Geschichte meines Lebens. George Sand

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Geschichte meines Lebens - George Sand


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mich dort als den einzigen Abkömmling des großen Mannes anerkennen lasse.

      „Ich werde mich wohl hüten, auf solche Extravaganzen einzugehen, aber ich will auch Dupont's Manie nicht bestimmt entgegentreten, denn er behauptet, daß ich meines Namens wegen Capitain werden müßte, und daß er sich dazu verpflichten wolle, mir diesen Rang sofort zu verschaffen. Da ich denselben durch mein Verhalten verdient zu haben glaube, will ich ihn gewähren lassen. Erinnerst Du Dich der Zeit, als ich nicht protegirt sein wollte? Das war noch vor meiner Dienstzeit; ich hatte noch Illusionen über das Leben und bildete mir ein, daß Klugheit und Tapferkeit zum Fortkommen genügten. Die Republik hatte mir diese thörichten Hoffnungen in den Kopf gesetzt; aber kaum habe ich mich im Leben etwas umgesehen, so habe ich auch erkannt, daß die Regierungsweise von ehemals nicht verschwunden ist und ich glaube, daß Bonaparte mehr dafür schwärmt, als man ihm ansieht.“

      Charleville, den 8. Thermidor Jahr X.

      „Sie sind sehr gütig, lieber Freund, daß Sie sich in meinen Angelegenheiten so viele Mühe geben. Seien Sie überzeugt, daß ich den Werth eines Freundes, wie Sie sind, zu schätzen weiß. Sie betreiben Alles, was mich betrifft, mit einem Eifer, den ich nicht genug anzuerkennen vermag — aber erlauben Sie, daß ich's Ihnen ohne Umschweife sage: in gewisser Beziehung geht dieser Eifer zu weit. Ich will Ihnen keineswegs das Recht absprechen, sich um mein Betragen zu bekümmern, wie Sie sich um meine Geschäfte und um meine Gesundheit kümmern, — es ist das Recht der Anhänglichkeit und ich werde dasselbe zu ertragen wissen, selbst wenn es mich verletzte, wie ich das schon in mißlichen Verhältnissen bewiesen habe. Aber in Ihrem Feuereifer sehen Sie die Dinge von der schwärzesten, tragischesten Seiten Sie sehen also falsch, und meine Freundschaft für Sie verpflichtet mich nicht, Ihren Irrthum zu theilen.

      „Wenn Sie mir z.B. prophezeihen, das ich mit dreißig Jahren die Schwächen des Alters haben werde, und daß mich diese zu großen Dingen untauglich machen werden, weil ich in meinem vierundzwanzigsten Jahre eine Geliebte habe, so erschreckt mich das nicht sehr. Ueberdies ist es ein Fehlgriff, daß Sie mir in Ihren Ermahnungen das Beispiel meines Großvaters vorhalten. Er war von einer Galanterie, der ich nicht nahe komme und doch gewann er im Alter von fünfundvierzig Jahren die Schlacht von Fontenoy. Ihr Hannibal war ein Dummkopf, als er sich mit seinem Heere in Capua einschläfern ließ — aber wir Franzosen sind nie kräftiger und tapferer, als wenn wir aus den Armen eines schönen Weibes kommen; und was mich betrifft, so glaube ich viel klüger und keuscher zu sein, wenn ich mich der Liebe für eine Einzige hingebe, als wenn ich täglich in meinen Neigungen wechselte, oder indem ich Dirnen aufsuchte, wozu ich, wie ich Ihnen gestehen muß, durchaus keine Neigung habe.

      „Nun gefällt es Ihnen zwar, der Consequenz wegen, das Wesen, mit welchem ich verbunden bin, eine Dirne zu nennen; aber es ist leicht einzusehen, daß Sie ebensowenig wissen, was eine Dirne ist, als Ihnen unbekannt zu sein scheint, was ein Weib ist. Ich will es Ihnen erklären, denn ich habe das Leben der Husaren so etwas kennen gelernt, und weil ich es kennen gelernt habe, beeilte ich mich, es zu verlassen. Freilich haben wir über diesen Gegenstand schon so viele Lanzen gebrochen, daß es kaum nöthig sein sollte, darauf zurückzukommen; aber da Sie darauf bestehen, die, welche ich liebe, anzuklagen, muß ich dabei beharren, sie zu vertheidigen.

      „Eine Dirne — da ich es Ihnen nochmals auseinandersetzen muß, — ist ein Geschöpf, welches spekulirt und seine Liebe verkauft. Es giebt deren viele in der großen Welt, obwohl sie vornehme Namen und besuchte Häuser haben; mit diesen könnte ich nicht acht Tage leben. Aber eine Frau, die sich uns anschließt, wenn sie uns im Unglück begegnet; eine Frau, die uns widersteht, solange wir uns in einer scheinbar glänzenden Stellung befinden und die uns erhört, wenn wir mit Lumpen bedeckt sind, und dem Hungertode nah (— so war ich, als ich aus den Händen der Kroaten kam); eine Frau, die uns die vollständigste Treue bewahrt, seit dem Augenblicke, wo ihn Liebe für uns erwacht ist; eine Frau, die nicht gestattet, daß wir ihr einige Unterstützung gewähren, selbst nicht, wenn uns eine Erbschaft zugefallen ist; die uns die Bankbillets von hundert Louisd'or in's Gesicht wirft, sie mit Füßen tritt und sie nur aufnimmt, um sie weinend in's Feuer zu schleudern — nein! hundert Mal nein! ein solches Weib ist keine Dirne; wir dürfen sie treu und innig lieben und sie vertheidigen gegen Jedermann. Nur ein Nichtswürdiger könnte einer solchen Frau ihre Vergangenheit vorwerfen — dieselbe möchte gewesen sein, wie sie wollte, — nachdem er ihre Liebe genossen und ihre Hülfe angenommen hat; und Sie wissen recht gut, daß ich ohne V... sehr in Noth gewesen wäre, nach Frankreich zurückzukehren. Wenn wir in der ersten Jugend ohne Hülfsmittel und ohne Stütze sind, bestimmen oft die Verhältnisse über uns, gegen unsern Willen. Die Frauen besonders, die schwächer sind als wir, und durch uns verleitet werden — da wir einen Ruhm darin suchen, ihre Schwäche irre zu führen, können sich leicht vom rechten Wege verlieren. Aber umgebt die ersten Heiligen des Paradieses mit allen Arten von Verführungen; laßt sie mit Unglück und Verlassenheit ringen und Ihr werdet sehen, ob sie Alle so gut daraus hervorgehen werden, wie gewisse Frauen, deren Verdammung Ihr für eine heilsame Gerechtigkeit haltet!

      „Sie irren sich also, mein Freund, und das ist Alles, was ich zu sagen habe, um die Rathschläge zu verwerfen, die Sie für gut halten und die ich als verderblich ansehe. Was meine Mutter betrifft, so bitte ich Sie, mich nicht zur Liebe für dieselbe aufzufordern; ich bedarf in dieser Beziehung der Aufmunterung keines Menschen, denn ich werde nie vergessen, was ich ihr schuldig bin und meine Liebe, meine Verehrung für sie können Allem widerstehen. Leben Sie wohl, mein lieber Deschartres; ich umarme Sie von ganzem Herzen — Sie wissen besser als jeder Andere, wie viel Anhänglichkeit es für Sie hat.

      Moritz Dupin.“

      „Nun ja! meine gute Mutter, ich will es Dir gestehen, ich bin — wenn auch nicht traurig, wie Du glaubst — doch ziemlich unzufrieden über die Wendung, welche meine Angelegenheiten genommen haben. In den öffentlichen Zuständen sind große Veränderungen eingetreten [Das lebenslängliche Konsulat.] und diese versprechen uns nicht viel Gutes. Die Schwierigkeiten, welche der Tod des ersten Consuls herbeiführen konnte, werden dadurch freilich beseitigt, aber es ist eine vollständige Rückkehr zum alten Regime, und da die ersten Würden im Staate stabil werden, giebt es kaum noch ein Mittel sich aus bescheidenen Stellungen emporzuarbeiten. Man wird da stehen bleiben müssen, wohin uns der Zufall gestellt hat und es wird gerade so sein, wie ehemals, daß ein tapferer Soldat sein Leben lang Soldat bleibt, während ein Laffe nach den willkürlichen Bestimmungen des Gebieters zum Offizier wird. Du sollst sehen, daß Du Dich nicht lange über diese Art monarchischer Restauration freuen kannst, und daß Du meinetwegen wenigstens die Zufälle des Krieges und den großen republikanischen Wetteifer zurückwünschen wirst.

      „Der Posten, den ich bekleide, ist an und für sich nicht unangenehm und in Kriegszeiten ist er glänzend, weil er uns der Gefahr aussetzt und uns zu thun giebt; aber in Friedenszeiten ist er ziemlich einfältig — und, unter uns gesagt, nicht gerade ehrenvoll. Wir sind eigentlich nichts, als höhere Lakaien. Von allen Launen des Generals sind wir abhängig; wenn wir ausgehen wollen, müssen wir dableiben — wenn wir dableiben wollen, müssen wir ausgehen. Im Kriege ist das ganz hübsch; da gehorchen wir nicht dem General, denn er ist der Repräsentant der vaterländischen Fahne, und er verfügt über unsere Freiheit zum Besten des Allgemeinen. Wenn er uns sagt: „Begeben Sie sich nach dem rechten Flügel; werden Sie dort nicht todtgeschossen, so gehen Sie nach dem linken Flügel und wenn Sie dort mit dem Leben davonkommen, so schreiten Sie vor“ — so ist das sehr gut, denn das ist im Dienste und wir sind ganz glücklich solche Befehle zu erhalten. Aber in Friedenszeiten, wenn er uns sagt: „Setzen Sie sich zu Pferde und begleiten Sie mich zur Jagd, oder dienen Sie mir als Gefolge, während ich Besuche mache“ — so ist die Geschichte nicht mehr so heiter; wir gehorchen seinem persönlichen Belieben, unser Selbstgefühl leidet dabei und das meinige befindet sich, wie ich gestehen muß, in einer harten Prüfung. Dupont ist freilich von ausgezeichnetem Charakter; wenige Generäle sind so wohlwollend und so mittheilsam — aber mit einem Worte: er ist der General und wir sind die Adjutanten. Wenn er uns nicht als Bedienten gebrauchte,


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