Ivanhoe. Sir Walter Scott
Читать онлайн книгу.als er in dem Gedränge an ihm vorbeikam, »ist es Deine Absicht, nach dem Turnier zu gehen?«
»Es ist meine Absicht,« erwiderte Isaak mit demüthiger Verbeugung, »mit Eurer Ehrwürden Erlaubniß, gestrenger Herr.«
»Ja,« sagte der Ritter, »um an den Eingeweiden unserer Edlen mit Wucher zu nagen und Weiber und Kinder mit Tand und Spielwerk zu betrügen; ich stehe dafür, Du hast einen reichen Vorrath von Geld in Deiner jüdischen Tasche.«
»Nicht einen Seckel, nicht einen Silberpfennig, nicht einen halben, so wahr mir der Gott Abrahams helfe!« sagte der Jude und schlug die Hände zusammen; »ich gehe nur, um den Beistand einiger Brüder meines Stammes zu suchen, daß sie mir helfen, die Steuer zu zahlen, die das Taxationsgericht mir aufgelegt hat. Vater Jakob stehe mir bei! Ich bin ein verarmter unglücklicher Mann. Selbst den Rockolor, den ich trage, habe ich mir geborgt, von Ruben von Tadcaster.«
Der Tempelherr lächelte mürrisch und erwiderte: »Falschherziger Lügner!« Dann ging er verächtlich weiter und sprach mit seinen muhamedanischen Sklaven in einer Sprache, welche die Umstehenden nicht verstanden. Der arme Israelit schien von der Anrede des kriegerischen Mönchs so erschüttert, daß der Templer bereits bis ans Ende der Halle gegangen war, ehe er den Kopf aus der demüthigen Stellung erhob, die er angenommen hatte. Und als er endlich aufsah, geschah es mit der Miene eines Menschen, zu dessen Füßen der Blitz eingeschlagen und in dessen Ohren der Donner noch nachtönt.
Der Templer und der Prior wurden bald darauf von dem Haushofmeister und dem Mundschenk, jeder von zwei Fackelträgern und zwei Dienern, die Erfrischungen trugen, begleitet, in ihre Schlafgemächer geführt, während Diener niedrigeren Ranges ihrem Gefolge und den anderen Gästen ihre verschiedenen Ruhebetten anwiesen.
Kapitel VI
Ihm zu Gefallen biet ich diesen Dienst;
Wenn er ihn annimmt, gut, wo nicht, lebt wohl
Und, bitt euch, kränkt mich nicht für meine Liebe
Der Kaufmann von Venedig.
(Grote'sche Shakespeare-Ausgabe Bd. IV, S. 274.)
Als der Pilger, dem ein Diener mit einer Fackel leuchtete, durch die verwickelten Gemächer dieses großen unregelmäßigen Hauses schritt, kam ihm der Mundschenk nach und flüsterte ihm ins Ohr, daß, wenn er nichts dagegen hätte, einen Becher guten Meth auf seinem Zimmer zu trinken, dort viele von den Dienern der Familie versammelt und begierig wären, die Nachrichten zu hören, die er aus dem gelobten Lande bringe, und vorzüglich das, was den Ritter Ivanhoe betreffe. Wamba zeigte sich ebenfalls sogleich, um ihm dieselbe Bitte vorzutragen, indem er die Bemerkung hinzufügte, ein Becher nach Mitternacht sei eben so gut, als drei nach der Abendglocke. Ohne eine Maxime zu bestreiten, die mit so ernster Wichtigkeit vorgetragen wurde, dankte ihnen der Pilger für ihre Höflichkeit, setzte aber hinzu, es gehöre mit zu seinem religiösen Gelübde, niemals in der Küche von Gegenständen zu reden, die in der Halle verboten wären.
»Dieses Gelübde,« sagte Wamba zu dem Mundschenk, »würde für einen Diener kaum passen.«
Der Mundschenk zuckte unwillig mit den Schultern. »Ich hatte die Absicht, ihm ein hübsches Zimmer anzuweisen,« sagte er, »doch da er so ungefällig gegen Christen ist, so mag er in dem nächsten Loch neben dem Juden Isaak schlafen. Anwold,« setzte er, zu dem Fackelträger gewendet, hinzu, »führe den Pilger in die südliche Zelle. Ich wünsche Euch gute Nacht, Herr Pilger,« fügte er bei, »und wenig Dank für Eure kurze Höflichkeit!«
»Gute Nacht, und den Segen unserer heiligen Jungfrau!« sagte der Pilger mit Fassung, und sein Führer ging weiter.
In einem kleinen Vorzimmer, in das mehrere Thüren führten, und welches von einer kleinen eisernen Lampe erleuchtet war, wurden sie zum zweiten Male unterbrochen, und zwar durch die erste Zofe der Lady Rowena, die in gebietendem Tone sagte, daß ihre Herrin mit dem Pilger zu sprechen wünsche, worauf sie Anwold die Fackel aus der Hand nahm und dem Pilger ein Zeichen gab, ihr zu folgen. Anscheinend hielt dieser es nicht für passend, diese Einladung abzulehnen wie die frühere; denn wenn auch seine Geberde einiges Erstaunen darüber ausdrückte, so gehorchte er doch ohne Antwort oder Einwendung.
Ein kurzer Gang und eine Treppe von sieben Stufen, aus festem Eichenholz gearbeitet, führte zu dem Zimmer der Lady Rowena, dessen rohe Pracht der Achtung angemessen war, die der Herr des Hauses der Bewohnerin zollte. Die Wände waren mit gestickten Teppichen behängt, auf denen in verschiedenfarbiger Seide mit Gold- und Silberfäden durchwebt und mit aller Kunst, deren jenes Zeitalter fähig war, Scenen der Jagd und der Falkenbeize dargestellt waren. Das Bett war mit denselben reichen Teppichen geschmückt und mit purpurnen Vorhängen umgeben. Auch die Sessel hatten gestickte Ueberzüge, von denen einer, höher als die übrigen, mit einem Fußschemel von künstlich ausgeschnitztem Elfenbein versehen war. Nicht weniger als vier silberne Candelaber, auf denen große Wachskerzen brannten, dienten zur Beleuchtung dieses Zimmers. Doch möge keine heutige Schöne die angelsächsische Prinzessin um ihre Pracht beneiden. Die Wände des Zimmers waren so unvollkommen und so voll Spalten, daß die reichen Behänge von dem Nachtwinde bewegt wurden, und trotz einer Art von Schirm, der sie vor dem Winde schützen sollte, bewegten sich die Flammen der Kerzen seitwärts, gleich dem Fähnchen eines Häuptlings. Pracht herrschte hier zwar, mit rohem Geschmack verbunden, aber für die Bequemlichkeit war nicht gesorgt, und da diese unbekannt war, vermißte man sie auch nicht.
Die Lady Rowena saß auf dem erhöhten Sitze, den wir bereits erwähnten, drei Dienerinnen standen hinter ihr, um ihr Haar zu ordnen, ehe sie sich zur Ruhe legte, und sie sah aus, als sei sie geboren, um allgemeine Huldigung zu fordern. Der Pilger erkannte ihren Anspruch auf dieselbe durch eine tiefe Kniebeugung an.
»Steht auf, Pilger,« sagte sie mit Anmuth. »Der Vertheidiger der Abwesenden hat ein Anrecht an günstige Aufnahme von allen, welche Wahrheit ehren und Mannheit schätzen.« Dann sagte sie zu ihrem Gefolge: »Zieht euch alle zurück außer Elgitha; ich habe mit diesem heiligen Pilger zu reden.«
Ohne das Zimmer zu verlassen, zogen sich die Mädchen in den äußersten Winkel desselben zurück und setzten sich auf eine kleine Bank an der Wand nieder, wo sie stumm wie Statuen sitzen blieben.
»Pilgrim,« sagte die Dame nach einer kurzen Pause, während welcher sie ungewiß schien, wie sie ihn anreden solle, »Ihr erwähntet heute Abend einen Namen, ich meine,« sie sprach diese Worte mit einer gewissen Anstrengung, »den Namen Ivanhoe in der Halle, in der er in Folge der Natur und Verwandtschaft am willkommensten hätte klingen sollen, und doch ist der Gang des Schicksals so wunderlich, daß von vielen, deren Herzen bei diesem Tone höher ge schlagen haben müssen, ich allein es wage, Euch zu fragen, wo und in welcher Lage Ihr den Erwähnten verlassen habt? Wir hörten, daß er wegen seiner geschwächten Gesundheit nach dem Abzuge der englischen Armee in Palästina geblieben sei und die Verfolgung der französischen Partei erfahren habe, welcher bekanntlich die Tempelherren zugethan sind.«
»Ich weiß wenig von Ritter Ivanhoe,« antwortete der Pilger mit bewegter Stimme. »Ich wollte, ich kennte ihn besser, da Ihr, Fräulein, Antheil an seinem Schicksal nehmt. Ich glaube, er hat die Verfolgung seiner Feinde in Palästina überwunden und ist im Begriff, nach England zurückzukehren, wo Ihr, mein Fräulein, besser wissen müßt als ich, wie sein Schicksal ausfallen wird.«
Lady Rowena seufzte tief und fragte genauer, wann man den Ritter Ivanhoe in seinem Vaterlande zurückerwarten könne, und ob er unterwegs nicht vielleicht großen Gefahren ausgesetzt sei. Ueber den ersten Punkt, sagte der Pilger, sei er in Unkenntniß, hinsichtlich des zweiten meinte er, daß die Reise über Venedig und Genua und von dort über Frankreich nach England mit Sicherheit gemacht werden könne. »Ivanhoe,« fuhr er fort, »war so wohl bekannt mit der Sprache und den Sitten der Franzosen, daß man nicht zu fürchten hat, es werde ihm auf diesem Theil seiner Reise ein Unheil widerfahren.«
»Wollte Gott,« sagte Rowena, »er wäre erst wohlbehalten hier angekommen, und im Stande, im bevorstehenden Turnier die Waffen zu führen, wo die Ritterschaft dieses Landes ihre Geschicklichkeit und Tapferkeit zeigen will. Sollte Athelstane von Coningsburgh den Preis erhalten, so möchte Ivanhoe schlimme Nachrichten