Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich Mann

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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann


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      Heinrich Mann

      Die Kaiserreich Trilogie

      3. Der Kopf

      Die Kaiserreich Trilogie

      Heinrich Mann

      3. Der Kopf

      Impressum

      Texte: © Copyright by Heinrich Mann

      Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

      Verlag: Das historische Buch, 2022

      Mail: [email protected]

      Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

      Berlin

      Inhalt

       Neunzig Jahre vorher

       Erster Teil

       Erstes Kapitel. Die Frau von drüben

       Zweites Kapitel. Die Ringer

       Drittes Kapitel. Der Direktor

       Viertes Kapitel. Die Wiedergefundenen

       Fünftes Kapitel. Liebwalde

       Zweiter Teil

       Erstes Kapitel. Aufstieg

       Zweites Kapitel. Salon Altgott

       Drittes Kapitel. System Lannas

       Dritter Teil

       Erstes Kapitel. System Lannas. Sein Glück und Ende

       Zweites Kapitel. Wer ruft?

      Indes es noch dämmerte, entfaltete sich der linke Flügel des französischen Heeres am Wald hin. Aus dem Wald schwärmten Schützen, sie nahmen schon den Brückenkopf. Die ganze Festung geriet in furchtbare Verwirrung, ihre Verteidiger flohen bis unter die Mauern. Auf einem der niedrigen Hügel, die die Ebene beherrschten, sagte der Kaiser, den Feldstecher vor den Augen: »Der Feind denkt auf jeder der Landstraßen, die drüben sich kreuzen, eine seiner Divisionen entwischen zu lassen, aber er wird sich betrogen sehen, wir stürmen die Brücke, denn er wird die Sonne in den Augen haben. Ein prachtvoller Tag!« Er trällerte aus einer Operette: »Es kann kein Zweifel sein, der Dummkopf fällt herein.« Da nahm er mit einem Ruck das Glas fort: er hatte den linken Flügel weichen gesehen. Sofort schickte er einen seiner Adjutanten hinunter, um die Ursache zu erfahren.

      Sie bestand darin, daß die Truppen seit zwei Tagen kein Brot mehr hatten. Am Wald unter einer Eiche, bei großem Hinundherjagen, Geschrei und Kanonengetöse, beschimpfte der General den Intendanten. »Ihre Leute stehlen!« Wie er den Adjutanten des Kaisers nahen sah, ward der General noch wütender. »Sie stehlen selbst!« schrie er dem Intendanten zu.

      In diesem Augenblick wurden zwei Männer in bürgerlicher Kleidung vorbeigeführt, sie sollten Spione sein. Der Intendant, der sie etwas von Getreide hatte rufen hören, klammerte sich an den Zwischenfall, er ließ sie herbeibringen.

      »Ihr habt Getreide?« fragte er erbittert. »Dann habt Ihr die Bauernwagen gestohlen, die nicht eingetroffen sind. Ich lasse Euch aufknüpfen.«

      Der General und der Adjutant sprengten fort, um sich persönlich von dem Stande der Schlacht zu überzeugen. Der Intendant verlangte von den Männern:

      »Her mit dem Getreide!«

      »Bezahlen Sie es?« sagte der eine.

      »Sonst suchen Sie es!« sagte der andere.

      Der Intendant sah sie an. Sie hatten entschlossene Gesichter, der eine ein rundes ziegelrotes, mit Ringen in den Ohren, der andere ein langes, fromm und hart. Sie trugen Mäntel mit drei Kragen, dazu Pelzkappen und lange Stiefel.

      »Schurken!« sagte der Intendant – und dann leise, wegen der Umgebung: »Ich kann Euch retten.«

      Sie befragten einander mit den Augen, darauf schien es, als hätten sie nichts gehört. Der Intendant warf sich in die Brust, denn General und Adjutant kehrten zurück. Der Adjutant hatte die Truppen von der Unzufriedenheit des Kaisers verständigt. Zugleich hatte er ihnen zugerufen, es sei Brot eingetroffen. Niemand zweifelte an dem Erfolg des einen oder des anderen Mittels, wenn auch vorerst der Kampf noch immer näher kam. Mehrere Granaten platzten vor den Füßen der Herren, einige Verwundete wälzten sich zu nahe, die Herren traten ein wenig zurück. Die beiden Bürger, auf die niemand mehr acht gab, gingen ruhig mit, wie geladene Zuschauer. Dem General ward eine Flasche aus der Hand geschossen. Da er sich umsah, reichte einer der Bürger ihm die seine.

      »Ihr seid noch da?« fragte der General. »Warum holt Ihr Euer Getreide nicht?«

      Der mit dem langen Gesicht fragte: »Wird es uns bezahlt werden?« Der General sagte: »Wir haben den Höchstpreis.«

      »Zum Höchstpreis liefern wir nicht.« Dies sagten sie einstimmig.

      »Auch nicht, wenn ich Euch erschießen lasse?«

      »Lieber erschossen als ruiniert«, sagten sie. Der Adjutant des Kaisers bemerkte: »Es ist, als wenn wir sagen: lieber tot als entehrt.«

      Der General lächelte witzig. »Ihr seid Freunde?« fragte er; und da sie nickten: »Einem von Euch will ich mehr zahlen als den Höchstpreis. Der andere hat das Nachsehen.«

      »Wir brauchen aber alles«, rief der Intendant. »Auch die zehnte Division hat nichts mehr.«

      Der General dagegen: »Mir ist es gleich, was die anderen essen, wer liefert also?« fragte er die beiden Männer.

      Sie sahen an einander vorbei und schwiegen.

      Der General hatte gewartet, plötzlich faßte er den Größeren bei der Schulter, er schien mit ihm zu verhandeln. Da stieg dem Kleineren das Blut ins Gesicht. »Was Sie von dem bekommen«, sagte er bissig, »können Sie auch von mir haben.«

      »Ihr Kamerad ist aber billiger als Sie.«

      »Woher wissen Sie es?« Der Kleinere bekam rote Augen. »Ich will nicht mehr als den Höchstpreis.«

      Das Gesicht des Größeren blieb fromm und hart, aber er ward heiser. »Das fehlte nur noch«, stieß er aus, gegen den anderen.

      Der General sah sich triumphierend um. Inzwischen hatten auch seine Truppen Erfolg. Sie drangen dem Feind nach, der Kampf entfernte sich. Der General saß auf und sprengte hinterdrein, der Adjutant ritt in gestrecktem Galopp nach dem Hügel drüben, damit der Kaiser die Wirkung seines Eingreifens von niemand als ihm selbst erfahre. Auch den Intendanten riefen die Ereignisse, wie alle anderen. Allein standen die beiden Bürger vor einander, am Waldrand, einige hundert Meter von der Schlacht, die sie nicht sahen noch hörten. Sie hatten Sinne nur für ihre Sache.

      Der Größere grollte aus der Tiefe: »Was tust Du hier?«

      Der Kleinere keifte sofort auf. »Ich bin hier an meinem Platz so gut wie Du.«

      »Nur weil ich herkam, kamst Du auch. Vom Hause her auf Schritt und Tritt hast Du Dich an mich gehängt, die ganzen hundert Meilen.«

      »Wer hat mich nicht aus den Augen gelassen?«


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