Lieben, kämpfen, leiden!. Geri Schnell

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Lieben, kämpfen, leiden! - Geri Schnell


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bedeutend besseren Überblick hat er vom Lager und besonders von Kurt Weber, erhalten. Für einen Neuling ist es beeindruckend, wie das Lager eines Aluminiumwerks funktioniert, was für Gewichte transportiert werden. Wenn wie heute der Stapler für das Hochregallager ausfällt, respektive die falschen Lagerplätze ansteuert, ist das Chaos kaum noch zu durchschauen.

      Herr Weber hat ihm imponiert. Paul ist beeindruckend, wie er seine Mitarbeiter anspornt, durch einen Sondereinsatz die Lage einigermassen im Griff zu behalten. Beim Mittagessen konnte er einige persönliche Dinge über Kurt Weber in Erfahrung bringen. Kurt ist 38 Jahre alt und hat Mechaniker gelernt. Er ist seit sieben Jahren verheiratet und scheint sehr stolz auf seine beiden Töchter, im Alter von fünf und drei Jahren, zu sein. Zusätzlich zu seiner Lehre hat er noch eine Ausbildung zum Betriebsfachmann absolviert. Im Aluminiumwerk arbeitet er erst seit vier Jahren. Er hat das Lager von einem langjährigen Mitarbeiter übernehmen müssen, welcher kurz vor seiner Pensionierung plötzlich krank wurde. Trotz der modernen technischen Einrichtung, fehlt unter diesen Umständen eine gute Dokumentation.

      Bald schwenken seine Gedanken ab. Ausser Kurt, gehen ihm vor allem die neuen Mitarbeiterinnen durch seinen Kopf. Dass sich seine Gedanken immer wieder auf die Damen konzentrieren ist nicht verwunderlich. Seine ehemalige Freundin hatte sich, während er, wegen dem Prüfungsstress, etwas wenig Zeit für sie hatte, für einen Studenten aus dem zweiten Semester entschieden. So liegt es nahe, dass er seine neue Stelle auch in diesem Punkt für interessant hält.

      Als Erste ist ihm Fräulein Hauri aufgefallen. Es ist ihm nicht entgangen, dass sie versucht hat, einen guten Eindruck auf ihn zu machen. Ausserdem scheint sie im Betrieb sehr beliebt zu sein. Sie ist sicher auch die am besten informierte Person im Betrieb. Sie dürfte so um die Mitte Zwanzig sein. Nebst den langen schwarzen Haaren und dem Jeansjupe, ist ihm vor allem der Perlwoll-Pulli aufgefallen. Er musste richtig gegen die Versuchung ankämpfen, dass er sie nicht am Arm berührt und fragt: «Ist der neu?»

      Am ersten Arbeitstag kann man sich solche Dinge noch nicht erlauben. Auch Silvia hat ihn beeindruckt. Sie ist sehr nett und zuvorkommend. Doch über ihren Charakter hat er noch nicht viel herausgefunden. Sie dürfte etwa so alt sein wie Regula, wirkt jedoch jünger und etwas unsicher. Ihre Kurzhaarfrisur lässt sie knabenhaft erscheinen, was durch den weissen Berufsmantel noch verstärkt wird. Als sehr verführerisch hatte er ihre braunen Augen in Erinnerung behalten, welche gut zu ihrem braunen Haar passen. Silvia ist sich allerdings nicht bewusst, wie diese Augen auf Männer wirken.

      Nur sehr oberflächlich sind ihm Fräulein Schmid und Fräulein Gretler in Erinnerung geblieben, da er sie nur sehr kurz gesprochen hat. Fräulein Schmid wirkt sehr selbstsicher und unternehmungslustig. Dagegen ist Fräulein Gretler noch sehr jung und unkompliziert. Sie scheint das Leben zu geniessen und interessiert sich mehr fürs tanzen und sonstige Unterhaltung, als für die Arbeit.

      Allmählich nimmt die Müdigkeit von Paul Besitz. Bevor er endgültig einschläft nimmt er sich vor, nichts zu überstürzen. Im Walzwerk wird gearbeitet und die Suche nach einer Freundin wird auf den Abend verlegt. Reinach ist für ihn Neuland. Er ist im Zimmer erst gestern eingezogen. Es liegt im gleichen Gebäude wie die Citybar, dort hat er gestern Abend noch einen Croque Monsieur gegessen, weil seine Küche noch nicht eingerichtet ist. Heute hat er, nach der Arbeit, einige Sachen einkaufen können. Sein Junggesellenhaushalt hat den ersten Tag überstanden. Dann schläft er ein.

      Offerte für neue Walzstrasse

      Paul arbeitet jetzt schon drei Monate im Walzwerk. Er hat sich gut eingelebt. Ausser mit Herr Lehner, ist er mit allen Mitarbeitern per du. Da er das Problem im Lager lösen konnte, ist er jetzt der zuständige Mann, wenn im Lager etwas nicht gut läuft. Die andern Mitarbeiter im TB sind momentan mit einem Grossprojekt beschäftigt. Yvonne Schmid kommt mit einem dicken Briefumschlag ans Pult von Daniel Gautschi, dem Einkäufer des Werks.

      «Die Offerte ist endlich eingetroffen», teilt Yvonne mit und übergibt Daniel den Brief. Gespannt nimmt Daniel das dicke Bündel aus dem Briefumschlag. Sauber zu einem Heft gebunden, liegt endlich die erste Offerte vor. Auf der ersten Seite ist eine Zusammenfassung des Inhalts, doch der Blick fällt unweigerlich auf die unterste Zeile, mit einer beängstigend wirkenden achtstelligen Zahl. Noch nie hat Daniel in seiner beruflichen Laufbahn ein solches Riesenprojekt betreut.

      «Als Erstes versuchen wir uns einen Überblick zu verschaffen. Wenn ich ehrlich bin, weiss ich gar nicht, wo ich anfangen soll», meint Daniel zu Yvonne, «für den Anfang brauche ich drei Kopien. Kannst du das übernehmen, - Yvonne? Ich überlege mir inzwischen, wie wir bis Mittwoch einen Überblick erhalten, was da auf uns zukommt, damit wir dem Direktor der Lieferfirma, mit seinem Mitarbeiterstab, die richtigen Fragen stellen können.»

      Während Yvonne zum Kopierer eilt, setzt sich Daniel an den Schreibtisch und beginnt Stichwörtern aufzuschreiben. Platzbedarf, Infrastruktur, Leistung der Maschine, Personalbedarf und viele weitere Punkte erscheinen auf dem Blatt. Dazwischen orientiert er sich an der Frageliste, die er von Herr Lehner erhalten hat, damit dieser die Geschäftsleitung informieren kann. Er und Yvonne haben die Aufgabe bekommen, die Offerte auseinander zu pflücken. Die Konkurrenzofferte wird erst für nächste Woche erwartet. Bis dann müssen die wichtigsten Parameter für einen Offertenvergleich zusammengestellt sein. Ausserdem ist die Offerte mit dem Pflichtenheft zu vergleichen, wobei vor allem die nicht erfüllten Punkte interessieren. Eine grosse Hilfe wird das Pflichtenheft nicht sein, da es nur sehr grob abgefasst ist. Zurzeit ist nicht genau bekannt was die Maschinenlieferanten alles anbieten können.

      «Du solltest dich als erstes mit dem Grundriss der Maschine beschäftigen», meint Daniel zu Yvonne, als sie mit den vier Heften vom Kopieren zurückkommt, «damit wir sehen, wo wir das Ungetüm hinstellen können. Ich werde mich mit dem Auflisten der Leistungsdaten befassen. Eine Kopie, der Offerte, kannst du gleich Herr Lehner auf den Schreibtisch legen. Also, viel Spass beim Zeichnen!»

      Yvonne beschäftigt den Kopierer, derweil stürzt sich Daniel auf die Zahlenflut der Offerte und beginnt sie auseinander zu pflücken. Es ist schon beeindruckend und beängstigend, wenn man sich die enorme Produktionsleistung der offerierten Walzstrasse vorstellt. Im Vergleich zu den heutigen, sicher nicht kleinen Maschinen, wird der Ausstoss gewaltig gesteigert. Eine Million Quadratmeter Folie pro Stunde, das sind, je nach Dicke 10 bis 50 Tonnen Aluminium in einer Stunde. Danach müssen die Rollen gelagert und transportiert werden. Es ist schon eine gewaltige Aufgabe, die da auf sie zukommt.

      Nachdem er den ganzen Nachmittag mit seinen Listen beschäftigt hat, besucht er um sechzehn Uhr Yvonne.

      «So bringst du das Monstrum in unseren Hallen unter?»

      Yvonne schaut erschrocken auf, sie ist so in ihre Arbeit vertieft, dass sie ihn nicht kommen hörte. Die Maschine ist im gleichen Massstab gezeichnet, wie der Grundriss der Hallenpläne. Auf einem Karton hat sie den Maschinen-Grundriss ausgeschnitten und versucht nun, ihn in den bestehenden Gebäuden unter zu bringen. Viele Möglichkeiten gibt es nicht, so richtig passt keine der Möglichkeiten.

      «Ich glaube es wird nicht ohne bauliche Veränderungen gehen. Bis jetzt habe ich drei Varianten gefunden, die mit einem vernünftigen Aufwand realisierbar sind. Moment- ich zeig sie dir!»

      Daniel ist ein sehr korrekter Kollege und scheint glücklich verheiratet zu sein. Mit seinen dreissig Jahren ist er das, was man unter einem interessanten Mann versteht. Er geht ganz in seiner Arbeit auf. Privat kümmert er sich liebevoll um seine beiden Kinder. Das Mädchen ist bereits vier Jahre, sein Bube erst ein Jahr alt und macht gerade seine ersten lustigen Gehversuche. Seine Frau Lisa sieht man selten. Trotz ihrer beiden Kinder wirkt sie noch sehr attraktiv und ist immer gut und modern angezogen. Das Interessante an Daniel ist nicht unbedingt seine äussere Erscheinung. Der Bart dürfte etwas moderner geschnitten sein und sein Friseur scheint auch nicht gerade ein Meister seines Fachs zu sein. Die Figur ist jedoch noch gut in Form. Man erkennt sofort, dass er ein regelmässiges Training betreibt und seine Grösse von gut eins achtzig wirkt auf Frauen auch nicht abstossend. Trotz allem ist es nicht das Äussere, das Daniel interessant macht, sondern die Art, wie er mit einem spricht und wie er mit Problemen fertig wird. Auch die Tatsache, dass er kein Schürzenjäger ist, macht ihn für jede Frau zu einer


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