Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich


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Bogen in der einen und einem schwarzen Bleistift in der andern Hand neben ihm stand, - „bitte, lieber Franz, stellen Sie mich dem Herrn Grafen vor."

      „Mit dem größten Vergnügen," willigte in seinem Uebermuth der junge Havanese ein. „Meine Gnädigste, ich habe hier die Freude, Sie mit einem unserer leidenschaftlichsten und besten Tänzer, dem Grafen Hobelmann bekannt zu machen. Herr Graf, sehen Sie in dieser Dame die Mutter aller /41/ unchristlichen Waisen, die Königin und Wohlthäterin von Birma, wie von verschiedenen anderen heidnischen Länderstrichen."

      „Sie Schmeichler," lächelte verschämt unter ihrer Schminke erröthend die Commerzienräthin. „Herr Graf, ich freue mich außerordentlich, diese ehrenvolle Bekanntschaft zu machen, und entschuldigen Sie nur, wenn ich gleich bei Ihnen mit einer Bitte erscheine, und so gewissermaßen mit der Thür in's Haus falle."

      Sie trat dabei dicht auf Hobelmann zu, und dieser, in der Scheu, der Königin von Birma zu nahe zu kommen, erhob sich rasch von seinem Sessel, mit dem er beinahe umgefallen wäre.

      „Sie ist vollkommen unschädlich," raunte ihm Franz zu, und die Dame, der die erschreckte Bewegung nicht entgehen konnte, sagte lächelnd:

      „Fürchten Sie sich nicht, Herr Graf, es soll Ihnen nichts geschehen, nur Ihre Mildthätigkeit möchte ich in Anspruch nehmen, und zwar für die armen Heidenkinder in Birma, über deren Elend Sie mir wohl erlauben, Ihnen zugleich einige kleine Broschüren zu überreichen."

      „Majestät sind zu gnädig!" stammelte der also Ueberraschte. Die Commerzienräthin aber, mit einem lächelnden Blick auf Franz den Titel acceptirend, hielt ihm das Papier vor und sagte bittend:

      „Unterschreiben Sie, Herr Graf; bedenken Sie, daß Sie mit ein paar hier so heilvoll angelegten Louisd'oren unendlichen Segen wirken. Und wenn Sie auch nur eine Seele damit retten, so hätte sich das Capital ja tausendfach, millionenfach verzinst."

      „Was soll ich denn thun?" wendete sich der geängstigte Hobelmann an den sich dicht zu ihm haltenden Franz.

      „Unterschreiben Sie," rieth dieser leise, „sie wird sonst böse. Derartigen Leuten muß man scheinbar den Willen thun -"

      „Aber wie viel?"

      „Das bleibt sich ja gleich - unter zehn Louisd'or können Sie aber auf keinen Fall zeichnen. Wenn die Summe nur auf dem Papier steht, so ist die Dame vollkommen zufrieden." /42/

      „Nun, nicht wahr, Sie sind so freundlich?" drängte noch einmal die Commerzienräthin.

      „Wenn Sie befehlen, von Herzen gern!" sagte Herr Hobelmann, nahm den ihm gereichten Bleistift, und im nächsten Augenblick stand sein Autograph: G. Hobelmann mit der anscheinend unschuldigen Bemerkung: zehn Louisd'or auf dem Papier und vor den entzückten Blicken der Heidenbeschützerin. Im Ueberfließen ihres Dankes ergriff sie seine Hand.

      „Großmüthiger, freigebiger Mann," rief sie, „dafür ermöglichen Sie vielleicht den Eintritt einer ganzen Familie in den Himmel. Nur um Ihre werthe Adresse dürfte ich wohl noch bitten."

      „Die werde ich schon ausfüllen," mischte sich aber Franz Kettenbrock in das Gespräch und wehrte dadurch die Frau Commerzienräthin endlich ab. Brannte ihr doch auch schon der Boden unter den Füßen, auf neue Opfer zu stoßen und die unterschriebenen zehn Louisd'or im Triumph durch den Salon zu tragen. Herr Hobelmann aber, höchst erfreut so billig davongekommen zu sein, machte ihr eine tiefe, ehrfurchtsvolle Verbeugung, wie er es dem Rang einer Königin von Birma für angemessen hielt, und gewann sich dadurch ihr Herz vollkommen. Die Frau Steuerräthin dagegen rümpfte die Nase und war jetzt im Innern mehr als je davon überzeugt, - wenn es dazu überhaupt noch irgend eines Beweises bedurft hätte - daß die Commerzienräthin eine höchst durchtriebene und intriguante Person sei, vor der man sich entsetzlich in Acht nehmen müsse.

      „Nun, wie gefällt Ihnen die Gesellschaft?" fragte Franz, als er sich mit Herrn Hobelmann einen Augenblick allein sah.

      „Vortrefflich, mein junger Freund, ganz vortrefflich!" erwiderte der dicke Advocat, sich dabei den Schweiß von der Stirn trocknend; „ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, mich hier eingeführt zu haben. So etwas bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Die Königin von Birma zum Beispiel ist göttlich - ein wahres Charakterbild, einzig in ihrer Art! Aber sagen Sie mir einmal, wer ist denn der Herr, der da so finster zwischen den verschiedenen Gruppen herumgeht? Den mit der Brille /43/

      mein' ich und dem großen Schnurrbart. Er hat etwas Militärisches."

      „Das ist unser Hauptkrankenwärter," erwiderte Franz leise, denn der erwähnte Herr ging eben unfern von ihnen vorbei und warf dem Herrn Hobelmann einen scharfen, nicht besonders freundlichen Blick zu. „Hier in der Gesellschaft wird er zwar Herr Hauptmann titulirt, und die Kranken lassen ihn für ihres Gleichen gelten, außerdem hat er sie aber tüchtig unter der Fuchtel, und sie fürchten ihn, wenn er einmal ärgerlich wird und zwischen sie fährt. Doch da kommen noch ein paar unserer interessantesten Irrsinnigen, eine noch eben nicht bejahrte Dame in dem permanenten Alter der Zwanziger, ein Fräulein von Bomershausen, die, wenn ich nicht irre, ein Drama geschrieben hat, und vor der Aufführung aus Furcht vor dem Mißlingen desselben wahnsinnig geworden ist, und ein anderes gnädiges Fräulein von Losenbrett, ebenfalls eine Schriftstellerin, die wunderbarer Weise in ein französisches Attentat verwickelt zu sein glaubt und in jedem Fremden einen Spion fürchtet. In ihren lichten Augenblicken macht sie Gedichte, in ihrem ärgsten Parorysmus aber liest sie dieselben vor."

      „Sie scheinen es ebenfalls auf uns abzusehen," sagte Herr Hobelmann.

      „Im schlimmsten Fall fordern wir Beide zum Tanz auf," beruhigte ihn Franz; „die Musik wird im Augenblick wieder beginnen."

      „Ich bin aber schon so müde, daß ich kaum noch aus den Füßen stehen kann," versicherte Herr Hobelmann.

      „Das schadet nichts," entgegnete Franz. „Sie tanzen sich wieder munter. Ich empfehle Ihnen Fräulein von Losenbrett."

      „Die Dame mit den entsetzlich langen Locken?"

      „Bst - dieselbe - nicht so laut. Derartige Irrsinnige haben ein wunderbar scharfes Gehör und sind außerordentlich mißtrauisch."

      Er hatte kaum ausgesprochen, als Fräulein von Losenbrett, von der man schon seit fünfzehn Jahren behauptete, /44/ daß sie eine höchst interessante Blondine sei, an ihn heranglitt, seinen Arm berührte und leise sagte:

      „Lieber Kettenbrock, wer ist denn der dicke fremde Herr, den Sie uns da gebracht haben?"

      „Ein Graf Mann, mein gnädiges Fräulein," antwortete Franz. „Nach seinem Erbgut Hobelmann genannt."

      „Aber den Namen kenne ich gar nicht."

      „Er ist aus dem fernen Ostpreußen und erst heute bei uns eingetroffen. Erlauben Sie, daß ich ihn vorstelle?"

      „Gleich - erst noch eine Frage. Ich - ich habe zu Ihrer Rückkehr ein kleines Gedicht - eigentlich nur ein Epigramm, gemacht - denn Sie werden mir zugestehen, daß Sie keine Lyrik verdienen."

      „Mein gnädiges Fräulein -"

      „Still - ich möchte es Ihnen vorlesen - am liebsten Ihnen allein - in Begleitung einer Freundin natürlich - aber - wenn Sie Ihren Freund mitbringen wollen, habe ich nichts dagegen."

      „Jetzt? meine Gnädige. - Der Tanz wird im Augenblick wieder beginnen und ich bin engagirt."

      „In der nächsten Pause denn, unmittelbar nach dem Tanz. Drüben im kleinen Erker."

      „Indessen," sagte jetzt Franz, und zwar wieder mit lauter Stimme, „erlauben Sie mir wohl, Ihnen meinen Freund, den Grafen Hobelmann, vorzustellen, - Fräulein Emma von Losenbrett - eine unserer gefeiertsten Dichterinnen."

      Die Dame verneigte sich erröthend, und Hobelmann wollte sich ebenfalls mit einer tiefen und etwas steifen Verbeugung loskaufen. So billig sollte er aber nicht davonkommen, denn der boshafte Franz fuhr fort: „Er hat mich vorhin schon ersucht, Sie, meine Gnädige, in seinem Namen um diesen Tanz zu bitten."

      Die Antwort war eine stumme, aber gestattende.


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