Rüpel in Roben. Tomek Lehnert

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Rüpel in Roben - Tomek Lehnert


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Während die Leiter dieser beiden Zentren eine plötzliche und unerwartete Abneigung gegen Shamarpa und Topgala entwickelt hatten und pflichtbewußt das übelste Gerede verbreiteten, hatten die Leute in den von Lama Ole gegründeten Zentren wenig Ahnung und noch viel weniger Interesse an dieser Politik aus Asien. Hier standen die Praxis und der Nutzen in der modernen Welt auf der Tagesordnung. Die wenigen Gerüchte, die bis nach Europa gelangten, wurden für exotische Geschichten gehalten - würzige Zutaten in einem sonst perfekten Mahl. Alle Rinpoches galten noch immer als unfehlbar und heilig und das Hin und Her, das sich hinter den Kulissen abspielte, war den westlichen Schülern nicht bekannt.

      Getreu Karmapas Worten hielten Hannah und Ole die Gruppen unter ihrer Leitung von Politik fern. Lama Ole lehnte das Gerede über eine Spaltung an der Spitze der Linie ab und betonte, daß sich Karmapa in einer traditionellen Weise manifestieren würde, wenn die Zeit reif dafür sei. Immer wieder gab er den Linienhaltern den Rat: „Es darf keine öffentliche Ankündigung geben, bevor das Kind sicher in Rumtek ist. Wir können nicht arbeiten, wenn wir den Atem der Chinesen im Nacken spüren.“ Falls sich Karmapa dazu entschlossen hätte, in Tibet wiedergeboren zu werden, schmiedete Ole einen Plan, um ihn so schnell wie möglich außerhalb Chinas Reichweite nach Indien zu bringen. Die Jahre des Schmuggelns über so manche Grenze waren also nicht vergebens gewesen und Oles Erfahrung auf diesem Gebiet konnte der Linie vielleicht bald dienlich sein. Hannah und Ole eröffneten Shamarpa ihren Plan und teilten ihre Sorge über eine verfrühte Ankündigung mit Jamgön Kongtrul und Gyaltsab Rinpoche. Alle drei Linienhalter verstanden die Wichtigkeit eines sicheren Resultats und waren sich darin einig, daß der erste Schritt sei, Karmapa in Freiheit zu bringen, außerhalb eines chinesisch kontrollierten Tibets.

      Während Ole Gerüchte zurückwies und Gemüter besänftigte, kämpfte er in Wahrheit einen harten Kampf für die Einheit der Linie. Nach fast zwanzigjähriger Arbeit mit Tibetern hatte er wenig Illusionen über einige der „eher reizenden Züge“ im Charakter der Himalaya-Nation. Alle Lamas, die mit dem heimlichen Vorhaben in Europa ankamen, ihre eigene Organisation auf Kosten von Karmapas Zentren aufzubauen, wurden aufgefordert, nach Hause zurückzukehren. Die wenigen, die dennoch beharrlich blieben, landeten am Rande der ständig wachsenden europäischen Buddhisten-Szene oder bekamen Unterstützung, ihr Glück in Amerika zu versuchen. Und so blieb das Kagyü-Gebäude in Europa gefestigt und unter einem Dach vereint. Mit Ausnahme Frankreichs und Englands, Länder, in denen Lama Ole keine Verantwortung hatte, wurden aus besuchenden Mönchen und Lamas keine ansässigen Rinpoches.

      So diszipliniert und praxisorientiert die europäischen Buddhisten auch waren, es kam schließlich doch die Zeit, als auch sie begannen, sich mit der brennenden Frage der nächsten Inkarnation zu befassen. Das hatte nur wenig mit den Verleumdungen und den massiven Interessenskonflikten zu tun, die den Osten erschütterten, aber nach zehn langen Jahren des Wartens wollten die Leute unbedingt damit beginnen, ihre eigene Strategien auszuhecken. Sogar Hannah wurde einmal das Opfer der andauernden Gerüchte. Im Jahre 1990, während einer von Oles alljährlichen Touren um die Welt, versuchte sie in Sydney einen Vogel als Geschenk für jemanden besonderes zu kaufen, von dem man annahm, daß er in Rumtek sei. Vermutlich hatte Shamarpa diese ungewöhnliche Idee aufgebracht. Hannah, die eine Vertraute Shamarpas war und auch für Jamgön Kongtrul und Gyaltsab Rinpoche übersetzte, war sich sicher, daß dies das erwartete Zeichen war. Da die Vorliebe des letzten Karmapas für Vögel bekannt war, brauchte der Rest der Gruppe nicht lange, um dahinter zu kommen, wer der Empfänger dieses einzigartigen Geschenkes sein könnte. Die australischen Quarantänegesetze sorgten jedoch dafür, daß Hannah mit leeren Händen in Rumtek ankam. Obendrein traf die Gruppe, statt des erhofften Karmapas, nur Jamgön Kongtrul, der nur wenig Neues über den Verbleib Karmapas zu berichten hatte.

      Zu Beginn des Jahres 1992 wurde die allgemeine Atmosphäre, den 17. Karmapa betreffend, von immer größer werdenden Erwartungen geprägt. Zwei der Eminenzen, Jamgön Kongtrul und Gyaltsab Rinpoche, brachen ihr traditionelles Schweigen und deuten zurückhaltend an, daß möglicherweise eine Ankündigung bevorstehe. Die meisten Leute waren davon überzeugt, daß die langersehnte Bekanntmachung nur noch Monate oder gar nur Wochen auf sich warten lassen würde. Während sich die Stimmung dem Siedepunkt näherte, hatten nur wenige im Westen eine Ahnung von den Schlägen, die hinter den Kulissen ausgeteilt wurden. Schüler planten eifrig ihre Reise nach Rumtek und nahmen sehnsüchtig jeden Hinweis auf, der ihren Wunsch bestärkte. Tausende Westler, die Karmapas Segen durch Lama Ole kennengelernt hatten, waren bereit, nach dem großen Augenblick in ihrem buddhistischen Leben zu greifen.

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