Geschichte meines Lebens. George Sand

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Geschichte meines Lebens - George Sand


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desselben zu veranlassen. Er hat mir besonders empfohlen es in meiner Bittschrift so bemerklich als möglich zu machen, daß ich der Enkel des Marschalls von Sachsen bin; er versichert, daß dies nothwendig ist, um das Ziel zu erlangen. — Und die Schweiz und Marengo? sagte ich ihm. „Gut, gut“, gab er zur Antwort; „die Gegenwart ist viel, aber auch die Vergangenheit hat heutzutage bedeutenden Einfluß; reden Sie von dem Helden von Fontenoy, versäumen Sie nichts in dieser Beziehung.“ Sehr gut war es, daß ich am Tage zuvor bei Ordner gespeist hatte und von ihm mit offenen Armen empfangen war, denn Caulaincourt hat mich gefragt, wie ich mit ihm stände, und nachdem ich es ihm gesagt, hat er mir die Versicherung gegeben, daß Alles wie ein Uhrwerk gehen würde.“

      Paris, den 29. Frimaire.

      „.... Gestern hat August [August von Villeneuve.] das ernste Gewand eines Schatzmeisters der Stadt Paris angelegt. Er trug eine schwarze Kleidung, einen Degen, eine Börse, und wir haben uns über dies Kostüm fast todt gelacht. Aber er hat ein prächtiges Gesicht, dem Alles gut steht, und er trug sein Gewand mit vieler Würde. Es ist indessen gar zu drollig, die Kleider von ehemals wieder erscheinen zu sehen! René will nun Palastpräfect werden und seine Frau will Ehrendame sein. Ich habe gestern Beide geärgert, indem ich ihnen sagte, daß „große Damen“ sie sicherlich mit mißliebigen Blicken ansehen würden. Aber der erste Consul ist so liebenswürdig und aufmerksam gegen sie gewesen, daß sie der allgemeinen Bezauberung erlegen ist, und endlich eingestanden hat, daß alle jene großen Herren stolz und unverschämt sind, sie sind es um so mehr, da sie zum größten Theil die Gunst des Gebieters erstreben.“

      Paris, den 12. Pluviose.

      „... Zanke nicht mit mir; ich handle so gut ich es vermag. Aber wie ist's möglich an's Ziel zu gelangen, wenn man von Natur kein Höfling ist? Gestern habe ich Caulaincourt wiedergesehen und habe bei ihm frühstücken müssen. Er erzählte mir, daß er selbst meine Bittschrift in die Mappe des ersten Consuls gelegt und sogar mit ihm von mir gesprochen hätte, worauf ihm dieser die Antwort gegeben: „Wir werden das ansehen.“ Vielleicht ist das schon eine vorläufige Abweisung. Was kann ich nun dazu thun? Bonaparte hat mich dem Generalstabe einverleibt und Lacuée hatte mir dazu gerathen. Jetzt sagt Lacuée, daß dies etwas verteufelt Nichtsnutziges ist, und Bonaparte erlaubt mir doch nicht wieder auszutreten. Wenn ich es erlange, ist es eine große Gunst; aber ich bin nicht dazu geschaffen auf dem Bauche zu kriechen, um eine so einfache und gerechte Sache zu erlangen. Und doch kann ich mich nicht dazu entschließenden Plan aufzugeben, denn wenn der Frieden standhält, ist es mein größter Wunsch, mich in Paris niederzulassen. Wir würden uns dann so einrichten, daß Du den Winter in Paris zubrächtest — dann lebten wir doch nicht ewig getrennt, wodurch mein Zustand ebenso traurig wird, wie der Deinige. Ich bin in meinen Geschäften weder sorglos noch langsam — aber Du hast mich nicht zum Höfling erzogen, meine gute Mutter, und ich verstehe mich nicht darauf die Thüren der Mächtigen zu belagern. Caulaincourt benimmt sich ausgezeichnet gegen mich; in meiner Gegenwart hat er seinem Portier befohlen, mich immer eintreten zu lassen und möchte kommen wann ich wollte. Er weiß aber auch, daß ich nicht zu denen gehöre, welche davon Mißbrauch machen könnten, und wenn er mir wirklich behülflich sein will, ist es nicht nöthig, daß ich ihm lästig falle. Heute Abend gehe ich zum General Harville; es ist sein Empfangstag. Ich gehe dort hin mit dem Hut unter dem Arme, in Kniehosen, schwarzseidenen Strümpfen und grünem Frack, denn so will es jetzt der militärische Anstand ... Sage mir doch nicht mehr, daß Du Dich bemühen willst, so wenig als möglich an mich zu denken; ich bin schon ohne dies nicht sehr heiter, was sollte aber aus mir werden, wenn Du mich nicht mehr liebtest?'

      Paris, den 27. Pluviose.

      „Bei ***, welcher der Frau von Tourzelle ein äußerst glänzendes Souper gab, habe ich S*** getroffen und war davon entzückt. Uebrigens finde ich bei „Männlein und Fräulein“ immer dieselbe Hohlheit, dieselbe Dummheit. Die große Welt ist nicht verändert und wird sich nie verändern. Ich nehme nur einige Wenige aus und besonders Vitrolles, welcher Geist und Charakter besitzt.“ [In seinem scheinbaren Leichtsinn beurtheilte mein Vater die Menschen sehr richtig. Herr von Vitrolles gehört zu den seltenen Männern der royalistischen Partei, welche durch ihren Geist und ihren Charakter ausgezeichnet sind.]

      Paris, den 7. Ventôse.

      „Caulaincourt hat abermals mit dem ersten Consul von mir gesprochen. Er hat meine Bittschrift verlegt und will nun eine andere haben; heißt das etwa, daß ich hoffen soll? Ach! wenn der große Mann wüßte, wie sehr ich Luft habe ihn seiner Wege zu schicken und mich nicht mehr ohne Ruhm in seinem Dienst zu Grunde zu richten! Wenn ich Frieden mit ihm schließen soll, mag er uns wieder Ruhm geben. Aber unglücklicherweise ist ihm daran für den Augenblick nicht gelegen.“

      Den 28. Ventôse (März 1803).

      „Meinen Freund Heckel sehe ich oft; da er sehr fern von mir wohnt, macht jeder die Hälfte des Weges; wir treffen uns in den Tuilerien und durchschreiten plaudernd und philosophirend den ganzen Garten. Er ist in Wahrheit der gelehrteste und beredteste Mann, den ich jemals gekannt habe, und seine Ansichten sind so edel, daß ich mich immer besser fühle, wenn ich ihn verlasse, als wenn ich zu ihm trete. In diesem Augenblicke bewirbt er sich um die Stelle eines Professors bei einem Lyceum. Ich werde seine Bittschrift Bonaparte durch Dupont überreichen lassen. Ob ich etwas erreiche? Aus Liebe zu diesem würdigen Manne könnte ich wohl zum Intriguanten werden. Aber die Regierung befolgt den Grundsatz, nur denen etwas zu gewähren, die bereits etwas haben — und das ist so ziemlich die Geschichte jeder bedeutenden Macht ...“

      Am Charfreitage.

      „In diesen Tagen hat René ein glänzendes Frühstück gegeben, dem Eugen Beauharnais, Adrian von Man, Mylord Stuart, Madame Louis Bonaparte, die Fürstin Olgorouky, die Herzogin von Gordon, Madame d' Andlaw und Lady Georgina, Nichte der Herzogin von Gordon, beiwohnten. Das Ganze war im Interesse Eugen's veranstaltet, denn er ist in Lady Georgina, welche in der großen Welt als ein Stern der Schönheit gilt, verliebt und wird auch von ihr geliebt. Um ihren Ruf zu verdienen, fehlen ihr nur ein Mund und Zähne, aber in dieser Beziehung haben sich Eugen und sie nichts vorzuwerfen. Der Herzogin wäre es sehr erwünscht, sie mit ihm zu verheirathen, aber der gute Stiefvater Bonaparte sieht die Geschichte etwas anders an. Die Tante reist nun nach England zurück und die Liebenden sind in Verzweiflung. So macht die Größe das Glück der Menschen!“

      Den 29. Germinal (April).

      „In drei Tagen reise ich mit René nach Chenonceaux; schicke mir die Pferde bis St. Agnon und in fünf Tagen bin ich in Deinen Armen. Ja, ja! ich sollte schon lange bei Dir sein — Du hast durch die Verzögerung gelitten und ich auch. Nun wirst Du mich in Deinen neuen Gärten spazieren führen und wirst mir beweisen, daß der Froschteich ein Trasimenischer See geworden ist, daß die kleinen Wege große Heerstraßen, die Wiese ein Schweizerthal, und das kleine Holz ein Hercynischer Wald geworden sind. Ach! das ist Alles, was ich verlange — ich werde das Alles durch Deine Augen sehen und Alles wird mir schön erscheinen, wenn ich bei Dir bin.“

       Achtzehntes Kapitel.

       Aufenthalt in Nohant. Rückkehr nach Paris und Abreise nach Charleville. — Bonaparte in Sédan. — Das Lager bei Boulogne. — Kanonade mit den Engländern. — Der General Bertrand. — Adresse der Armee an Bonaparte, um ihn zu bitten, die Kaiserkrone anzunehmen. — Meine Mutter im Lager von Montreuil; Rückkehr nach Paris. — Heirath meines Vaters. — Meine Geburt.

      Nachdem mein Vater drei Monate bei seiner Mutter verlebt hatte und mit ihr in's Bad von Vichy gereist war, wurde er durch eine Verfügung der Consuln zurückberufen, die allen Generälen befahl, ihre Untergebenen um sich zu versammeln. Er kehrte nach Paris zurück, als man begann von der englischen Expedition zu reden, und schrieb an seine Mutter:

      „Was meine Geldgeschäfte betrifft, so will ich nicht, daß Du davon redest oder mich in irgend welcher Art um Rath fragst. Ich betrachte das Geld als ein Mittel, niemals als einen Zweck; und Alles, was Du thust, wird in meinen Augen immer weise, recht und vortrefflich sein. Ich weiß wohl, daß Du mir um so mehr geben wirst, je mehr Du besitzest.


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