Der eiserne Gustav. Ханс Фаллада

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Der eiserne Gustav - Ханс Фаллада


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Tuchkissen hoch, die er gerade für die Tagfahrt ausbürstete. »Meenen Se det, Herr Hackendahl? Ick denk immer, es is zu ville Zucht auf der Welt, alles jeht nach Drill un Kommando, und der Mensch is doch keine Maschine nich, er is gewissermaßen was Lebendiges, mit Jefühlen ...«

      Aber der alte Wilhelm hatte einen schlechten Augenblick gewählt, denn gerade kam sein Kollege Piepgras auf den Hof gefahren, und der hatte bei seiner Droschke trotz des milden Sommermorgens das Verdeck hochgeschlagen, und das Kotleder war auch zugeknüpft, als regne es Pickelsteine. Aber das war nicht an dem, sondern ...

      »Ja, Herr Hackendahl«, sagte Piepgras und stieg schnaufend über das hohe Wagenrad vom Bock und schob den Lackzylinder mit der Nummer aus seiner buckligen Stirn. »Willste stehen, Ottilje! Das Aas kann nie sein Futter abwarten! – Ja, Herr Hackendahl, nu sagen Sie bloß, was sollte ich machen? Klock einsen die Nacht sind die beiden beim Alten Kuhstall in meine Droschke gestiegen, und über den Lehrter in den Tiergarten hat er gesagt, und dann immer weiter, bis ich klopfe! Und ich hab gar nicht gemerkt, daß er einen auf der Lampe hat, aber gekloppt hat er nich. Und ich fahre und fahre, und manchmal frage ich: ›Ist es noch nicht genug?‹ – Aber nichts, keine Antwort, und wie ich nun schließlich anhalte, sehe ich, die beiden pennen, aber wie! Da hilft kein Schütteln und kein Rufen, er quasselt bloß betrunkenes Zeug, und von Wohnung erfahren und so ist keine Rede.«

      »Immer stellst du solche Geschichten an«, sagt Hackendahl ärgerlich. »Weck sie auf! Rechne schnell mit ihnen ab und sieh, daß sie runterkommen von meinem Hof!«

      Und er trat einen Schritt zurück.

      »Aber, Herr Hackendahl!« sagte der Kutscher vorwurfsvoll. »Wie Sie bloß so sein können. Das sind doch zwei wie die reinen Kinder, so was muß man doch gesehen haben, das freut Vatern, und Muttern freut es auch ... Das ist doch noch die wahre Liebe, aus'm Gesangbuch ...«

      Und während er so weiterdröhnte, schlug Piepgras langsam das Verdeck seiner Droschke zurück und knüpfte das Kotleder los ...

      Es waren eine ganze Menge Leute, die da zuschauten. Müde Droschkenkutscher vom Nachtdienst und ausgeschlafene Droschkenkutscher vom Tagdienst. Auch Otto und Rabause ließen sich diesen Spektakel nicht entgehen. (Der alte Piepgras machte wirklich immer solche Witze.) Selbst die Frauen im Hause hatten eine Witterung von der Sache bekommen und sahen wieder aus den Fenstern, den dreizehnjährigen Bubi zwischen sich ...

      Es war kein schlechter Anblick, der sich den Beschauern allen bot, nein, die beiden Schläfer sahen gut und erfreulich aus. Wenn sie wirklich berauscht in die Droschke gestiegen waren, jetzt schliefen sie einen wahren Kinderschlaf. Ihr Kopf lag, ganz wie es sich gehörte, an seiner Brust, und an den Händen hielten sie sich auch, als dürfe ihre Gemeinsamkeit selbst nicht in den Wäldern des Schlafs und in den Dickichten des Traums verlorengehen ...

      Alle sahen still auf das freundliche Bild, und nach einer Weile sagte der alte Piepgras ganz friedlich: »Na, Herr Hackendahl, habe ich zuviel gesagt? So was freut einen doch, daß es das auch noch in der Kaiserstadt Berlin gibt, wo sich die Nutten auf der Friedrich geradezu auf die Hacken treten. Aber es jibt eben allens in Berlin ...«

      Wer kann sagen, was alles dem alten Hackendahl beim Anblick der beiden jungen Liebesleute durch Herz und Hirn zog? Er war ja auch einmal jung gewesen und sah, daß dies noch Kinderliebe war, etwas Leichtes, Fröhliches ...

      Aber da hatte nun Piepgras das Wort gesagt von den Nutten, die sich auf der Friedrich die Hacken abtreten, und in demselben Augenblick war ihm wohl die Tochter eingefallen, die heimlich in ein wirklich recht übel beleumdetes Café schlich, und der Sohn, der heute morgen nach gemeinem Parfüm gerochen hatte. Mit einem Satz sprang er zu der Droschke, riß den Schläfer bei der Schulter und rief zornig: »Wachen Sie auf! Machen Sie, daß Sie von meinem Hof runterkommen, Sie Kerl, Sie!«

      Noch eher aber als der junge Mann wurde das junge Mädchen wach. Sie fuhr hoch und sah auf den fremden Hof und in all die fremden Männergesichter, die auf sie gerichtet waren, die alle erschrocken und böse und finster aussahen. Daß diese Finsterkeit nicht ihr, sondern dem Ausbruch des eisernen Gustav galt, das wußte sie ja nicht.

      Sie faßte ihren Freund bei der Hand, zog ihn hoch vom Sitz und rief: »O komm bloß, Erich, was ist nur?« Und schon lief sie, ihre langen Röcke raffend, über den Hof dem Tor zu, ihren Erich mit sich ziehend.

      Den alten Hackendahl aber hatte der Name Erich ganz rasend gemacht, er lief neben den beiden her und beschimpfte sie weiter. Auf der anderen Seite aber lief der Droschkenkutscher Piepgras, der ein solches Ende seines Scherzes nie erwartet hatte, und flehte und drohte: »Herr Hackendahl, was machen Sie bloß?! Der Herr hat doch noch nicht bezahlt! Wollen Sie wohl stehenbleiben, Herr, und mir meine Taxe zahlen?!«

      Aber das junge Mädchen und der junge Mann liefen immer schneller, sie liefen von den bösen Gesichtern der Welt fort, in den blauen, frischen Junimorgen hinein ...

      Zuerst blieb der alte Hackendahl stehen. Er stand unter dem steinernen Torpfosten mit der goldenen Kugel darauf, trocknete sich das Gesicht ab und sah wie erwachend in all die Gesichter. Die Gesichter wandten sich aber alle verlegen von ihm fort, ein jeder machte sich rasch an seine wirkliche oder an eine Scheinarbeit. Stumm ging der eiserne Gustav über den Hof, rief im Vorbeigehen nur halblaut: »Mach du fertig, Otto!« und verschwand im Haus.

      Sofort war der Hof ein Wirbel von Getuschel und Geflüster, und am dicksten standen sie um den jetzt schnaufend zurückgekehrten Piepgras: Er hatte die jungen Leute nicht mehr erwischt, die Liebe war in dieser Nacht taxfrei gefahren.

      Um sieben Uhr auf den Schlag wurde im Hause Hackendahl Kaffee getrunken, und dem eisernen Gustav mochte zumute sein, wie ihm wollte, er stand Schlag sieben gerade aufgerichtet am Kopfende des Tisches und ließ den Heinz das Morgengebet sprechen. Dann gab es ein allgemeines Stuhl- und Füßegescharre, und nun kellte die Mutter die Mehlsuppe auf.

      Schweigend kratzten die Löffel auf den Tellern, schweigend sah bald der, bald jener Erichs leeren Stuhl an. Manchmal nur seufzte die Mutter, des hungrigen Sohnes im Keller gedenkend, sagte »Ach ja« und »O Gott, o Gott«, aber keiner antwortete, bis sie endlich klagte: »Heute ißt mal wieder kein einziger! Was das nur ist mit euch! Iß du wenigstens was, Bubi, du hast doch keine Ursache zu hungern!«

      Der Bengel schoß einen wachsamen Blick auf den Vater und sagte dann abgrundtief mit seiner mutierenden Stimme: »Plenus venter non studet libenter – ein voller Bauch studiert nicht gern. Im Interesse meines lateinischen Exerzitiums geziemt sich Zurückhaltung in der Vertilgung von gekochtem Mehl ...«

      »O Gott!« seufzte die Mutter. »Dafür läßt man nun seine Kinder studieren, daß man kein Wort mehr von ihnen versteht und daß sie ...«

      Sie sprach nicht weiter, ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, jeder sah, daß sie an den Sohn im Keller dachte, der ausstudiert hatte.

      »Halte den Mund!« knurrte der Vater zu Heinz hinüber.

      »Zu Befehl, pater patriae!« Und nicht umzubringen: »Soll ich einen Entschuldigungszettel für Erich in die Penne mitnehmen?«

      Der Vater funkelte den Sohn zornig an, die anderen duckten die Köpfe – aber das Gewitter zog ohne Einschlag vorüber: Hackendahl stieß nur seinen Stuhl zurück und ging auf sein Zimmer.

       Eine halbe Stunde später war Heinz zur Schule gegangen und Sophie ins Krankenhaus. In der Wohnung räumte Eva mit dem kleinen Dienstmädchen auf, in der Küche putzte Frau Hackendahl Gemüse, und im Stall berieten Otto und der alte Rabause, ob man den Vater an seine Privatfuhren erinnern dürfe oder nicht ...

      An seinem Schreibtisch saß der alte Hackendahl. Er hatte das Kassenbuch vor sich aufgeschlagen, die Morgeneinnahme hingelegt, aber er zählte nicht nach, er trug nicht ein.

      Er saß und grübelte. Er grübelte finster und ungelenk, er sagte sich hundertmal, daß die Welt nicht einfällt über einen kleinen Hausdieb, über einen Arbeitgeber, der vor seinen Leuten die Beherrschung verliert.

      Nein, die Welt fiel nicht ein, aber seine Welt


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