TARZAN, DER UNBESIEGBARE. Edgar Rice Burroughs
Читать онлайн книгу.Nkima auf seiner Schulter beschimpfte seinen Herrn und Meister, weil er nicht sofort den Tarmangani und seine Leute umbringen wollte. Der kleine Nkima war nämlich schrecklich blutdürstig, sofern nicht er, sondern ein anderer das Blutvergießen zu besorgen hatte. Während also Colt ungeduldig seine Männer antrieb und während Tarzan ihn verfolgte, näherte sich Raghunath Jafar dem Zelt Zora Drinovs. Die Frau saß auf einem niedrigen Feldbett und las in einem Buch. Als der Schatten des Mannes über sie fiel, schaute sie auf.
Der Hindu lächelte sein öliges, nichts Gutes verheißendes Lächeln.
»Ich wollte mich erkundigen, ob deine Kopfschmerzen nachgelassen haben«, sagte er.
»Danke, nein«, erwiderte die Frau kalt. »Vielleicht lassen sie nach, wenn man mich nicht in meiner Ruhe stört.« Jafar nahm von dieser Zurechtweisung keine Kenntnis. Vielmehr trat er ins Zelt ein und ließ sich auf einem Feldstuhl nieder.
»Es ist so einsam hier«, sagte er, »seitdem die anderen fortgegangen sind. Findest du nicht auch?«
»Nein«, erklärte Zora. »Ich bin ganz zufrieden, wenn ich allein sein kann und ausruhen darf.«
»Deine Kopfschmerzen sind sehr plötzlich gekommen«, meinte Jafar. »Vor kurzer Zeit machtest du noch einen recht munteren und gesunden Eindruck.«
Die Frau gab ihm keine Antwort. Sie wunderte sich, was wohl mit Wamala, ihrem Diener, geschehen sein mochte. Sie hatte ihm ausdrücklich aufgetragen, niemanden das Zelt betreten zu lassen. Vielleicht vermochte Raghunath Gedanken zu lesen. »Man sagt den Ostindern oft nach, dass sie über geheime Kräfte verfügen, wenngleich der Beweis dafür noch nicht erbracht worden ist. Wie dem auch sein mag, seine nächsten Worte ließen an diese Möglichkeit denken. Wamala ist mit den Askaris auf Jagd gegangen«, erklärte er.
»Das habe ich ihm nicht erlaubt«, fuhr Zora auf.
»Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn fortzuschicken«, sagte Jafar.
»Du hattest kein Recht, das zu tun«, meinte die Frau ärgerlich. Sie saß steil aufgereckt auf der Ecke des Feldbettes. »Ich finde, du nimmst dir allerhand heraus, Kamerad Jafar.«
»Einen Augenblick, meine Liebe«, meinte der Hindu beruhigend. »Wir wollen nicht streiten. Wie du weißt, liebe ich dich. Und von Liebe kann man nicht reden, wenn viele andere Menschen dabei sind. Vielleicht bin ich zu weit gegangen. Aber was ich tat geschah nur, um endlich eine Möglichkeit zu finden, mich in Ruhe mit dir auszusprechen. Außerdem, wie du weißt, ist in der Liebe und im Krieg alles erlaubt.«
»Dann wollen wir unser Zusammensein als Krieg bezeichnen«, sagte die Frau frostig. »Denn von Liebe kann gewiss keine Rede sein, weder auf deiner noch auf meiner Seite. Es gibt ein anderes Wort, um deine Gefühle zu beschreiben, Kamerad Jafar. Was meine Gefühle anbelangt, so sind sie dir gegenüber nicht gerade freundlich nach allem, was du dir erlaubt hast. Ich könnte dich nicht leiden, selbst wenn du der einzige Mann in der ganzen Welt wärest. Wenn Zveri zurückkehrt, das verspreche ich dir, wirst du die Rechnung zu bezahlen haben.«
»Lange bevor Zveri zurückkehrt wirst du von mir gelernt haben, was Liebe ist«, rief der Hindu leidenschaftlich. Er sprang auf und näherte sich der Frau. Sie fuhr gleichfalls hoch und schaute sich rasch nach einer Waffe um, mit der sie sich verteidigen konnte. Ihr Patronengürtel mit dem Revolver hing über der Lehne des Stuhles, auf dem Jafar gesessen hatte. Ihr Gewehr lag an der anderen Seite des Bettes.
»Du bist gänzlich unbewaffnet«, stellte der Hindu fest. »Ich habe bereits darauf geachtet, als ich ins Zelt trat. Es wird dir auch nichts nützen, wenn du etwa um Hilfe schreist. Niemand ist im Lager außer dir und mir. Mein Diener wird nicht herkommen, ehe ich ihn rufe. Er weiß, dass ich ihn niederschlage, wenn er nicht gehorcht.«
»Du bist eine Bestie!«, zischte die Frau.
»Warum willst du nicht vernünftig sein, Zora?«, fuhr Jafar ungerührt fort. Es kann dir nicht viel ausmachen, ein wenig nett zu mir zu sein. Die ganze Angelegenheit wird dadurch für uns beide leichter. Zveri braucht nichts davon zu erfahren. Wenn wir einmal in die Zivilisation zurückkehren und du dann immer noch der Meinung bist, dass du nicht bei mir bleiben magst, werde ich keinen Versuch machen, dich zu halten. Aber ich bin sicher, dass ich dich lehren kann, mich zu lieben. Wir werden sehr glücklich miteinander sein.«
»Hinaus!«, befahl die Frau. In ihrer Stimme schwang weder Furcht noch Hysterie. Sie sprach ganz ruhig, selbstbewusst und beherrscht. Für jeden Mann, den die Leidenschaft nicht ganz blind gemacht hatte, wäre dies ein bedeutungsvoller Umstand gewesen. Zoras Haltung verriet, dass sie entschlossen war, sich unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen. Aber Raghunath Jafar sah nur die Frau seiner Träume in ihr. Mit einem raschen Sprung war er bei ihr und packte zu.
Zora Drinov war jung, kräftig und gewandt. Dennoch hatte sie gegen den stämmigen Hindu nicht viel anzubringen, unter dessen Fettpolstern sich erhebliche Körperkraft verbarg. Sie versuchte sich loszureißen und aus dem Zelt zu entkommen. Der Mann hielt sie mit Bärenkräften fest und zog sie zurück. In wilder Wut fuhr Zora herum und schlug ihn mehrfach ins Gesicht. Er aber zog sie nur umso fester in seine Umarmung und trug sie zum Feldbett.
Drittes Kapitel: Unheimliches Spiel
Wayne Colts Führer, der einige Schritte vor dem Amerikaner einher marschierte, blieb plötzlich stehen und schaute mit breitem Lächeln zurück.
»Dort ist das Lager, Bwana!«, sagte er triumphierend und deutete mit ausgestrecktem Arm voraus.
»Dem Himmel sei Dank!«, rief Colt mit einem Seufzer der Erleichterung.
»Das Lager ist aber verlassen, stellte der Führer fest. Es sieht ganz so aus, nicht wahr?«, stimmte Colt zu. »Wir wollen es uns näher ansehen.«
Von seinen Männern gefolgt betrat er das Lager und ging die Zeltgasse entlang. Seine übermüdeten Träger setzten ihre Lasten ab. Auch die Askaris warfen sich der Länge nach in den Schatten der Bäume. Inzwischen begann Colt, von Tony gefolgt, eine Untersuchung des Lagers.
Dem jungen Amerikaner fiel sofort auf, dass eines der Zelte unter heftigen Stößen erzitterte.
»Da drüben geht etwas vor«, sagte er zu Tony und schritt schnell auf den Zelteingang zu.
Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn einen erstaunten Ruf ausstoßen. Ein Mann und eine Frau wälzten sich auf dem Boden herum. Der Mann war dabei, die nackte Kehle seines Opfers zuzudrücken, während die Frau ihm mit nachlassenden Kräften ins Gesicht schlug. Jafar war so mit seinem bösen Vorhaben beschäftigt, dass er Colts Gegenwart nicht eher wahrnahm bis er eine schwere Hand auf seiner Schulter spürte und heftig beiseite gestoßen wurde.
Von wilder Wut gepackt sprang er auf und schlug nach dem Amerikaner. Dabei fing er selbst einen Hieb ein, der ihn zurücktaumeln ließ. Abermals griff er an und wiederum fuhr ihm eine schwere Faust ins Gesicht. Dieses Mal ging er zu Boden. Als der braune Mann sich mühselig erhob packte ihn Colt, drehte ihn herum und stieß ihn durch den Zelteingang hinaus. Er beschleunigte den unfreiwilligen Abschied mit einem gut gezielten Tritt.
»Wenn er hier noch einmal eindringen will, Tony, schießt du ihn nieder«, befahl Colt dem Philippino. Dann sprang er der Frau bei, um ihr auf die Füße zu helfen. Er musste sie halb tragen und ließ sie schließlich auf dem Feldbett nieder. In einem Eimer entdeckte er Wasser. Er genetzte ihre Stirn, ihre Kehle und ihre Handgelenke damit.
Im Freien erblickte Raghunath Jafar die Träger und die Askari im Schatten der Bäume. Er erblickte außerdem Antonio Mori, der ihn stirnrunzelnd fixierte und mit einem Revolver bedrohte. Mit einem wütenden Fluch drehte der Hindu um und verschwand in seinem eigenen Zelt. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. Mordgedanken glühten in seinem Herzen.
Endlich schlug Zora Drinov die Augen auf und schaute in das besorgte Gesicht von Wayne Colt, der sich über sie beugte.
Im dichten Blattwerk eines Baumes hoch über dem Lager überblickte Tarzan, der Affenmensch, die Szene unter sich. Eine einzige, geflüsterte Silbe hatte Nkimas Geschwätz verstummen lassen. Auch Tarzan hatte die wilde Bewegung hinter der Zeltwand erblickt, die Colts Aufmerksamkeit