Rüpel in Roben. Tomek Lehnert

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Rüpel in Roben - Tomek Lehnert


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wirklichen Schätzen zu tun, die Tibet hütete. Als Quelle des Mystischen ausgebeutet, wurde das Land bald zu einem Synonym für alles Übernatürliche.

      Ungefähr zur selben Zeit gelang einer Anzahl anerkannter Orientalisten aus Skandinavien und dem kaiserlichen Rußland der Weg in die verbotene Stadt Lhasa. Sie trafen auf eine reiche, von einem einzigartigen religiösen System unterstützte Kultur. Zum ersten Mal kam der Westen mit Buddhas vollständigen Methoden um mit dem Geist zu arbeiten in Berührung. Die Entdeckung der Wissenschaftler blieb jedoch die exklusive Domäne von Elite-Universitäten und ihre Forschungen wagten sich nicht über den Bereich intellektueller und wissenschaftlicher Spekulation hinaus. Auf einen größeren und praktischeren Einfluß der Lehre mußte Europa noch weitere fünf Jahrzehnte warten. Erst 1959, als die Tibeter von den kommunistischen Barbaren brutal aus ihrer heilen Welt gerissen wurden, wurde ein echter und dauerhafter Kontakt mit ihrer Kultur möglich.

      Während der späten Sechziger kam die Zeit für den Durchbruch. Zwei Westler erschlossen Neuland: es waren Hannah und Ole Nydahl, die begierig darauf waren, sich der buddhistischen Lehren anzunehmen und diese im Westen einzuführen. Die Verbindung, die sie knüpften, führte geradewegs an die allerhöchste Spitze der tibetischen Hierarchie.

      Im Dezember 1969 hielt der 16. Gyalwa Karmapa, Oberhaupt der Karma-Kagyü-Schule des tibetischen Buddhismus, Einzug in Kathmandu, gerade als Hannah und Ole aus Dänemark kommend in der Stadt eintrafen. Die jungen Idealisten befanden sich auf ihrer dritten Reise in die nepalesische Hauptstadt, um von dort „Substanzen“ mit nach Hause zu nehmen, die das Bewußtsein der Menschheit verändern konnten. Sie führten eine Gruppe skandinavischer Avantgardekünstler und -rebellen an und waren zutiefst davon überzeugt, daß Drogen jedermanns „Pforten der Wahrnehmung“ öffnen und der Menschheit eine letztendliche Wahrheit zeigen könnten. Gerade erst in Kathmandu angekommen, zog sie ein inneres Rufen auf die Spitze des majestätischen Swayambhu-Berges, eben als Karmapa im Begriff war, eine Zeremonie auszuführen. Später würden sie selbst erzählen, wie in dem Augenblick während der Zeremonie, als Karmapa seine Hände auf ihre Köpfe legte, alles in Licht explodierte. Der Lama wurde groß wie tausend Sonnen und augenblicklich wußten sie, daß ihre Suche abgeschlossen war.

      Diese ungewöhnliche Begegnung war der Anlaß einer intensiven Lehrzeit im östlichen Himalaya. Als erste westliche Schüler Karmapas wurden Hannah und Ole in die Belehrungen und einzigartigen Praktiken des tibetischen Buddhismus eingeführt. (*FN: Lama Ole Nydahl „Die Buddhas vom Dach der Welt“ + Verlag etc.) Sie waren auf dem besten Weg, ihre Vision aus den sechziger Jahren zu verwirklichen. Später würde Ole, inzwischen selbst ein Lama, daran gehen, mehr als zweihundert buddhistische Kagyü Zentren auf der ganzen Welt zu gründen. Mit Hannah und anderen Begleitern an seiner Seite würde er pausenlos von Zentrum zu Zentrum reisen und so die große Weisheit des Buddhismus in den Westen bringen. Die treibende Kraft hinter der Verwirklichung dieses Traums war die Hingabe zu Karmapa, eine Hingabe, die sich anfänglich auf alles Tibetische erstreckte. Jeder, der aus dem Land des Schnees stammte, wurde als hochspirituell verehrt, jeden Tibeter hielt man für einen verwirklichten Yogi und jeder Glatzkopf in Roben war sowieso halb erleuchtet. Es war genau diese reine Sicht, die mithalf, den idealistischen Westen mit der Idee zu inspirieren, das Shangri-La - das Objekt der Begierde der sechziger Generation - wäre in Reichweite.

      Andere, die in den folgenden Jahren auf den tibetischen Zug aufsprangen, nährten die heiligen Visionen mit noch größerem Enthusiasmus und wesentlich weniger Kritikfähigkeit. Was ihnen an Wissen und wirklicher Übertragung fehlte, versuchten sie durch Eifer wettzumachen. Besonders das alte Tibet wurde als eine Art Himmel auf Erden verehrt. Alles aus der Zeit vor der chinesischen Invasion, was einen tibetischen Stempel trug, wurde hingebungsvoll vergöttert und idealisiert. Es war eine edle Antwort auf die kommunistischen Greueltaten und die hysterische chinesische Propaganda, die das eroberte Land als eine feudale, rückständige und tyrannische Gesellschaft beschrieb. Daraus ergab es sich, daß die Vorstellung, alles Tibetische sei heilig, zum gemeinsamen Tenor der ersten Generation tibetischer Buddhisten im Westen wurde. Diese vielversprechenden jungen Leute nahmen sich des tibetischen Buddhismus genauso wie des Landes Tibet an. Niemand wollte sich auf die Seite der kommunistischen Aggressoren stellen und die Tibeter erfuhren zur Abwechslung einmal die überwältigende Aufmerksamkeit der westlichen Idealisten, nachdem sie in einer Zeit der Not die Nichtbeachtung durch Politiker der ganzen Welt erlebt hatten.

      Nach Jahrzehnten offizieller Gleichgültigkeit sahen schließlich die Verfechter der tibetischen Sache ihren Kampf gerechtfertigt. Als der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis gewann, nahmen sich die westlichen Massenmedien Tibets an und brachten die Schrecken der chinesischen Invasion ans Tageslicht. Berühmtheiten scharten sich um den selbst zu einer Berühmtheit geworden Dalai Lama, der daraufhin begann, in seiner halboffiziellen Funktion als Führer Tibets die Welt zu bereisen. Zur selben Zeit ließen die Verfechter eines freien Tibets, die durch diese Entwicklung Oberwasser bekamen, den unkritischen Glauben an das heilige Himalaya-Königreich ungehindert wachsen.

      Unterschied sich dieses harmonische Bild sehr von der Wirklichkeit? War das alte Tibet tatsächlich eine Nation von Wahrheitssuchenden und frommen Männern, die nur im Sinn hatten, ihre Lamas und Klöster zu unterstützen? War es wirklich ein Land, wo Milch und Honig flossen, dessen Menschen friedlich miteinander lebten und sich streng an die edlen buddhistischen Richtlinien hielten? Historische Tatsachen sprechen gegen diese himmlische Vorstellung. Tibet war, trotz der Aura von Mystik die seine Geschichte umgab, ein feudalistisches Land, vielleicht menschlicher und sicherlich glücklicher als andere feudale Gesellschaften, aber auf keinen Fall ein idyllischer Ort.

      Die Landschaft des alten Tibets war von Kriegen, politischen Intrigen und blutigen Fehden übersät. Jahrhunderte lang übten zwei alte buddhistische „Rotmützen“-Schulen (*FN: Die dritte Schule ist die Nyingmapa), die Sakya und die Kagyü, abwechselnd unumstritten die Macht über das Land aus. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts trat eine neue Macht in Erscheinung und begann, den politischen Status quo zu bedrohen: die Gelugpas oder „Die Tugendhaften“, ein reformierter buddhistischer Orden der „Gelbmützen“, der um das Jahr 1410 n.Chr. von einem Schüler des 4. Karmapa gegründet worden war. Unter der Führung des mächtigen 5. Dalai Lamas und seiner verantwortlichen Minister, luden die Gelugs im Jahre 1638 den mongolischen Kriegsherren Gushri Kahn nach Tibet ein. Sie wollten dadurch die Macht der Kagyüs brechen, die Regierung übernehmen und sich ihren Einfluß über Kham im Osten und das aufständische Tsang im Süden des Landes sichern. Den Mongolenhorden wurde freie Hand gewährt und so machten sie eine große Anzahl von Nyingma Klöstern entweder dem Erdboden gleich oder konvertierten sie zur Gelug-Schule. Der 10. Karmapa mußte fliehen und sich in ein zehnjähriges Exil begeben, nachdem sein Lager von einer Armee angegriffen worden war, die unter dem Befehl eines Ministers des Dalai Lama stand. Die Schule der Tugendhaften setzte ihre Vorherrschaft mit Feuer und Schwert durch.

      Die äußerst zersplitterte politische Szene wurde daraufhin in zwei Hauptgruppen unterteilt. Die erste Gruppe, die den Gelugs sehr nahestand, umfaßte sowohl Zentral- als auch Süd- und Westtibet und stellte das Einflußgebiet der Regierung in Lhasa dar. Die zweite, eine lose Anhäufung von Königreichen, mit jeweils einem eigenen Anführer am Steuerruder, breitete sich über Osttibet aus. Sie hielt nicht nur ihre Unabhängigkeit von der Hauptstadt mit allen Mitteln aufrecht, sondern auch ihre Ergebenheit gegenüber den Kagyüs und den Nyingmapas, die dritte alte Buddhistische Schule der „Rotmützen“.

      Die von den Gelugs dominierte Zentralregierung gab sich größte Mühe, die freigeistigen Khampas von Osttibet unter die direkte Autorität Lhasas zu stellen und sie auf diesem Wege zum “Gelbmützen”-Orden zu bekehren. Die Gelugpa-Hierarchie setzte alle Hebel in Bewegung, um dieses Ziel zu erreichen und hinterließen ein Erbe an Verrat, Einschüchterung und Eroberung.

      Nachdem sie sich mit den Mongolen verbündet und den Kagyü-Herrscher besiegt hatte, zwang die Verwaltung des Dalai Lamas den anderen drei buddhistischen Schulen strikte Kontrollen auf. Karmapa und die Kagyüs wurden zur Zielscheibe strenger Gesetzen und diskriminierender Steuern. Bis auf eine kleine Anzahl wurden alle Kagyü-Klöster in der Nähe von Lhasa zur Gelugpa-Tradition bekehrt. Zwei verschlüsselte Direktiven „Setze den Stern unter Druck!“ und „Melke das weibliche Yak!“ wurden in die Landesgesetze eingefügt und oft in offiziellen Erlässen beschworen. Es war ein gut gehütetes Geheimnis, von einem Minister


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