Das Dschungelbuch. Rudyard Kipling

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Das Dschungelbuch - Rudyard Kipling


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Mehr kann ich nicht tun; aber wenn ihr wollt, kann ich euch die Schande ersparen, einen Bruder zu töten, gegen den keine Klage ist – einen Bruder, für den man sprach und den man einkaufte ins Pack nach dem Gesetz der Dschungel.«

      »Er ist ein Mensch – Mensch – Mensch!« knurrte wütend das Rudel, und die meisten Wölfe begannen sich um Schir Khan zu scharen, dessen Schwanz die Luft peitschte.

      »Jetzt ist's an dir!« sagte Baghira zu Mogli. »Uns bleibt nur der Kampf!«

      Mogli stand aufrecht, den Feuertopf in den Händen. Dann streckte er die Arme aus und gähnte den knurrenden Wölfen gerade ins Gesicht. Aber im Herzen war er rasend vor Wut und Trauer, denn nach Wolfsart hatten die Wölfe ihn niemals merken lassen, wie sehr sie ihn haßten.

      »Hört jetzt, ihr da!« rief er. »Überflüssig ist all dieses Hundegekläff! Gern wäre ich mit euch ein Wolf geblieben, bis zu meines Lebens Ende – aber immer wieder habt ihr's mir heute gesagt, ich sei ein Mensch, und ich fühle, eure Worte sind wahr! Und so nenne ich euch hinfort nicht mehr meine Brüder, sondern Sag (Hunde), wie dem Menschen geziemt. Was ihr tun oder nicht tun werdet, das habt nicht ihr zu bestimmen – das ist allein meine Sache. Und damit euch das deutlich wird, darum habe ich, der Mensch, zu euch die rote Blume gebracht, vor der ihr Hunde euch fürchtet!«

      Er warf den Feuertopf um, und rote Kohlen fielen auf trockenes Moos, das aufflammte; entsetzt wich das Wolfspack zurück vor den aufzüngelnden, glühenden Schlangen.

      Mogli hielt den trockenen Ast in das Feuer, bis die Zweige brannten, und dann schwang er ihn über den Kopf und sprang zwischen die kauernden Wölfe.

      »Du bist ihr Herr und Meister!« flüsterte ihm Baghira zu. »Rette Akelas Leben! Er war stets dein Freund!«

      Akela, der grimmige, alte Wolf, der niemals in seinem Leben um Gnade gefleht hatte, sah auf und warf einen zaghaft klagenden Blick auf den Knaben, der nackend dastand mit wallendem, schwarzem Haar und umtanzt vom zitternden, schwankenden Schatten der flackernden Glut.

      »Gut!« sagte Mogli und blickte im Kreise um sich, »ich wußte es – ihr seid Hunde! Ich gehe von euch zu meinem eigenen Volke – wenn es mein Volk ist. Verschlossen ist mir fortan die Dschungel, und vergessen muß ich euch und das Leben bei euch. Aber ich will barmherziger sein, als ihr es wart! Da ich euer Bruder war – euer Bruder in allem, nur nicht im Blute –, verspreche ich, daß ich, bin ich Mensch unter Menschen, euch nicht an die Menschen verraten werde, wie ihr mich verraten habt. Kein Krieg soll sein zwischen mir und euch.« Mogli stieß mit dem Fuß in die brennenden Hölzer, daß die Funken aufprasselten. »Aber noch ist eine Schuld hier zu begleichen, bevor ich gehe.« Er schritt hin zu Schir Khan, der dasaß und blöde blinzelnd in die Flamme starrte, und packte ihn fest an den Kinnhaaren. Baghira war ihm gefolgt.

      »Auf Hund!« schrie Mogli ihn an. »Auf, wenn ein Mensch mit dir spricht, oder ich stecke dir dein Fell in Brand!«

      Schir Khans Ohren legten sich flach an den Kopf, und er schloß die Augen, denn allzu nahe schwelte der glimmende Ast.

      »Dieser Viehschlächter prahlte, er würde mich heute töten, weil ich einst von ihm fortlief, als ich noch ein wehrloses Junges war! Ich will dir zeigen, wie die Menschen, wenn sie Männer geworden sind, die Hunde strafen! Rühre nur ein Glied, Langri, und ich stoße dir die Feuerblume in den Rachen!«

      Und er schlug den brennenden Ast dem Tiger um die Ohren, der in kläglicher Angst winselte und heulte.

      »Pah! Du versengte Dschungelkatze! ... Du kannst nun gehen! Aber wisse, daß ich das nächste Mal nur mit Schir Khans Fell um die Schultern hier zum Ratsfelsen kommen werde! ... Und ihr anderen, ihr falschen Brüder, hört meinen Willen! ... Akela geht frei von hier, wohin es ihm beliebt. Ihr werdet ihn nicht töten, weil ich es nicht will. Und nun fort mit euch allen! Ihr sollt hier nicht länger sitzen mit hängender Zunge, als wäret ihr etwas anderes als Hunde, die ich von dannen jage! Fort!«

      Das Feuer brannte hell am Ende des Astes, und Mogli schlug rechts und links in den Haufen, daß die Wölfe heulend mit versengtem Fell davonstoben. Zuletzt waren nur Akela, Baghira und etwa zehn Wölfe auf dem Platze, die Moglis Freunde geblieben waren. Da ergriff Mogli ein Schmerz im Innern, wie er ihn noch nie gekannt hatte; sein Herz krampfte sich zusammen, er schluchzte, und Tränen liefen über sein Gesicht.

      »Was ist das? Was ist das nur?« fragte er. »Bei euch in der Dschungel möchte ich bleiben, und ich weiß nicht, wie mir ist. Sterbe ich, Baghira?«

      »Nein, kleiner Bruder! Das sind nur Tränen, wie die Menschen sie haben. Und nun weiß ich, daß du ein Mann bist und nicht mehr ein Kind. Die Dschungel ist dir in Zukunft verschlossen ... Laß sie rinnen, mein Mogli, es sind nur Tränen!«

      So saß Mogli und weinte und schluchzte, als wollte das Herz ihm brechen – weinte zum erstenmal in seinem Leben.

      »Jetzt«, sprach er, »jetzt will ich zu den Menschen gehen! Aber erst muß ich Abschied nehmen von meiner Mutter!«

      Und er lief zur Höhle, wo seine alte Mutter mit dem grauhaarigen Vater noch immer wohnte, und er weinte, weinte an ihrem Halse, während seine vier Brüder jämmerlich heulten.

      »Ihr vergeßt mich nicht?« fragte Mogli.

      »Niemals, solange wir noch einer Spur folgen können!« sagten die Brüder. »Komm zu dem Fuß der Hügel, wenn du bei den Menschen wohnst, und wir werden mit dir sprechen und bei Nacht mit dir in den Feldern spielen!«

      »Komm bald zu uns«, sagte Vater Wolf. »Oh, weiser, kleiner Frosch, du kehrst doch bald zurück? Denn wir beide sind alt, deine Mutter und ich!«

      »Komme bald, mein kleiner, nackter Sohn!« sagte Mutter Wolf. »Denn höre, du Menschenkind, ich liebte dich mehr als meine eigenen Jungen!«

      »Gewiß! Ich kehre zurück, und wenn ich komme, dann wird es sein, um Schir Khans Fell auf dem Ratsfelsen auszuspannen! Vergeßt mich nicht, Mutter – Vater – Brüder –, sagt allen in der Dschungel, sie sollen sich meiner erinnern!«

      Die Morgendämmerung stieg im Osten auf, als Mogli einsam die Hügel hinabschritt zu den Rätselwesen – Menschen genannt.

       Jagdgesang des Sioni-Rudels

      Der Tag brach an, und der Sambar röhrt

      Einmal – zweimal und wieder.

      Eine Hindin sprang auf – eine Hindin sprang auf

      Im tiefen Grunde am Wasserlauf –

      Dies hab' ich auf einsamer Pirsch gehört

      Einmal – zweimal und wieder.

      Der Tag brach an, und der Sambar röhrt

      Einmal – zweimal und wieder.

      Und ein Wolf schlich zurück – und ein Wolf schlich zurück,

      Dem Rudel zu künden von Beute und Glück.

      Und wir bellten und suchten und fanden die Spur

      Einmal – zweimal und wieder.

      Der Tag brach an, und das Rudel heult auf

      Einmal – zweimal und wieder.

      Füße in der Dschungel, spurlos und leis'

      Aug', das im Dunkel zu sehen weiß!

      Bleckender Fang und rasender Lauf!

      Einmal – zweimal und wieder.

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