Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman. Catherine St.John

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Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman - Catherine St.John


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waren, sich bei den Erfrischungen herumdrückten oder schlicht gerade tanzten – zu unterhalten.

      Bestenfalls nickte er bekannten Gesichtern flüchtig zu, während er die Tanzfläche bedächtig umrundete und sich schließlich vor Portia verbeugte. „Miss Willingham, Sie haben nicht zufällig noch einen Tanz frei?“

      Sie lächelte erleichtert. „Doch, Mylord, genau einen.“ Sie reichte ihm die Karte; er las und sah auf: „Da habe ich ja Glück – ausgerechnet einen Walzer zu ergattern!“ Rasch trug er sich ein, lächelte noch einmal und entfernte sich.

      Portia sah ihm nach: Hatte dieses Lächeln eigentlich seine Augen erreicht? Oder hatten sie immer noch diesen so traurigen Ausdruck gehabt?

      Er war wohl wirklich ein Opfer der Klatschsucht der oberen paar Tausend – wenn es überhaupt so viele waren! Viel mehr als die Anzahl, die in einen durchschnittlich großen Ballsaal passte, konnten das überhaupt nicht sein.

      Wer nicht eingeladen wurde, war auch nicht wichtig; wer auf dem Land lebte, war auch nicht so wichtig und konnte den Klatsch damit kaum befeuern.

      Warum konnten so wenige (und obendrein zum Teil außerordentlich eingebildete und auch dumme) Menschen so viel Einfluss haben?

      In der englischen Gesellschaft lag wirklich einiges im Argen… aber das würde sie allein auch nicht ändern können. Da musste man wohl ein Mann sein – oder Verbündete um sich sammeln. Aber wenn jeder, der (oder die, man sollte die Damen auch nicht stets unterschätzen!) guten Willens war, so viel tat, wie er konnte? So musste doch einiges zusammenkommen?

      Nun, darüber konnte man mit den meisten Tänzern wohl kaum leicht und elegant plaudern. Dann doch lieber Wetter, Theater, Mode, die Fülle des Ballsaals…

      Was tat wohl Walsey gerade? Er war recht spät gekommen, so dass wohl nur die weniger begehrten Damen noch freie Plätzchen auf ihren Tanzkarten vorzuweisen hatten. Ach, das war wohl recht arrogant von ihr – sie war auch nicht gerade die Unvergleichliche der Saison! Er tat ihr leid, denn sie glaubte nicht, dass ihn diese Bälle glücklich machten. Was machte ihn wohl glücklich?

      „Miss Willingham?“

      Sie schrak zusammen, drehte sich hastig nach Vorschrift und lächelte entschuldigend. „Ich fürchte, ich war nicht sehr aufmerksam. Was heute mit mir los ist, weiß ich auch nicht.“

      Das führte zu längeren Ausführungen über die Schädlichkeit bestimmter Wetterphänomene für die Gesundheit, vor allem die zarte Gesundheit junger Damen. Portia merkte sich sorgfältig die wichtigsten Passagen – gute Ausreden konnte man schließlich immer gebrauchen. Sie musste vielleicht noch den schmerzlichen Griff an die Schläfe noch etwas üben, vor dem Spiegel am besten.

      Und ein Riechfläschchen in ihr Retikül packen… Aber vernünftige Männer mochten wahrscheinlich solche Zimperliesen gar nicht. Sir – wie hieß er gleich wieder? – war mittlerweile bei den schädlichen Ausdünstungen (er sprach von Miasmen) der Stadt London angekommen, die der Gesundheit ja nun auch nicht zuträglich sein konnten. Er selbst, zum Beispiel, habe es sich zur Regel gemacht, sich nie in der Nähe der Themse aufzuhalten, weil dort die schädlichen Ausdünstungen geradezu waberten; sobald er eine gleichgesonnene Ehefrau gefunden habe, werde er sich mit ihr auf sein Landgut in Yorkshire zurückziehen. Portia lobte diese Idee, speziell im Hinblick auf seine empfindliche Gesundheit, gestand aber gleichzeitig ihre Begeisterung für die Kulturangebote Londons. Ihr unbekannter Tänzer hob gerade an, Kultur im Vergleich zur Gesundheit als unwesentlich abzutun, als das Orchester verstummte und ihm nichts blieb, als Portia zu ihrem Platz zurückzuführen.1

      Erleichtert ließ sich auf den Stuhl sinken, und äußerte ein wenig damenhaftes „Puh!“ Cecilia setzte sich neben sie und neckte sie: „So furchtbar?“

      „Ach, gar nicht so sehr. Nur recht langweilig. Hast du gewusst, dass in London gefährliche Dämpfe aus dem Boden aufsteigen, durch die man krank wird?“

      „Lieber Himmel, wo soll das denn sein?“

      „Überall!“, verkündete Portia mit der nötigen Dramatik. „Besonders schlimm an der Themse.“

      „Nun ja, müffeln tut sie ja wirklich recht unerfreulich…“

      Portia grinste breit. „Wie könnte etwas erfreulich müffeln?“

      „Du bist manchmal schon eine rechte Haarspalterin.“

      Der nächste Tänzer kam, um sie zum Ländler zu führen. Sehr angenehm, musste sie zugeben, er war noch so jung, dass er auf seine Schritte achten musste und zugleich nur das Nötigste sagen konnte. Die blonde junge Dame nebenan machte einen durchaus netten Eindruck, also lächelte Portia ihr freundlich zu und konzentrierte sich ansonsten darauf, ihren jugendlichen Partner diskret zu steuern.

      „War ich sehr tollpatschig?“, fragte er, als die Musik schließlich verklang. Portia lächelte ermutigend. „Aber nein! Vor allem haben Sie sich im Laufe des Tanzes sehr verbessert. Sie waren wohl noch nicht auf vielen Bällen?“

      „Das hier ist mein zweiter Ball – und beim ersten habe ich mich noch gar nicht so recht getraut, eine Dame aufzufordern. Ich finde, ich bin noch viel zu jung für so etwas – und wirklich Spaß habe ich auf einem Ball auch noch nicht.“

      „Warum gehen Sie dann denn auf Bälle? Lassen Sie sich doch noch ein wenig Zeit, Mr. – jetzt habe ich Ihren Namen vergessen, wie peinlich!“

      Er lächelte verzeihend. „Enderby. Lord Enderby. Der Grund für mein Erscheinen hier sitzt dort, neben der Säule mit den rosa Rosen.“

      Portia spähte vorsichtig in die angegebene Richtung und erblickte eine energisch wirkende Dame in dunkelblauem, silbern besticktem Samt und daneben eine deutlich jüngere Ausgabe ihrer selbst, die furchtsam dreinsah und das klassische Weiß der frischgebackenen Debütantin trug. „Meine Schwester Rebecca“, informierte Enderby Portia in düsterem Ton. „Sie will auch nicht hier sein. Wir sollen beide so schnell wie möglich heiraten. Ich muss die Erbfolge sichern – ich bitte Sie, mit neunzehn? Und Becky soll heiraten, damit Mama diese Sorge los ist.“

      „Ihre Schwester sieht nicht so aus, als gäbe sie Anlass zu Sorgen.“

      „Nein, sie ist auch sehr brav und folgsam. Das ist alles bloß Mama!“

      „Und Ihre Schwester hat noch gar nicht getanzt?“

      „N-nein. Vielleicht ist es, weil sie ein Gesicht zieht, als wollten alle sie fressen. Sie ist erst siebzehn!“

      Die Mutter schien es ja sehr eilig zu haben, die Kinder ins Erwachsenenleben zu drängen, dachte Portia. Vielleicht konnte Ben der Kleinen ein wenig die Befangenheit nehmen?

      Sie verabschiedete sich freundlich von Lord Enderby und eilte zu Cecilia und Benedict. Als das Orchester zu präludieren begann schritt Benedict auf die zusammengesunkene Miss Enderby (Miss war doch wohl richtig? Vielleicht war sie auch eine Ehrenwerte Miss oder gar Lady Rebecca?) zu und bat sie um diesen Tanz.

      Portia wurde gerade selbst aufgefordert und konnte nur noch aus dem Augenwinkel verfolgen, wie Miss Enderby dem angesehenen Viscount Lynet aufs Parkett folgte und – so ein Zufall aber auch! – genau neben ihr Aufstellung nahm. Sie lächelte dem sichtlich nervösen Mädchen beruhigend zu und versuchte dann, alle Schritte so exakt auszuführen, dass Miss Enderby sich etwas abschauen konnte, falls ihr das helfen sollte.

      Ben zwinkerte ihr unauffällig zu, offenbar hatte er ihre Absicht durchschaut.

      Ihr eigener Tänzer, ein Sir Thomas Ponsonby, plauderte über die üblichen Themen und lobte besonders die geschmackvolle Dekoration des Ballsaals. Da konnte Portia ihm nur zustimmen, aber sie hatte keine Lust, ihm ihre Gedanken über die Meeresstrand-Anmutungen darzulegen. Später würde sie überlegen, warum sie das nicht tun wollte, jetzt beschränkte sie sich weiterhin auf oberflächliches Geplauder, das nur durch die Figuren unterbrochen wurde, und ein diskretes Lob an Miss Enderby, die zwar schüchtern war, aber sehr gut, sogar graziös tanzte.

      Als


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