermassen die Stadt, und die breite irische Brogue und der englische Dialekt ist das Einzige, was dem Ohr für den romantischen Zauber, den es verloren, Ersatz bieten soll.

       Es war überhaupt ein wunderliches Gefühl, mit dem ich in Australien an Land sprang. - Australien — Alles was verkehrt und sonderbar ist, gewöhnt man sich den vielen Beschreibungen nach, die uns darüber von Kindheit an vorgekommen, gerade unter dem Namen Australien zu denken, und man möchte gleich beim ersten Ansprung schon über die Häuser, die ja ebenso aussehen wie in jeder andern civili-/40/sierten Stadt, hinwegschauen können, nur um die jedenfalls dahinter liegenden Sonderbarkeiten zu entdecken.

       K ä n g u r u - schon der Name hat einen gewissen Zauber, besonders für einen Jäger - Schnabeltier - Kirschen mit den Kernen auswärts, Bäume, die die Rinde abwerfen; für den gerade von Europa Kommenden auch noch die verkehrten Jahreszeiten, das Alles sind Sachen, an die man gerade nicht bestimmt denkt in dem Augenblicke, deren Bild uns aber doch in einer verworrenen Masse - Köpfe nach unten natürlich - vorschwebt, und die Farben wie in einem Kaleidoskop rasch wechseln und in einander fließen läßt. Es hat dabei einen ganz eigenen Reiz, nur allein einen fremden Erdteil betreten zu haben. So sehr der Mensch mit seines Herzens innersten Fasern an dem eigenen Vaterland hängt, so sehr wünscht er doch auch ein anderes zu sehen, um sich eben wieder zurücksehnen zu können - wie viel mehr denn, wenn dieser Erdteil auch noch gewissermaßen zu unseren Antipoden


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