Die Zeitmaschine. H. G. Wells

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Die Zeitmaschine - H. G. Wells


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Veränderungen geblieben, die mich so überrascht hatten.

      »Hören Sie«, sagte der Herausgeber ausgelassen, »diese Burschen hier behaupten, Sie seien in die Mitte der nächsten Woche gereist! Erzählen Sie uns doch bitte alle Neuigkeiten von unserem kleinen Premier Rosebery. Was wollen Sie für das ganze Paket haben?«

      Der Zeitreisende trat ohne ein Wort an den Platz, der für ihn reserviert war. Er lächelte auf seine alte Weise leise vor sich hin. »Wo ist mein Hammel?«, fragte er. »Was für ein Vergnügen, die Gabel wieder in ein Stück Fleisch zu stecken!«

      »Die Story!«, rief der Herausgeber.

      »Verdammt sei die Story!«, sagte der Zeitreisende. »Ich möchte etwas essen. Ich werde kein Wort sagen, bis ich etwas Pepton in meinen Adern habe. Danke. Und das Salz.«

      »Auf ein Wort«, sagte ich. »Haben Sie eine Zeitreise unternommen?«

      »Ja«, sagte der Zeitreisende mit vollem Mund und nickte.

      »Ich würde einen Schilling für einen ausführlichen Bericht geben«, sagte der Herausgeber.

      Der Zeitreisende schob sein Glas auf den Schweigsamen Mann zu und klirrte mit einem Fingernagel daran; daraufhin fuhr der Schweigsame Mann zusammen, denn er hatte ihm ins Gesicht gestarrt, und schenkte ihm Wein ein. Der Rest des Dinners verlief unbehaglich. Was mich anging, so drangen mir immer wieder plötzliche Fragen an die Lippen, und ich wage zu behaupten, dass es den übrigen nicht anders erging. Der Journalist versuchte die Spannung zu lösen, indem er einige Anekdoten einer gewissen Hettie Potter zum Besten gab. Der Zeitreisende widmete seine Aufmerksamkeit dem Dinner, und dies mit dem Appetit eines Landstreichers. Der Mediziner rauchte eine Zigarette und beobachtete den Zeitreisenden durch seine Wimpern. Der Schweigsame Mann schien sogar noch unbeholfener als gewöhnlich und trank Champagner aus schierer Nervosität in einem entschlossenen Takt.

      Schließlich schob der Zeitreisende seinen Teller von sich und sah in die Runde. »Ich nehme an, ich muss mich entschuldigen«, sagte er. »Ich war einfach ausgehungert. Ich hatte ein höchst erstaunliches Erlebnis.« Er griff nach einer Zigarre und schnitt das Ende ab. »Aber folgen Sie mir doch in den Rauchersalon. Die Geschichte ist zu lang, um über schmutzigen Tellern erzählt zu werden.« Und damit führte er uns in den Raum nebenan, wobei er auf dem Weg die Glocke läutete.

      »Sie haben Blank, Dash und Chose von der Maschine berichtet?«, fragte er mich und lehnte sich in seinem Sessel zurück, während er die drei neuen Gäste beim Namen nannte.

      »Aber das Ganze ist doch nur ein einfaches Paradox«, sagte der Herausgeber.

      »Heute Abend kann ich nicht darüber diskutieren. Es macht mir nichts aus, Ihnen die Geschichte zu erzählen, aber ich kann nicht diskutieren. Ich werde«, fuhr er fort, »Ihnen berichten was mir zugestoßen ist, wenn Sie möchten, aber Sie müssen davon absehen, mich zu unterbrechen. Ich möchte alles erzählen. Unbedingt. Das meiste wird sich wie eine Lüge anhören. So sei es! Es ist wahr – jedes einzelne Wort, eins wie das andere. Ich war um vier Uhr in meinem Labor und seitdem...habe ich acht Tage gelebt…Tage, wie sie kein menschliches Wesen zuvor je erlebt hat! Ich bin nahezu völlig ausgelaugt, aber ich werde nicht schlafen bis ich Ihnen die ganze Sache erzählt habe. Dann werde ich zu Bett gehen. Aber keine Unterbrechungen! Einverstanden?«

      »Einverstanden«, sagte der Herausgeber, und der Rest von uns wiederholte sein »Einverstanden«.

      Und damit begann der Zeitreisende seine Geschichte, so wie ich sie festgehalten habe. Zunächst hatte er in seinem Sessel Platz genommen und sprach, als sei er völlig erschöpft. Später wurde er etwas lebhafter. Während ich dies niederschreibe, verspüre ich nur zu deutlich wie unzulänglich Stift und Tinte sind – und darüber hinaus meine eigene Unzulänglichkeit – um das Gehörte in aller Konsequenz auszudrücken. Sie lesen es, wie ich annehme, aufmerksam genug; aber Sie können nicht das bleiche, ernste Gesicht des Sprechers sehen, im hellen Kreis der kleinen Lampe, und auch nicht die Betonungen seiner Stimme vernehmen. Sie können nicht wissen, wie seine Miene den Wendungen der Geschichte folgte! Die meisten von uns Zuhörern saßen im Schatten, denn die Kerzen im Rauchersalon waren nicht entzündet worden, und nur das Gesicht des Journalisten und die Beine des Schweigsamen Mannes von den Knien abwärts wurden beleuchtet. Zu Beginn blickten wir uns hin und wieder gegenseitig an. Nach einer Weile aber hörten wir damit auf und betrachteten nur noch das Gesicht des Zeitreisenden.

      Kapitel 3

      »Ich habe einigen von Ihnen schon letzten Donnerstag die Prinzipien der Zeitmaschine erläutert und diesen das Gerät selbst gezeigt, als sie unvollendet in meiner Werkstatt stand. Dort ist sie nun, ein wenig reisemüde, allerdings; und eine der Elfenbeinstangen ist gebrochen, und eine Messingleiste verbogen; aber der Rest davon ist noch ziemlich intakt. Ich rechnete damit, sie am Freitag fertigzustellen, doch am Freitag, als beinahe schon alles zusammengebaut war, stellte ich fest, dass eine der Nickelstangen genau ein Zoll zu kurz war, und diese musste ich neu anfertigen lassen; daher war die Maschine bis heute Morgen nicht fertig. Gegen zehn Uhr heute früh begann die erste aller Zeitmaschinen ihre Laufbahn. Ich tätschelte sie ein letztes Mal, zog alle Schrauben noch einmal nach, gab noch einmal einen Tropfen Öl auf den Quarzstab und setzte mich in den Sattel. Ich nehme an, ein Selbstmörder, der sich eine Pistole an den Schädel hält, empfindet dasselbe Staunen über das, was als nächstes kommen mag wie ich in diesem Augenblick. Ich packte den Starthebel mit der einen Hand und den Bremshebel mit der anderen, drückte ersteren vor und fast sofort den zweiten. Ich schien zu taumeln; ich empfand das alptraumhafte Gefühl zu fallen; und als ich mich umblickte, sah ich das Labor genauso vor mir wie zuvor. War irgendetwas geschehen? Einen Augenblick lang hatte ich den Verdacht, dass mich mein Intellekt selbst getäuscht hatte. Dann bemerkte ich die Uhr. Vor einem Moment noch, wie ich es empfand, hatte sie auf einer Minute oder so nach zehn gestanden; nun war es beinahe halb vier!

      Ich atmete tief durch, packte den Starthebel mit beiden Händen und machte mich mit einem dumpfen Knall auf den Weg. Das Labor wurde dunkel und verschwommen. Mrs. Watchett kam herein und ging, scheinbar ohne mich zu sehen, auf die Gartentür zu. Ich nehme an, sie benötigte etwa eine Minute, um den Raum zu durchqueren, aber für mich schien sie wie eine Rakete durch das Labor zu schießen. Ich schob den Hebel bis zum äußersten Anschlag. Die Nacht kam, als sei eine Lampe ausgeschaltet worden, und im nächsten Augenblick kam der Morgen. Das Labor wurde blass und undeutlich, dann blasser und noch blasser. Die morgige Nacht kam schwarz, dann wieder Tag, wieder Nacht, wieder Tag, immer schneller und schneller. Ein wirbelndes Murmeln füllte meine Ohren, und eine merkwürdige, geistlose Verwirrung senkte sich über meinen Verstand.

      Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht die besonderen Empfindungen des Zeitreisens vermitteln. Sie sind außerordentlich unangenehm. Sie ähneln den Empfindungen bei einer Fahrt auf einer Achterbahn empfindet – ein Gefühl des hilflos kopfüber Fallens! Ich verspürte außerdem dieselbe grausige Erwartung eines drohenden Aufpralls. Während mein Tempo zunahm, folgte die Nacht dem Tag wie das Flattern eines schwarzen Flügels. Schließlich schien die undeutliche Andeutung des Labors ins Nichts zu fallen und ich sah, wie die Sonne rasch über den Himmel hüpfte, in jeder Minute einen Sprung vollführend, und jede Minute entsprach einem ganzen Tag. Ich nehme an, das Labor war zerstört worden und ich befand mich nun unter freiem Himmel. Ich hatte den verschwommenen Eindruck eines Baugerüstes, aber ich war bereits zu schnell, um bewegliche Objekte noch bewusst wahrzunehmen. Die langsamste Schnecke, die je auf Erden kroch, raste zu schnell an mir vorbei. Die blinkende Abfolge von Dunkelheit und Licht war außerordentlich schmerzhaft für die Augen. Dann, während der sporadischen Dunkelheiten, sah ich den Mond, wie er sich rasch durch seine Viertel von Neumond zu Vollmond drehte, und ich konnte einen flüchtigen Blick auf die sich drehenden Sterne erhaschen. Schließlich, als ich mit immer noch ansteigender Geschwindigkeit weiterreiste, verschmolz der Herzschlag von Tag und Nacht zu einem beständigen Grau; die hüpfende Sonne wurde zu einem Feuerstrahl, einem grellen Bogen am Himmel; der Mond zu einem matteren, schwingenden Streifen; und von den Sternen konnte ich nichts mehr sehen, außer ab und an einen helleren Kreis, der im Blau aufflackerte.

      Die Landschaft war nebelhaft und verschwommen. Ich befand mich noch immer auf dem Hügel, auf dem sich zur Zeit dieses Haus befindet, und


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