Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich


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eine seiner reizenden, wenn auch aufgezwungenen Cousinen, vor der qualmenden, vortrefflich duftenden Kaffeekanne, vor allen Dingen die höchst wichtige Frage zu beantworten, ob er viel Sahne und wie viel Zucker er wünsche. - Da steckte das Dienstmädchen, die Rieke, den Kopf wieder in die Thür herein und meldete, daß draußen ein Fremder sei, ein junger Herr, der den Herrn Regierungsrath zu sprechen wünsche.

      „Jetzt?" rief dieser - „geht nicht - soll wiederkommen. In einer Stunde, oder den Nachmittag, oder am liebsten morgen früh. Heute kann ich unmöglich." Das Mädchen verschwand wieder, kehrte aber schon nach wenigen Augenblicken zurück und richtete aus:

      „Er kann nicht warten, sagt er, und müßte Sie gleich sprechen." /20/

      „Er soll zum Teufel gehen!" fuhr der sonst so gutmüthige Regierungsrath jetzt gereizt und ärgerlich empor - „von „Müssen" kann gar keine Rede sein; ich muß gar nichts, und heute Morgen am allerwenigsten."

      „Das ist nun das zweite Mal heute Morgen," sagte da eine lachende Stimme in der Thür, „daß mich ein „möglicher" Onkel zum Teufel wünscht, und es müßte nur sein, daß ich wirklich zum zweiten Mal an den falschen gekommen wäre. Onkel Kettenbrock? —"

      „Onkel?" sagte der alte Herr, überrascht von seinem Stuhl aufspringend und erst den Eindringling und dann seinen früher vermutheten Neffen ganz erstaunt betrachtend.

      „Ja, mein lieber Herr," sagte der Arzt, der bis über die Ohren roth geworden war, „wenn Sie mich nur einen Augenblick hätten zu Worte kommen lassen, so würden Sie schon lange erfahren haben, daß Sie sich in mir geirrt."

      „Ja, wer zum Wetter ist denn jetzt eigentlich der Neffe?" rief ganz verdutzt der Regierungsrath.

      „Vielleicht entscheidet da der Name," lachte der Letztgekommene, „ich heiße Franz Kettenbrock."

      „Franz Kettenbrock?"

      „Und ich Karl Helmerdiek," sagte der Doctor.

      „Mein Reisegefährte aus dem Nicht-Rauchcoupé."

      „Der allerdings bedauert," sagte der junge Doctor, „einen so lieben Willkommen auf fremdem Revier und unverdienter Weise erhalten zu haben."

      Die Reihe zu erröthen war jetzt an den jungen Damen. Der Regierungsrath aber, mit dem richtigen Neffen vor sich, übersah in dem Augenblick alles Andere, und die Arme ausbreitend, rief er:

      „Junge - bist Du es denn wirklich - freilich, das Gesicht giebt's ja - wo ich auch nur vorher die Augen gehabt habe! - Herzensjunge - und doch überrascht!"

      „Lieber, bester Onkel!" rief Franz Kettenbrock, an seine Brust fliegend und den alten Mann fest an sein Herz drückend. Dann richtete er sich wieder auf. „Und das sind meine beiden Basen?" jubelte er, während ihm die hellen Thränen in den Augen standen. „Fränzchen - Adele - tausend noch /21/ einmal, was für große Mädchen sind die Knirpse geworden!" Im Nu hatte er sie beim Kopf und herzte sie nach der Art.

      „Aber ist das auch gewiß der Rechte?" rief da Fränzchen, ihn noch mit schelmischem Lachen abwehrend, „nach den heutigen Erfahrungen -"

      „Wie ich merke, hat mir mein Nachbar aus dem Nicht-Rauchcoupé schon das Beste oben abgeschöpft," sprach Franz - „aber halt! laßt ihn nicht fort - wir sind noch nicht fertig mit einander."

      Der junge Arzt, der wohl fühlte, daß er hier eine eben nicht beneidenswerthe Rolle spielte, hatte sich in der That leise nach der Thür gedrückt, um mit der Freude des Wiedersehens seinen Rückweg zu decken. „Mein bester Herr Nachbar," sagte er, „es thut mir allerdings leid, das Alles nur unter dem Namen eines Andern erhalten zu haben; aber ich bin wirklich unschuldig."

      „Den Herrn trifft keine Schuld," nahm auch Fränzchen jetzt seine Partei. „Wir Beide haben ihn förmlich eingefangen, und Onkel hat ihn gar nicht zu Worte kommen lassen, denn wir waren fest überzeugt, daß er der Rechte sein mußte. Hat also hier Jemand um Entschuldigung zu bitten, so sind es jedenfalls wir, die wir Sie so hinterlistig auf der Treppe überfielen."

      „Na, auf die Art läßt er sich, glaub' ich, jeden Morgen überfallen," lachte der junge Kettenbrock - „aber ohne Kaffee dürfen wir ihn keineswegs entlassen. Sie haben ihn einmal hereingeschafft, Onkel."

      Der Regierungsrath hatte indessen den jungen fremden Mann mit einem wohlwollend prüfenden Blick gemessen. Derselbe sah so anständig aus, und sein Gesicht hatte dabei etwas so Offenes, Ehrliches, daß er ihm überdies in der Freude des Augenblicks die Hand entgegenstreckte und ausrief: „Nun, Herr - wie war eigentlich Ihr Name?"

      „Doctor Karl Helmerdiek."

      „Also, Herr Doctor, wenn Sie auch nicht mein Neffe sind, hätten Sie es doch recht gut sein können, und da Sie unserthalben wahrscheinlich Ihr Frühstück versäumt haben, so machen Sie uns eine Freude, wenn Sie das unsrige mit uns theilen, /22/ um so mehr, da die beiden Herren auch schon bekannt mit einander sind -"

      „Wir waren Coupé-Nachbarn," sagte Franz Kettenbrock, „und ich hätte wahrlich nicht geargwohnt, daß mir mein Reisegefährte beinahe den Onkel abspenstig machen sollte. Das Komische bei der Sache ist jedoch, daß ich heute Morgen schon in Eurer alten Wohnung einem wildfremden Menschen in's Zimmer und an's Bett gefallen bin."

      „Im alten Logis?"

      „Natürlich; ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie das Haus je verlaßen würden."

      „Und der Fremde?" lachte der Onkel mit dem ganzen Gesicht.

      „War wüthend, daß ich ihn im Schlafe störte und ihn im Dunkeln ganz zärtlich meinen lieben, besten Onkel nannte."

      „Das ist eine himmlische Verwechselung!" riefen die jungen Mädchen. „Wer die Scene mit hätte erleben können!"

      „Als ob Ihr es mir hier um ein Haar besser gemacht hättet! Draußen steht „Willkommen" an der Thür, und drinnen bin ich eben so gut zum Teufel gewünscht worden, wie drüben bei dem alten Brummbär. Das war heute ein eigenthümlicher Empfang."

      Fränzchen lachte dennoch wie vorher. „Etwas Komischeres kann man sich kaum denken."

      „So? - nun wartet, ob ich nicht mit Euch quitt werde," bemerkte Franz. „Für den Empfang muß ich meine Revanche haben."

      „Und auf welche Art, Herr Vetter?" fragte schelmisch Adele.

      „Das weiß ich noch nicht," rief der Havanese, „aber die Mittel werden sich finden lassen."

      „Dann will ich Dir gleich Gelegenheit dazu geben," lächelte der Onkel. „Auf morgen Abend habe ich zur Feier Deiner Ankunft einen kleinen Ball arrangirt und alle Deine alten Schulkameraden dazu eingeladen, - da kannst Du die Mädchen gleich zur Strafe sitzen lassen."

      „Daß ich ein Narr wäre!" erwiderte Franz, „aber /23/ aufrichtig gesagt, liegt mir an einem solchen Fest verwünscht wenig. Ich hatte mich darauf gefreut, daß wir gemüthlich zusammenbleiben sollten. Bei so viel fremden Menschen -"

      „Dann mußt Du mir das Opfer bringen," sagte der Onkel. „Ueberdies triffst Du ja auch fast nur Bekannte dort."

      „Ihnen zu Gefallen Alles, lieber Onkel," rief Franz. „Darf ich aber dann wohl einmal die Liste der Eingeladenen sehen oder vielleicht noch eine oder die andere Einladung selber machen?"

      „Du bist der König des Festes und hast das volle Recht, einzuführen wen Du willst," sagte der Onkel.

      „Vortrefflich!" rief Franz. „Dann beginne ich gleich hier mit meinem Nachbar. Mein zeitweiliger Repräsentant will sich nämlich als Arzt in Yvenburg etabliren, und der kleine Ball dient ihm dann vielleicht zur Einführung in die Gesellschaft. Sie nehmen die Einladung doch an?"

      „Wenn die Damen keinen Groll mehr auf mich haben," sagte der junge Arzt mit einem bittenden Blick, vorzüglich auf Fränzchen.

      „Herzlich willkommen sollen Sie uns sein!" rief der alte Herr, - „und wo ist Ihr Absteigequartier?"

      „Wenn ich die Nummer recht gelesen habe, hier im Hause selbst," lautete die Antwort,


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