Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman. Catherine St.John

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Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman - Catherine St.John


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      Er geleitete sie zu ihrem Platz zurück, wo sofort zwei andere junge Herren heraneilten und um ihre Tanzkarte baten.

      Portia betrachtete sich das zufrieden und wandte sich dann an Sir Thomas. „Ein reizendes Mädchen, nicht wahr?“

      „Sie duftet nach Geißblatt und Zitrone“, antwortete dieser versonnen und fuhr zusammen. „Verzeihung, Miss Willingham – Sie haben natürlich ganz recht!“

      Damit ließ er sie stehen und eilte ebenfalls zu Miss Enderby. Amüsiert sah sie ihm nach. Nun, Miss Enderby schien damit versorgt zu sein!

      Als der Walzer mit dem Earl of Walsey näherkam, wunderte sie sich ein wenig, weil sie dich tatsächlich auf diesen Tanz mehr freute als auf die anderen. Was war denn an dem letzten Tanz mit ihm so besonders gewesen? Sie hatten sich nett unterhalten, aber das war ihr schon öfter möglich gewesen. Sie hatte mit Sebastian und Melinda darüber spekuliert, warum er so bedrückt wirkte und sich so lange von der Gesellschaft ferngehalten hatte… möglicherweise tat er ihr einfach leid?

      Sie musste unbedingt vermeiden, mitleidsvoll oder auch nur mitfühlend dreinzusehen, wenn er nachher kam und sie zum Tanz holte! Niemand wollte doch bedauert werden – oder doch?

      Nun, hoffentlich wollte er das nicht; Menschen, die versuchten, Mitleid zu schinden, waren ihr nicht sonderlich sympathisch.

      Zunächst aber tanzte sie mit Lord Worthington, einem freundlichen, aber ausgesprochen einsilbigen jungen Mann, der alle Figuren mit mathematischer Präzision ausführte und damit offensichtlich hinreichend beschäftigt war. Also bemühte sie sich, ebenso exakt zu agieren und sich ansonsten auf ein höfliches Lächeln zu beschränken. Als die Musik verklang, trug ihr das ein Lob für ihre sorgfältigen Tanzfiguren ein, das sie mit der gebotenen Dankbarkeit entgegennahm.

      Walsey wartete bereits am Rand der Tanzfläche. „Ich glaube, das ist unser Walzer?“

      Unwillkürlich strahlte sie ihn an. „Ganz recht, Mylord.“

      Er führte sie aufs Parkett und nahm sie fest, aber korrekt in die Arme. „Mögen Sie eigentlich Kinder, Miss Willingham? Ich frage, weil Sie doch viel mit den Lynets und den Hertwoods unternehmen – und die haben doch auch kleine Kinder?“

      „Oh ja! Die Hertwoods haben den kleinen Edward und obendrein ihren Neffen Paul. Er ist jetzt aber schon fast sechs Jahre alt und ein kluges Kerlchen, mit dem ich sehr gerne spiele. Ja, und Lord und Lady Lynet haben den kleinen James. Aber er ist in einem Alter, in dem man noch nicht viel mehr machen kann als ihn herumzutragen, wenn er schreit. Dann beruhigt er sich schnell wieder. Lady Hertwood ist ja wieder in der Hoffnung und sie wünschen sich ein kleines Mädchen, ein Schwesterchen für Eddie – und für Paul. Ich glaube, er hat längst vergessen, dass er ursprünglich einmal andere Eltern hatte. Vielleicht ist das besser so, nicht wahr?“

      „Es dürfte ihm zumindest mehr Ruhe bescheren. Er muss nie darüber nachdenken, ob die Hertwoods ihre richtigen Kinder höher schätzen, meinen Sie nicht auch?“

      Portia nickte. „Wenigstens so lange, bis er einen Lehrer bekommt oder später auf die Schule geschickt wird – immerhin hat er von seinem leiblichen Vater ja einen Titel geerbt und wird nachfragen, sobald er damit angeredet wird.“

      „Walford, nicht wahr?“

      „Richtig. Sie machen sich gewiss Gedanken um Ihre kleine Tochter, Mylord?“

      „Ja“, seufzte er. „Ich glaube, sie braucht allmählich auch eine Mutter. Aber ob sie das auch wollen wird, weiß ich eben nicht.“

      „Sie könnte eifersüchtig sein, wenn sie ihren Vater plötzlich teilen muss. Das könnte schwierig werden“, stimmte Portia nachdenklich zu und spürte, wie er sie etwas fester in die nächste Drehung zog.

      „Ich kann es natürlich nicht richtig nachvollziehen“, sagte sie dann, etwas atemlos wegen des Herumwirbelns, „denn ich bin zwar auch ohne Mutter aufgewachsen, aber mein Vater hat nie mehr Anstalten gemacht, zu heiraten. Jetzt überlege ich gerade, wie ich reagiert hätte, wenn er mir eine neue Mutter beschert hätte.“

      „Nämlich?“ Er sah in ihr eifriges Gesicht und lächelte über ihr echtes Interesse. Und wie hübsch sie war mit diesen roten Locken und den freundlichen braunen Augen. Ach ja, und mit einigen kleinen Sommersprossen, die er recht anziehend fand.

      „Vermutlich hätte ich den Gedanken zunächst eher befremdlich gefunden, ich hätte ja gar nicht gewusst, was eine Mutter ist und wozu man sie braucht, wenn man schon eine Nanny hat. Aber wenn Papa es mir gut erklärt und mir die betreffende Dame vorgestellt hätte…“

      „Dann hätten Sie sich gefreut?“

      „Ich denke schon, wenn sie nett gewesen wäre. Eine Vergleichsmöglichkeit hatte ich ja schließlich nicht!“

      „Ich vermute, Marian hat diese Möglichkeit auch nicht. Danke, Miss Willingham, das beruhigt mich schon etwas. Wie finden Sie den Ballsaal?“

      Der abrupte Themenwechsel irritierte sie etwas, aber sie blieb höflich und freundlich: „Bei Hellblau und Sandfarben musste ich an die Küste denken, vielleicht an den Strand in Brighton. Recht erfrischend, finden Sie nicht, Mylord?“

      „Sie könnten recht haben, Miss Willingham. Aber seien wir dankbar, dass niemand hier auch noch den Pavillon des Prince of Wales aufgebaut hat.“

      „Das ginge dann wohl zu Lasten der Tanzfläche, was den Ballsaal nutzlos machen könnte“, antwortete Portia. Er lächelte kurz, offenbar ehrlich erheitert, denn um die dunklen Augen bildeten sich kleine Fältchen. Portia freute sich über seine gute Laune.

      „Und Sie tanzen gerne, nicht wahr?“

      „Ja, sehr gerne. Aber ich habe noch nie so viel getanzt wie heute und auf dem Ball vorgestern. Ein wenig eigenartig kommt es mir schon vor, wie sich plötzlich alle Gentlemen auf mich stürzen. In den letzten beiden Saisons war das nicht der Fall. Man könnte fast meinen, ich hätte mich als reiche Erbin entpuppt!“

      „Und das haben Sie nicht?“ Er zog sie in eine schwungvolle Drehung.

      „Absolut nicht! Mein Vater ist ein Baron in sehr bescheidenen Umständen, der wohl recht froh ist, dass ich bei den Arnebys lebe und ab und zu auch von Lady Hertwood oder Lady Lynet auf Bälle mitgenommen werde.“

      „Die Arnebys leben in der South Audley Street, nicht wahr?“

      „Ganz richtig, nur ist Sir William mittlerweile nicht mehr ganz gesund, deshalb ist Lady Arneby sicher erleichtert, wenn sie mich nicht immerzu auf solche Veranstaltungen begleiten muss.“

      „Vielleicht haben Sie noch reiche Verwandte, von denen Sie gar nichts ahnen?“, schlug er vor und Portia sah ihn tadelnd an, bevor sie verschwörerisch raunte: „Lord Walsey, lesen Sie etwa diese Gruselromane? Ich dachte, die Herren der Schöpfung seien über so etwas erhaben?“

      Jetzt lachte er aus voller Kehle und manche Tanzpaare sahen sich irritiert nach ihm um.

      „Ich dachte, so etwas lesen nur junge Damen, um von romantischen Verwicklungen mit verfemten Schlossherren zu träumen?“

      „Und die Schlossherren haben schon von der geheimen Erbschaft gehört und umwerben die junge Dame genau deshalb, damit ihnen ihr Gespensterschloss nicht vor Altersschwäche zusammenbricht?“

      „Man könnte die Sensation des Jahres schreiben“, murmelte er versonnen – und jetzt war es an Portia, laut zu lachen. „Dabei würde ich Ihnen gerne helfen!“

      „Vielleicht nehme ich Sie beim Wort, Miss Willingham…“

      Bei der letzten Drehung überlegte Portia noch, ob sie ihn bitten sollte, Miss Enderby einmal aufzufordern, aber dann sah sie, wie deren Mutter sie durch einer Lorgnette anstarrte und dabei tadelnd den Kopf schüttelte. Bitte, dann eben nicht, obwohl das arme Mädchen ja wohl nichts für seine engstirnige


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